Schweitzer Fachinformationen
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An James Boyer May
2. Januar 1960
[.] ja, all die sogenannten »kleinen Journale« sind (meistens jedenfalls) ein unverantwortlicher Haufen mit irgendwelchen Jungspunden an der Spitze, die noch den Schwung der Collegezeit mitbringen und hoffen, mit so einem Projekt echtes Geld zu verdienen. Sie beginnen mit feurigen Idealen und großen Ideen und schreiben anfangs ausführliche Absagebriefe, ehe die ganze Sache sang- und klanglos eingeht und die Manuskripte hinter dem Sofa oder im Wandschrank verschwinden. Manches wird sogar gar nicht mehr beantwortet und ist für immer verloren. Vielleicht kommt irgendwann noch einmal eine lieblos betreute, schlampig gedruckte Nummer heraus, ehe sie heiraten und mit einer Begründung wie »mangelnde Unterstützung« aus der Szene aussteigen. Mangelnde Unterstützung? Wer sind sie, dass sie Unterstützung verlangen können? Was haben sie je anderes getan, als sich hinter der Fassade von Kunst zu verstecken, einen Titel für eine Zeitschrift zu erfinden, ein paar Anzeigen zu schalten und auf Beiträge zu warten, die von den immergleichen zwei-, dreihundert Leuten kommen, die sich für die Lyrikelite Amerikas halten, nur weil eine 22-jährige Dumpfbacke mit Bongotrommel und locker sitzenden Scheinchen auch noch ihre schlechtesten Gedichte akzeptiert.
An Guy Owen
Anfang März 1960
Es ist durchaus möglich, »konservativ« zu sein und gute Gedichte zu veröffentlichen. »Moderne« Literatur besitzt oftmals diese verhärtete Dreistigkeit, die insbesondere jungen Männern ohne Hintergrund oder tiefere Empfindung leichtfällt (siehe Hearse). Falsche Poeten gibt es in jeder Schreibschule, Leute, die einfach nicht dorthin gehören. Doch sind sie auch ebenso schnell wieder weg, weil das Leben sie mit anderen Dingen beschäftigt. Die meisten Dichter sind ja nur deshalb so jung, weil das Leben sie noch nicht gepackt hat. Zeigen Sie mir einen alten Dichter, und ich zeige Ihnen entweder einen Wahnsinnigen oder einen Meister. Bei Malern dürfte es nicht anders sein. An dieser Stelle zögere ich, denn obwohl auch ich male, ist es eigentlich nicht mein Gebiet. Ich glaube, es läuft dort ähnlich. Wobei mir der alte französische Hausmeister auf der Arbeitsstelle einfällt, die ich mal hatte. Ein Hausmeister auf Teilzeit, er war schon ganz krumm, und die Weinflasche war nie fern. Irgendwann entdeckte ich, dass er malte. Er malte nach einer mathematischen Formel, die ein philosophisches Bild des Lebens abgeben sollte. Er zeichnete sie sich auf, ehe er anfing zu malen. Alles folgte einem gigantischen Plan, und er [malte] das Bild dazu. Oft erzählte er von seinen Gesprächen mit Picasso, worüber ich ziemlich lachen musste. Da saßen wir, ein Büroschwengel aus der Versandabteilung und ein Hausmeister, und diskutierten ästhetische Theorie, während Männer, die zehnmal mehr verdienten als wir, nur auf die Kröten aus waren. Was sagt uns das über den American way of life?
An Jon E. Webb
29. August 1960
[.] Falls Sie eine Kurzbiografie wünschen . bedienen Sie sich aus diesem Schrott: Geboren am 16. 8. 20 in Andernach, Deutschland, spreche aber kein Wort Deutsch. Englisch ist auch nicht viel besser. Die Herausgeber sagen aber, scheißegal, Bukowski, wenn du weder tippen noch Rechtschreibung kannst und schon ewig dasselbe Schreibband benutzt. Na gut. Aber was sie nicht wissen, ist: Dieses Schreibband hat sich in meiner Nabelschnur verheddert, und seitdem versuche ich, daran zur Mutter zurückzukehren. Meistens ist mir auch gar nicht nach Rechtschreibung . ich finde, falsch geschriebene Wörter haben eine viel höhere Durchschlagskraft. Wie auch immer, ich bin alt. 40. In mir sind Entsetzensschreie und dumpfes Elend zu Zement geworden, sogar noch mehr als mit 14, als mein Alter mich zu manch unklassischer Melodie verdrosch. Wo waren wir? Erst mal einen Schluck Bier . ach ja, heute Morgen Nachricht von Targets. Sie nehmen 6 Gedichte für die Dezember-Ausgabe . »Horse on Fire«, »Pull Me Thru the Temples« und anderen Scheiß. Ich habe noch ein Gedicht, »Japanese Wife«, für die Sept.-Nummer. Das ist schön und erlaubt mir, weitere 3 bis 4 Wochen zu leben. Ich erwähne das auch nur, weil es mich auf meine Weise glücklich macht, und jetzt trinke ich Bier. Mir geht es dabei weniger um den Ruhm der Publikation als um das schöne Gefühl, vielleicht doch nicht verrückt zu sein oder was sonst angeblich damit verbunden ist. Dieses Bier ist so verdammt gut, während ich aus dem sonnigen Fenster blicke, ho-ho, und keine Weiber, die stören, keine Kurznasen-Gäule, kein Krebs, kein Rimbaud oder DeMass, die ihren Siff absondern, nur Orangenblüten ohne Bienen und verrottetes kalif. Gras über verrotteten kalif. Knochen. Kleinen Moment, schnell das nächste Bier aufmachen. Ich will für 3 oder 4 Tage auf die Rennbahn nach Del Mar, um die Miete reinzukriegen, habe da ein neues System für Kurznasen.
