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Auf nach Mexiko
Wo fängt man an in diesem sagenhaften Land? In Tulum im mexikanischen Südosten, wo Freunde der Archäologie gleich unter den Ruinen der Maya am weißen Sandstrand in der Karibik baden können? Mehr Postkarte geht kaum. In der Eisenbahn namens Chepe, die sich jeden Tag durch den Kupfercanyon und das Reich der indianischen Wunderläufer im Nordwesten windet? Auf dem Kopfsteinpflaster von San Miguel de Allende mit seinen kolonialen Plazas und US-amerikanischen Rentnern? Auf der Sonnenpyramide von Teotihuacán, einst Hort der Götter und Zentrum Amerikas? Auf dem Zócalo von Mexiko-Stadt, dem Riesenquadrat in einer der größten Städte der Erde, erbaut auf den Trümmern aztekischer Hochkultur?
Man kann sich natürlich auch erst mal in den Innenhof des Restaurants »Los Danzantes« von Oaxaca setzen und den goldgelben Mezcal der Hausmarke bestellen. Passt ausgezeichnet zur krossen Tortilla Huarache (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Sandale) mit Feigenkaktus Nopal, Huitlacoche-Pilzen, gerösteten Grashüpfern und geschmolzenem Käse der Region. Chili und Agavenschnaps brennen majestätisch im Rachen. Oder man liegt mit tief gekühltem Bier an der Playa Zicatela von Puerto Escondido und schaut den Monsterwellen mit den Surfern zu. Oder man trinkt in der hauptstädtischen Colonia Roma, dieser Variante des Prenzlauer Bergs, mit der Boheme Espresso aus Bioplantagen in Chiapas. Und sieht in der Zeitung nach, was in den Kinos und Theatern läuft oder wie sich der Fußballklub América blamiert.
Mexiko hat 128 Millionen Einwohner auf einem Gebiet, in das Deutschland fünfeinhalb Mal hineinpasst. Oben die reiche Supermacht USA. Unten das arme Guatemala. Links und rechts zwei Ozeane, dazwischen Strände, Städte, Urwälder, Berge, Wüsten, Schluchten, Seen. Von der schattenlosen Hitze bis zum Frost der Fünftausender. Das perfekte Roadmovie. Mexiko besitzt mehr UNESCO-Welterbe als die USA, Ägypten oder Griechenland. Palenque, Chichén Itzá, Monte Albán und so weiter. 34 Adressen. Monumente, Museen und Historie an jeder Ecke. Eines der beliebtesten Ziele des Planeten. 35 Millionen Touristen 2016 - trotz zahlreicher Horrormeldungen in den vergangenen Jahren.
Ich entdeckte Mexiko vor mehr als zwei Jahrzehnten, also knapp ein halbes Jahrtausend nach den Konquistadoren. Ich staunte zunächst wie die meisten Debütanten. Bereits der Anflug auf diese Ciudad de México alias D.F., de effe (Distrito Federal, Bundesdistrikt) - ein Spektakel. Das Flugzeug fliegt am Ende eine kleine Ewigkeit lang über Häuser, Straßen, Plätze. Mehr als 20 Millionen Menschen leben allein auf diesem ehemaligen See und Imperium der Azteken, umringt von Vulkanen. Bei Nacht ist es ein Meer der Lichter. An guten Tagen zeigen sich über den Ausdünstungen des Molochs die Feuerberge, manchmal sendet der Popocatépetl Rauchzeichen. Dann geht die Maschine mehr oder weniger mitten in diesem urbanen Versuchslabor nieder. Auf 2300 Metern dröhnt Flachländern im Smog der Schädel, und das Taxi steckt im Monsterstau. Ruhe bewahren. Es lohnt sich.
