Schweitzer Fachinformationen
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»Bien sûr je vais t'informer tout de suite, dès que Steven me rappellera, Maurice.« Eileen Sanders lächelte ihren Chef an und sah ihm wie üblich eine Spur zu lange in die Augen. »Natürlich sage ich dir sofort Bescheid, sobald Steven anruft.«
Leise schloss sie die Tür zu Maurice de Wevers Büro im zwölften Stock eines modernen Bürogebäudes am Ahmadu Bello Way. Ihr Sekretärinnenlächeln mit der wohldosierten Portion Erotik verschwand wie ausgeknipst. Sie war genauso nervös wie Maurice, aber im Gegensatz zu ihm zeigte sie es nicht.
Steven hätte sich schon längst melden sollen, entweder bei Maurice oder bei ihr. Vor über drei Stunden war er aufgebrochen, um den zerschossenen Range Rover bergen zu lassen, und als Securitychef der Euro Mining war es seine Pflicht, den Geschäftsführer über den Stand der Dinge auf dem Laufenden zu halten. Und auf Steven war normalerweise Verlass. Natürlich dauerte hier in Lagos alles länger als sonst irgendwo auf der Welt, und vielleicht hatte er momentan auch nur keinen Handyempfang. Dennoch wurde auch sie allmählich unruhig, weil Steven sich immer noch nicht gemeldet hatte. Wenn jemand Nachricht von Marc oder Benoît hatte, dann er.
Seufzend setzte Eileen sich an ihren Schreibtisch, schlug die makellosen Beine übereinander und sah hinunter auf das Meer. Noch bevor sie ins Flugzeug steigen würde - dummerweise wusste sie noch immer nicht, wann -, würde sie diesen Blick schon vermissen. Der Ahmadu Bello Way trennte Victoria Island vom Atlantik, und hier oben war die Aussicht einfach bombastisch. In den sieben Jahren, die Eileen, eine gebürtige Amerikanerin, nun schon für den aus Belgien stammenden Maurice de Wever arbeitete, hatte sie den spektakulären Ausblick jeden Tag aufs Neue genossen.
Jetzt, um diese Uhrzeit, war das Meer nicht blau, sondern glitzerte so silbern wie ein Funkenregen bei einem Feuerwerk. Das Blau des Himmels lag hinter einem zarten Dunstschleier verborgen, alles irisierte und flimmerte wie der Wassernebel eines Springbrunnens an einem windigen Sommermorgen. Am Horizont zogen riesige Öltanker vorbei, Containerschiffe und die luxuriösen schneeweißen Jachten der Superreichen, die in Lagos noch um einiges größer waren als irgendwo sonst in der Welt. Auch auf ihnen lag dieses magische Licht. Näher am Strand jagten und sprangen schlanke Motorboote über die Wellen und ließen die Gischt aufspritzen. Die alten Fischerboote hingegen tuckerten mit eingezogenen Netzen verträumt in Richtung Hafen, auch sie eingebettet in diesen überirdisch glänzenden Schimmer.
Eileen befingerte ihr Nasenpiercing, einen in Weißgold gefassten winzigen Diamanten, der ebenso funkelte wie die Pracht dort draußen, und trank nachdenklich einen Schluck ihres inzwischen kalt gewordenen Tees. Automatisch füllte sie aus der Thermoskanne heißen Tee nach, gab drei Stück Kandiszucker dazu und rührte um.
Seit Marc und Benoît verschwunden waren, ging hier alles drunter und drüber. Alle paar Minuten stand einer der knapp fünfundzwanzig Mitarbeiter in ihrer Tür, die sich in den drei Stockwerken unter der Chefetage um die Lieferzeiten von Planierraupen und Baggern, um Ersatzteilbestellungen, Preiskalkulationen oder logistische Planungen kümmerten. Als rechte Hand des Chefs war sie für alle Kollegen - die meisten stammten ebenfalls aus den Staaten oder aus Europa - die erste Ansprechpartnerin, wenn es brannte. Und im Moment brannte es so lichterloh wie noch nie.
Erst die überraschende Entlassung von Frieder Waaghausen, einem aus Deutschland stammenden Techniker, die Maurice nicht einmal ihr erklärt hatte. Dann der Überfall auf den Rover mit dem Ergebnis, dass Henry tot und Marc und Benoît unauffindbar waren. Die meisten der Kollegen fragten nicht direkt nach Neuigkeiten zu dem Vorfall, sondern schoben irgendein organisatorisches Problemchen vor. Doch Eileen sah jedem sofort an, was ihm wirklich auf dem Herzen lag. Nach einem zuversichtlichen Lächeln und ein paar unverbindlichen Worten trollte er oder sie sich zum Glück bald wieder.
Eileens Chef hingegen war nicht so leicht abzuspeisen. Es kostete sie einen ungeheuren Kraftaufwand, Maurice den Rücken zu stärken. Natürlich war genau das ihr Job, und selbstverständlich stand für ihn viel auf dem Spiel, wenn nicht sogar alles. In Brüssel, wo sich der Firmensitz der Euro Mining befand, wartete man nur darauf, dass er Schwäche zeigte, den Anforderungen nicht mehr gewachsen war. Niemand wusste das besser als sie. Aber verschwendete er auch nur einen Gedanken daran, wie es in ihr aussah?
Die Nachricht von dem Überfall hatte sie mehr getroffen, als sie es je für möglich gehalten hätte. Benoîts Schicksal ging ihr nicht allzu nahe. Sie hatte die eine oder andere aufregende Stunde mit ihm verbracht, zugegeben. Ansonsten aber verband sie nichts.
