Schweitzer Fachinformationen
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Warum ziehen wir das an, was wir anziehen? Häufig wählen wir unsere Kleidung wegen ihrer Bequemlichkeit, aufgrund dessen, wie sie an unseren Körpern aussieht, wegen ihrer angenehmen Farben oder als Schutz vor Witterungseinflüssen oder Gefahren. Je nachdem, ob wir uns körperlich anstrengen, altehrwürdigen Bräuchen nachgehen, ob wir uns kulturell ausdrücken oder uns als Teil einer Gruppenidentität ausweisen wollen. Manchmal tragen wir sie auch für die Botschaften, die sie an unsere Freund*innen, Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen sendet. Kleidung ist so viel mehr als nur "Mode" - sie sendet wichtige Signale über unsere tatsächliche und wahrgenommene Stellung in der Gesellschaft und ist ein entscheidendes Element unserer persönlichen Lebenserzählung - der täglichen, sogar stündlichen Entscheidungen, die wir treffen, mit denen wir unsere Geschichte, unsere Wünsche, unsere Zugehörigkeit und unser Selbstbild vermitteln. Aber wenn wir darüber nachdenken, was wir anziehen sollen, denken wir in der Regel nicht an die Folgen der Herstellung und Entsorgung unserer Kleidung. Wir übersehen auch oft die Inhaltsstoffe, einschließlich der Art der Fasern, aus denen ein Kleidungsstück hergestellt wird. Die meisten von uns wissen nicht einmal, woraus unsere Kleidung besteht, obwohl die vielen giftigen Inhaltsstoffe unser Wohlbefinden erheblich beeinflussen. Diese Inhaltsstoffe (wie Azofarbstoffe und wasserabweisende Chemikalien) haben auch große Auswirkungen auf den ökologischen Zustand der natürlichen Systeme der Erde, deren Teil wir sind. Und aufgrund der schieren Anzahl von Menschen, die Kleidungsstücke zu den aktuellen Verbrauchsmengen kaufen, summieren sich die Auswirkungen, die die Inhaltsstoffe unserer Kleidung haben, schnell. Uber 80 Milliarden einzelne Kleidungsstücke wurden im vergangenen Jahr weltweit verkauft, was einer Verdoppelung in nur 15 Jahren entspricht und eine 1,3 Billionen US-Dollar teure Textilindustrie unterstützt, in der 300 Millionen Menschen in fast allen Ländern der Welt beschäftigt sind.2
Was wir tragen, ist wichtig, aber bis vor kurzem wurde in der Öffentlichkeit kaum über die erheblichen ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Kosten gesprochen, die mit der Herstellung, dem Tragen und der Entsorgung unserer Kleidung verbunden sind. Die Herstellung von Textilien, einschließlich des Baumwollanbaus, verbraucht jährlich fast 95 Billionen Liter Wasser. 20 Prozent der Süßwasserverschmutzung auf der ganzen Welt sind zurückzuführen auf das Färben und die Verarbeitung von Kleidungsstücken.3 Die Industrie verwendet Tausende von synthetischen Verbindungen, oft in verschiedenen Kombinationen, um unsere Kleidung weich zu machen, zu verarbeiten und zu färben. Viele dieser Stoffe werden mit einer Reihe von menschlichen Erkrankungen, darunter chronische Krankheiten und Krebs, in Verbindung gebracht.4
Die Arbeitsbedingungen in ausbeuterischen Textilfabriken bieten in den meisten Fällen ein Einkommen, das kaum Möglichkeiten für soziale Mobilität bietet, wie sie viele Menschen in den westlichen Industrienationen mittlerweile gewöhnt sind.5 Im Jahr 2015 protestierten in Kambodscha 6.000 Textilarbeiter*innen für faire Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen. Dazu gesellten sich Arbeiter*innen in Indien und anderen Ländern - alle Teil der Lieferkette, die Kleidung für H&M produzierte, eines der größten Bekleidungsunternehmen der Welt.6 Laut einem Bericht der Internationalen Arbeits-organisation aus dem Jahr 2013 gelten weltweit 168 Millionen Kinder als Kinderarbeiter*innen, fast 11 Prozent der Gesamtbevölkerung. Obwohl die meisten in der Landwirtschaft tätig waren, arbeiteten auch viele in der Textilindustrie.7 In Indien arbeiteten laut dem Bericht fast eine halbe Million Kinder auf den weitläufigen Baumwollfeldern des Landes.8
Diese schlechten Arbeitsbedingungen werden durch unseren Kleidungskonsum noch verschärft.