Andere erreichen diese Estados Unidos Mexicanos aus dem Norden. Über die Grenzen von San Diego in den Vereinigten Staaten von Amerika nach Tijuana oder von El Paso nach Ciudad Juárez, zwei der meistbenützten Übergänge weltweit. Oder über Baja California und den Golf von Kalifornien. Europäer oder Nordamerikaner füllen eine dieser neuen Einreisekarten aus, zeigen ihren Pass vor - Stempel rein, das war's. Mexikaner und Mittelamerikaner ohne Visa lassen sich in der anderen Richtung irgendwo durch die Steppe schmuggeln. Über den Río Bravo alias Rio Grande und Zäune, die Donald Trump im Rahmen seiner monumentalen Idiotie in eine Mauer verwandeln möchte. Millionen Urlauber betreten Mexiko in Cancún, dieser Kopie von Miami Beach auf der Halbinsel Yucatán. Vor der Landung sehen sie bei passender Route und Sicht die Isla de Mujeres, die Fraueninsel, und die aparte Isla Holbox. Freunde der Feldbegehung gelangen von der guatemaltekischen Seite aus in den Süden Mexikos. Besonders bei Immigranten ohne Papiere aus Honduras oder El Salvador ist diese Strecke notgedrungen populär, ein Drama.
Schon diese Lage zwischen den Welten erzählt viel. Geografisch, politisch und wirtschaftlich gehört Mexiko zu Nordamerika, obwohl Mr. Trump diese Verbindung offenbar kappen will. US-Bundesstaaten wie Kalifornien oder Texas und US-Metropolen wie Los Angeles (Die Engel) oder San Francisco (Heiliger Franziskus) waren mexikanisch. Mexiko verbindet eine Hassliebe mit den Gringos, unter denen Millionen Mexikaner leben. Die Wurzeln der Republik allerdings liegen woanders. Die Azteken nannten sich Mexica, daher der Name Mexiko; México soll in der Aztekensprache Náhuatl der »Nabel des Mondes« gewesen sein und nach einer anderen Theorie der Ort des Gottes Huitzilopochotli. In Mexiko-Stadt gibt es die Plaza de las Tres Culturas, den Platz der Drei Kulturen, mit Resten des präkolumbischen Tlatelolco, Kirche und Konvent der Spanier und modernen Gebäuden der Mestizen. Große Symbolik.
Hipster feiern ihre Partys auf Resten eines versenkten Weltreichs, das hat Stil. Schon die spanischen Invasoren waren verzückt, ehe ihr Kreuzzug seinen Lauf nahm. Damals verschleierte noch keine Wolke aus Abgasen die Hochebene. Noch immer ist Mexiko ein Fest für alle Sinne, auch wenn die Augen brennen. Das Licht. Die Farben. Die Gerüche. Der Geschmack. Die Geräusche. Die mexikanische Melange ist das Ergebnis einer irren Geschichte. Sie handelt unter anderem vom Aztekenkaiser Moctezuma, vom Spanier Hernán Cortés und dem Verrat der Malinche, von schnauzbärtigen Revolutionären und einer unvergänglichen Revolutionspartei.
Mexiko brodelt und wackelt, es hat Aufstände erlebt und Erdbeben, Wirbelstürme und Überschwemmungen, Währungskrisen und Politchaos. Der Drogenkrieg dauert an. Unbeteiligte betrifft das in der Regel nicht, doch das macht die Sache nicht besser. Auch kleben an kaum einem anderen Land so feste Etiketten. Sombrero, Mariachis, Tequila. Nicht jeder Fremde weiß, dass Tequila kein billiger Fusel sein muss, sondern ein teurer Tropfen sein kann. Und dass unterdessen Mezqual in Mode ist, ohne Wurm. Es kann einem am kommenden Morgen so oder so erbärmlich gehen, ich spreche aus Erfahrung.