Bei Marc hingegen lag die Sache anders. Aber bei ihm war ja von Anfang an alles anders gewesen als bei den sonstigen und weiß Gott nicht wenigen Männern in ihrem Leben.
Man hatte Blut im Rover gefunden, viel Blut. Vielleicht waren die beiden entführt worden, wie so manche Mitarbeiter ausländischer Firmen, die dann anschließend um aberwitzige Summen erpresst wurden. Von Gelegenheitsganoven, Kriminellen, Stammesvätern auf der Suche nach neuen Einkunftsquellen für ihren Clan oder gerade beschäftigungslose Warlords, von denen es Unzählige in Nigeria gab. Auch die Euro Mining hatte es schon getroffen.
Sie mochte gar nicht daran denken, was sie Marc antaten, was er jetzt vielleicht zu erleiden hatte. Ob sie ihn in einen der stinkenden Slums gebracht hatten, in die sie als Weiße selbst in Begleitung nie einen Fuß setzen würde? Oder im Gegenteil raus aus Lagos, so tief in den Busch, dass niemand ihn je finden würde?
Vielleicht war er auch längst tot. Obwohl sie in den vergangenen zwei Tagen diese Möglichkeit oft in Betracht gezogen hatte, versetzte ihr der Gedanke wieder einen schmerzlichen Stich. Andererseits wäre es vielleicht sogar die beste Lösung. Dann müsste sie sich nicht mehr unentwegt fragen, ob ihre Entscheidung, sich nach so langer Zeit von ihm zu trennen, wirklich die richtige gewesen war.
Steven Huntington ging in verhaltener Eile auf den Mann in goldbetresster Prachtuniform zu, dessen Miene keinen Zweifel daran ließ, dass er es nicht gewohnt war, auf seine Gesprächspartner zu warten.
»Mr Asare, I'm so sorry.« Mit einer tiefen Verbeugung begrüßte er den beleibten Schwarzen. »Sie wissen ja selbst, wie die Verkehrsverhältnisse manchmal sind hier in Ihrer wundervollen Stadt. Und leider musste ich noch rasch jemanden ins Krankenhaus fahren, einen Landsmann von Ihnen. Er wurde angeschossen. Es tut mir wirklich sehr leid.«
Inspector General of Police Olufunlola Solomon Asare ergriff mit unbewegter Miene und ohne sich zu erheben, die dargebotene Hand des jetzt wieder tadellos gekleideten Engländers und drückte kräftig zu. Huntington verzog keine Miene und setzte sich dem Mann gegenüber an den edel gedeckten Tisch. Asares afrikanischer Vorname Olufunlola bedeutete »Gott hat mir Wohlstand geschenkt«. Was in diesem Fall ein selten schlechter Witz war. Nicht, dass der Kerl es nicht innerhalb weniger Jahre zu beträchtlichem Reichtum gebracht hätte. Aber sein Geld und seine Villen waren mit Sicherheit nicht vom Himmel gefallen.
Huntington hatte einen Zweiertisch an der Fensterfront reserviert, sodass sie ungestört und vor allem unbelauscht sprechen konnten. Vor dem Gespräch war er noch kurz in seinem Apartment gewesen, um zu duschen und sich umzuziehen.
»Ich hoffe, das Essen hier im Federal Palace ist so gut, wie man überall behauptet«, brummte der hohe Polizeioffizier verstimmt, spitzte kurz die Lippen, als wollte er jemanden küssen, und entledigte sich im Sitzen der Uniformjacke. Eine feuchte Wolke seines penetranten Deodorants wehte zu Huntington herüber.
»Wie ich diese Aussicht auf die Lagune liebe!«, behauptete der Engländer mit gut gespielter Begeisterung. »Herrlich, nicht wahr? Quite honestly, I do love it.«
Lagos, angeblich die Stadt mit dem höchsten Champagnerverbrauch der Erde, zu fünf Prozent Größenwahn und zum größten Teil ein stinkendes Dreckloch voller Schlamm und Elend, Armut, ekliger Krankheiten, Prostitution und Kriminalität.
Asare gönnte der Aussicht keinen Blick, sondern musterte seinen Gesprächspartner mit kühler, undurchdringlicher Miene. Ein hagerer Ober näherte sich mit leichten Schritten und devotem Lächeln, reichte den offenkundig wichtigen Gästen in dunkles Leder gebundene Speisekarten, wartete, bis die Herren gewählt hatten, nahm immerfort dienernd die Bestellungen entgegen - Entrecôte für Mr Huntington, Filet Mignon für den Polizeioffizier, dazu eine Flasche Chardonnay, Jahrgang 2009 aus der Champagne - und entschwebte.
»Sie hatten es sehr eilig, mich zu treffen«, murmelte Asare, dessen Oberlippe ein schmales Bärtchen zierte und der nur ungern lächelte. Für einen Wicht wie Huntington lohnte es sich offenbar nicht, laut zu sprechen. »Ich hoffe, diese Eile ist angebracht. Sie wissen, ich bin ein viel beschäftigter Mann. Ich habe Ihretwegen wichtige Termine absagen müssen.«
Wahrscheinlich bei einer sensationellen neuen Nutte in irgendeinem Nobelpuff, dachte Huntington, ohne seine freundlich-unterwürfige Miene zu verziehen.
Er beugte sich vor und faltete die Hände auf dem Tisch. »Sie ahnen es natürlich schon, denn Sie sind - wie jedermann weiß - ein sehr kluger Mann, verehrter Mr Asare. Die Euro Mining hat wieder einmal ein kleines Problemchen und bittet Sie inständig um Ihre wohlwollende Unterstützung.«
»Sie wissen, das Wohlergehen der ausländischen Firmen in...
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