Fangen wir mal einen neuen Absatz an. Ger[trude] Stein hätte mir dasselbe gesagt. Aber was ist Ger St., sie gehört nicht hierhin. Eigentlich sind wir schon ganz richtig so, wie wir sind, nur manche bekommen eben Unterstützung, von den Bienen und den Göttern und den Monden und den Tigern, die gähnen in riesigen dunklen Höhlen, erfüllt von Serg[ei] Rachmaninoff und César Franck und Fotos von [Aldous] Huxley im Gespräch mit [D. H.] Lawrence über Pfützen von Wein. Gottverdammt: diese Bio, Bio, Bio . ich hasse mich, aber ich muss weitermachen. Hier spricht Bla-Buk oder vielmehr: Jesus. Keine Ahnung, aber eines Abends, als ich betrunken war, habe ich meinen Vater zusammengeschlagen, 17 gerade mal, und bin dann abgehauen. Er hat sich nicht gewehrt, und das machte mich ganz krank, aber genau das war mein Kennzeichen . wie er mich von der Couch aus angestarrt hat, der schwache Feigling. Ich bin dann quer durch die verkommenen U. States gereist und arbeitete buchstäblich für nichts, damit andere etwas haben konnten. Ich bin kein Roter, ich habe für Politik nichts übrig, aber dieses System ist schlecht. Ich habe in einem Schlachthaus gearbeitet, in einer Hundefutterfabrik, bei Di Pinna's an Miami Beach, als Redaktionsbote beim Item in New Orleans, ich habe zwölf Meter unter der Erde in der New Yorker U-Bahn Plakate aufgehängt, bin dabei regelmäßig über die berühmte dritte, goldene Schiene gehüpft, habe in Berdo Tomaten und Baumwolle gepflückt, war Lagerarbeiter, Trucker, habe bei Pferderennen auf Platz gewettet und Barhocker besetzt, bis für die ganze öde Nation der Wecker klingelte, habe mich von Nutten aushalten lassen, war Vorarbeiter bei American Newsco, New York, Lagerarbeiter bei Sears Roebuck, Tankwart, Postbote . ich kann mich gar nicht an alles erinnern, es waren Tätigkeiten so langweilig und alltäglich, wie sie praktisch jeder in der Schlange am Arbeitsamt schon einmal gemacht hat. [.]
Wo waren wir??? Herrgott. Wie auch immer, in dieser Zeit schrieb ich ein oder zwei Gedichte, die später in Matrix erschienen, verlor aber bald die Lust daran. Probierte stattdessen was mit Kurzgeschichten. [Evelyn] Thorne, die viele von meinen eher klassischen Gedichten gedruckt hat - heilige Scheiße, das kann ich nämlich auch, ich bin echt nicht gut -, beklagte sich in einem Brief über ein paar bekackte Schimpfwörter. Moment, was wollte ich sagen? Richtig, Kurzgeschichten. Whit Burnett von der alten Story druckte die erste 1944. Damals war ich 24 Jahre alt und wohnte in Greenwich Village, wo mir schon am ersten Tag auffiel, dass das Village eigentlich tot ist, kaum mehr als ein Hinweisschild, dass früher dort mal etwas war. Der blanke Hohn. Bekam einen Brief von einer Agentin, die mit mir zu Mittag essen wollte, mit Drinks selbstverständlich . um mit mir über die Zukunft zu reden, die sie für mich gestalten wollte. Musste ihr leider absagen, weil ich noch nicht so weit wäre und auch nicht schreiben könne, also tschüs und auf Wiedersehen, denn die Drinks hatte ich selbst, in Form einer Weinflasche unterm Bett. Endete dann um 6 Uhr früh hackebreit in einer Einrichtung von Father Divine, weil ich nicht mehr in mein Zimmer kam und mir im Hemd einen abfror. Sie wollten nicht zufällig eine Kurzbio, oder, Webb? Na ja, ist ja auch egal, Sie haben ja noch nicht mal ein Gedicht von mir genommen.
Und was soll ich sagen, schrieb dann hier und da eine Kurzgeschichte, wovon aber nur wenige gedruckt wurden. Schickte regelmäßig Sachen an Atlantic Monthly, sogar mit Luftpost, und zerriss sie, wenn ich sie wieder zurückbekam. Keine Ahnung, wie viele Meisterwerke so zerrissen wurden. Zusagen null. Versuche von verschiedenen Leute, mich zu einem Roman zu überreden. Scheiß drauf. Ich würde nicht mal für Chruschtschow persönlich einen Roman schreiben. Hab es dann eine Weile drangegeben. 10, 15 Jahre lang nichts geschrieben. Bei der Armyidiotenschau durchgefallen, weil Hose falsch rum an, aber nicht mit Absicht nach 4 Wochen Suff. Die dachten, ich hätte einen Sockenschuss, die dämlichen Penner!
Ich will mal so sagen, Webb, aber erst, wenn ich mir vorher noch ein Bier holen darf. Ich frage mich ernsthaft, wie Sie noch klarkommen nach 21 Tagen ohne Drink, das muss unbedingtaufhören. Ich bin mal auf der Armenstation im...
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