Die Agavenlandschaft von Tequila bei Guadalajara gehört genauso zu den UNESCO-Denkmälern wie das Reservat der Schmetterlinge in Michoacán. Auf keinem anderen Territorium der Welt wird mehr Spanisch gesprochen als in Mexiko mit seinen mehr als 125 Millionen Bewohnern. Andererseits sprechen ungefähr zwölf Millionen mexikanische Ureinwohner mehr als 60 indigene Sprachen. Eine meiner besten Freundinnen ist Grafikerin und trägt den wunderbaren Namen Xóchtil, das heißt im Idiom der Azteken Blume. Als Trump begann, die Mexikaner zu beleidigen und mit der Mauer zu drohen, schrieb ich ihr auf Whatsapp. Sie antwortete: »Schön, dass wir uns noch mal grüßen, bevor die Welt untergeht.« Eine andere Freundin, die zwischendurch einen baskischen Meisterkoch heiratete und nach Spanien zog, ist ebenfalls stolz auf ihre Gesichtszüge. Sie stammen auch von ihrer Großmutter, einer Tarahumara.
Mexiko zählt zu den 20 führenden Industriestaaten, bei der Handelskammer waren 2017 allein 1900 deutschstämmige Betriebe gemeldet. Einer der reichsten Menschen unter dieser Sonne ist Mexikaner: Der Magnat Carlos Slim hatte zwischenzeitlich noch mehr Geld als Bill Gates, laut Forbes 77,1 Milliarden Dollar. Man kann seinen Telefonlinien, Restaurants, Kaufhäusern oder Kunstwerken kaum entkommen. Gleichzeitig müssen ungefähr 50 Millionen Mexikaner mit ein paar Pesos am Tag auskommen. Die einen machen an der Börse ein Vermögen, die anderen schrauben in Fabrikhallen US-Fernseher zusammen, machen Penthäuser sauber oder verkaufen geschnittene Mangos mit Chilipulver. Indigene werden häufig behandelt wie folkloristische Statisten, die putzen, an Garküchen stehen oder irgendwelchen Schmuck verscherbeln.
Mexiko hat rasend schnelles Breitbandinternet und beherbergt Scharen von Analphabeten. Mexiko ist magisch und konfus, überfüllt und leer, heiß und kalt, bunt und grau, sanft und brutal, konservativ und tolerant, katholisch und bizarr. Der französische Schriftsteller André Breton nannte Mexiko das surrealste Land der Welt, und er hatte den Surrealismus immerhin erfunden.
Mexiko hat der Menschheit den Mais beschert, die Schokolade, die Avocado. Mexiko isst gut und viel und oft scharf, süß, fett; Übergewicht ist inzwischen häufiger als Unterernährung. Mexiko war die Bühne des filmreifen Malerpaares Frida Kahlo und Diego Rivera, vor deren Haus die Fans Schlange stehen. Mexiko ist verrückt nach Seifenopern, Klatsch und Kitsch - und hat tiefsinnige Schriftsteller wie Carlos Fuentes hervorgebracht, wie Juan Rulffo und Octavio Paz. Mexiko ist die Heimat von Filmemachern wie Alejandro González Iñárritu, dem Regisseur von »Amores Perros«, »Babel« und »Birdman«. Der Gitarrist Carlos Santana ist gebürtiger Mexikaner, die Sängerin Chavela Vargas war Mexikanerin. Luís Buñuel oder Gabriel García Márquez fanden in Mexiko ein neues Zuhause.
Mexiko hat Kunsthandwerk jeder Art zu bieten und brillante Architektur. Uralte Kultstätten, Meisterwerke des Kolonialismus, Bauhaus, Futurismus. Mexikos Botschaftsgebäude fällt in Berlin nicht zufällig auf. »Die Hände der Mexikaner wie die der Chinesen sind unfähig, etwas Hässliches zu schaffen, gleich ob aus Stein, aus Ton oder Nelken«, schwärmte in seinen Memoiren der chilenische Dichter Pablo Neruda. Das ist aus heutiger Sicht nur leicht...
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