Diese schlechten Arbeitsbedingungen werden durch unseren Kleidungskonsum noch verschärft. Laut Elizabeth Cline, Autorin von Overdressed: The Shockingly High Cost of Cheap Fashion, wurde 1990 die Hälfte aller von US-Amerikaner*innen getragenen Kleidungsstücke in den Vereinigten Staaten hergestellt. Heute sind es nur noch 2 Prozent.9 Einer 2015 veröffentlichten Greenpeace-Analyse zufolge kauft der Durchschnittsmensch heute 60 Prozent mehr Kleidungsstücke als noch im Jahr 2000 und behält sie nur noch halb so lange. Die weltweite Nachfrage nach Bekleidung, insbesondere in Asien und Afrika, wird sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln. Die Durchlaufzeit für Modetrends - die Geschwindigkeit, mit der wir Kleidung verwenden und wegwerfen - ist zwischen 1992 und 2002 um 50 Prozent gesunken. Teilweise beträgt sie nur zwei Wochen, ein Trend, der Fast Fashion genannt wird. "Wir kaufen mehr Kleidung als je zuvor und wir tragen sie seltener", schrieben die Greenpeace-Autor*innen. "Durch die Behandlung von Kleidung als Wegwerfartikel ist Mode zu einer Neuheit geworden. Die Kommerzialisierung und Vermarktung von Mode führt zu Überkonsum und Materialismus - unsere Kleidung zu behalten und sie zu schätzen ist nicht mehr in Mode."10
Zwei Marken, die eng mit Fast Fashion verbunden sind, Zara und H&M, produzieren zusammen eine Milliarde Artikel pro Jahr, von denen ein großer Teil nach nur ein paar Mal Tragen weggeworfen wird. Nur 15 Prozent der gebrauchten Kleidung in den USA werden recycelt; der Rest landet auf Deponien, das sind mehr als 5 Prozent der jährlich anfallenden kommunalen Abfälle.11 Bis 2019 wird die Gesamtmenge der gekauften Textilien voraussichtlich 16 Millionen Tonnen übersteigen. Eine andere Studie beziffert den Wert des weggeworfenen Materials auf 460 Milliarden US-Dollar pro Jahr.12 Die Autor*innen des Greenpeace-Berichts schätzen, dass bis zu 95 Prozent aller weggeworfenen Kleidungsstücke wieder getragen, wiederverwendet oder recycelt werden könnten.13
Auch die Fasern in unserer Kleidung haben besorgniserregende Geschichten. Polyester, eine ölbasierte, synthetische Faser, wird heute in 60 Prozent unserer Kleidungsstücke verwendet, mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Es verbraucht jedes Jahr fast 350 Millionen Barrel Öl und verursacht 282 Milliarden Kilogramm CO2-Emissionen, dreimal so viel wie Baumwolle, was es für die Welt immer schwieriger machen wird, die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaziele von zwei Grad Celsius zu erreichen. Nicht-ölbasierte Fasern sind ebenfalls mit Kosten verbunden. Rayon, dessen Gebrauch sich zwischen 2005 und 2015 verdoppelt hat, ist eine Zellulosefaser, für die Bäume und Bambus geerntet und verarbeitet werden müssen. Canopy, eine kanadische Non-Profit-Organisation, setzt sich dafür ein, dass bedrohte Wälder nicht Teil der globalen Rayon-Lieferketten sind, und konnte bereits erhebliche Fortschritte beim Schutz gefährdeter Wälder verbuchen. Das Hauptproblem bleibt jedoch - die Verwendung von Baumzellstoff für Kleidung ist ein land- und brennstoffintensiver Prozess, der unsere wertvollen Wälder weltweit gefährdet. Dann gibt es noch die konventionelle Verarbeitungsmethode, bei der Baum- und Bambuszellulose in Schwefelkohlenstoff gelöst wird. Dabei werden die Arbeiter*innen giftigen Dämpfen ausgesetzt, die schwere neurologische Schäden verursachen können. Der Herstellungsprozess von Rayon ist so giftig, dass es in den Vereinigten Staaten 2013 von der US-Umweltschutzbehörde verboten wurde. In einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2006 wurde Acryl, eine Kunstfaser, als einer der giftigsten Stoffe der Welt bezeichnet.14
Darüber hinaus gelangen Mikrofasern aus unserer synthetischen Kleidung seit Jahrzehnten in unsere Wasserwege, in unsere Ozeane und auf unsere Böden. In einem vom Bekleidungs- und Ausrüstungsunternehmen Patagonia geförderten Forschungsprojekt untersuchte ein Team von Doktorand*innen der Bren School of Environmental Science and Management der University of California-Santa Barbara den Umfang und die Auswirkungen dieses Problems. "Unsere Untersuchungen ergaben, dass Mikrofasern sowohl in aquatischen als auch in terrestrischen Lebensräumen verbreitet sind. Vom Grund des Indischen Ozeans bis hin zum Ackerland in den Vereinigten Staaten", schreibt das Team auf der Website. Ihre Experimente ergaben, dass beim Waschen von synthetischen Jacken in der Maschine etwa 1,7 Gramm Mikrofasern freigesetzt werden und in die örtliche Kläranlage gelangen. Von dort aus gelangen bis zu 40 Prozent in Flüsse, Seen und Ozeane.15
Eine weitere Studie unter der Leitung von Forscher*innen der University of California-Davis untersuchte die Verschmutzung von Meeresfischen durch Mikrofasern. Sie stellte fest, dass jedes dritte Schalentier, einer von vier Flossenfischen und 67 Prozent aller auf Fischmärkten in Kalifornien getesteten Arten Mikrofasern enthalten.16 Es wird außerdem geschätzt, dass Menschen in Europa durch den Verzehr von Schalentieren bis zu 11.000 Mikrofaserstücke pro Jahr zu sich nehmen.17 Das Forschungsteam der Bren School kam zu dem...
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