Schweitzer Fachinformationen
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Tucson, Arizona, 29. 6. 67
Endlich, nachdem sie ein Jahr damit zugebracht haben, Henry Millers Order and Chaos Chez Hans Reichel Stück für Stück, Zauber für Zauber zusammenzusetzen, immer wieder aufgehalten von leeren Taschen und einer Stoßgebete klappernden, zittrigen 8x12 Chandler & Price, die 50 oder 60 Jahre alt war und mit der letzten Seite auseinanderfiel, können sie sich in dem pleitegegangenen alten Kaufladen einen Moment zurücklehnen und sich den nächsten Schritt überlegen in der Hoffnung, dass genug Geld für einen nächsten Schritt zusammenkommt - Jon und Louise (Gypsy Lou) Webb, die das Wunder dieses dritten Buchs der LOUJON PRESS vollbracht haben, das bei der 13. Preisverleihung des Type Directors' Club in New York bereits für Typographie, Schriftgestaltung und Design ausgezeichnet worden ist.
Jetzt sitzen sie hier so gut wie blank in einem baufälligen ehemaligen Ladenlokal aus Adobeziegeln - ihrer »Wüsten-Druckwerkstatt«.
Wir befinden uns in Tucson, und ich interviewe Jon Webb bei 40° im Schatten, und wie man weiß, kann Kunst von überallher kommen: aus der heißesten Hölle und von den Geistern alter Bohnendosen. Ich beginne mit den Fragen:
»Ihr beide seid tolle Verleger und Büchermacher. Die Loujon Press ist oben bei den Göttern dank Euren Büchern und dem Outsider Magazine. Euer Miller-Buch ist vielleicht das revolutionärste Buchkunstwerk der letzten paar Hundert Jahre. Meine Frage nun: Glaubst du, dass ihr überlebt, oder stürzen die Wände ein und begraben euch unter sich?«
JON
»Wir werden überleben, aber die Wände stürzen trotzdem ein, das tun sie immer, wie bei Alan Swallow - nicht, dass wir uns mit ihm auf eine Stufe stellen wollten, davon sind wir weit entfernt.«
BUK
»Okay, wie seid ihr denn überhaupt auf die Idee gekommen, so einen Verlag zu machen?«
»Nach zwei bis drei Millionen veröffentlichten Wörtern habe ich das Schreiben aufgegeben, weil ich der Meinung war, dass ich kreativ zu nichts komme, dass ich nie etwas veröffentlichen kann, ohne irgendwelche Kompromisse einzugehen. Es kann natürlich sein, dass ich damit nur Faulheit oder fehlendes Können bemänteln wollte, aber ich bin überzeugt, dass ich gut daran getan habe, vom Schreiben zum Verlegen zu wechseln. Ich glaube, als Verleger bin ich besser. Wenn ich weiterrede, lande ich aber nur in einem Sumpf von Rationalisierungen.«
»Na gut. Kommen wir zu etwas anderem: Die Inflationsrate bei Papier, Schriften, Druckerfarbe, bei allem, von der Heftklammer bis zum Hamburger, ist inzwischen irgendwie absurd. Habt ihr nicht, wenn ihr mit einem Projekt durch seid, das Gefühl, das nächste könnte unbezahlbar sein?«
»Ich hatte wenig Ahnung von dem Geschäft, als ich anfing, bin dann aber zum ehrlichen Betrüger geworden, das heißt ich habe gelernt, herzliche Beziehungen zu Geschäftspartnern herzustellen - den Leuten, die mir diese Sachen zu so hohen Preisen verkaufen. Ich mache ihnen einfach weis, dass meine kleine Bestellung ein Testlauf ist, der erste Teil einer Riesenbestellung, und damit lege ich den Grundstein für einen Deal oder, auf gut Kaufmännisch, einen Preisnachlass. Mit anderen Worten, ich rede von Waggonladungen, bis sie mir Waggonfrachtpreise nennen. Das ist zwar eine schmutzige Methode, aber dass ich einen steifen Kragen und eine biedere Krawatte tragen muss, um damit durchzukommen, nimmt für mich irgendwie den Schmutz da raus.«
»Finde ich auch. Also, ihr beide macht ja die ganze Arbeit allein. Auf was für einen Stundenlohn pro Person kommt ihr, wenn ihr euren Gesamtgewinn durch die Arbeitszeit teilt?«
»Wenn man überhaupt von Gewinn reden kann - für uns ist das alles, was die Unkosten übersteigt -, dann lag unser Nettoeinkommen noch nie über 8 Cent die Stunde.«
»Ist es das denn wert? Würdest du nicht lieber Rüben pflücken oder Fullerbürsten an der Haustür verkaufen? Und wie steht's mit den Lektoren- und Buchgestaltungsangeboten aus der New Yorker Verlagswelt? Hast du den steinigen Weg nicht manchmal satt?«
»Nein, wir arbeiten aus einem Zwang heraus, das war bei mir auch schon mit dem Schreiben so. Die Liebe hat sich übertragen, das ist alles. Der Gedanke ans Schreiben ist gestorben wie eine Geliebte. Ich habe die Liebe zum Schreiben einfach auf die Liebe zum Verlegen übertragen. Das könnte ich noch weiter ausführen, aber dann würde es nur noch flippiger. Denn dass man sich auf eine Arbeit verlegt, die wirtschaftlicher Selbstmord ist, darüber kann man logischerweise nicht reden, ohne in Prahlerei zu verfallen - indem man sich zum Beispiel als Künstler bezeichnet. Ich glaube, wir sind Künstler, es könnte aber auch sein, dass alles Gute, was wir machen, bloß Glücksgriffe sind. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
»Na gut. Reden wir jetzt aber mal über >Engel<. Wo sind die Engel mit der Kohle? Ich weiß, dass es sie GIBT. Zum Beispiel haben wir einen Dichter in Europa, einen Exilamerikaner, dem ein paar reiche Leute unter die Arme greifen, die kaum Fragen stellen oder ihn mit Forderungen traktieren, und so gut ist er einfach nicht. Ich finde ehrlich, ihr hättet einen Engel oder 2 oder 3 verdient. Glaubst du, dass euch jemals einer erscheint?«
»Jeder, der unsere Bücher kauft, ist ein Engel. Im Grunde ist es aber so, dass man Engel suchen gehen muss, und dazu hatten wir noch keine Zeit. Irgendwann werfen wir auch die Netze nach einem Engel aus. Einem guten Engel. Angebote von schlechten Engeln, die Bedingungen daran knüpfen, hatten wir schon reichlich. Zum Beispiel von einer wohlhabenden Witwe aus Louisiana, die 1600 Hektar Tiefland besitzt, das rasant im Wert steigt, weil sich die Industrie aus dem Norden dafür interessiert. Sie hat uns 16 Hektar plus ein Plantagenhaus angeboten, wenn wir ihr im Stil des True Story Magazine gehaltenes Buch bei der Loujon Press herausbringen. Das Buch handelt davon, wie sie nach dem Tod ihres Mannes rausfindet, dass er mal eine Geliebte hatte. Sie drischt endlos auf ihm herum in dem Buch und hofft, dass er sich im Grab umdreht. Hat uns das Herz gebrochen, aber wir mussten ihr einen Korb geben.«
»Läuft das Miller-Buch?«
»Wie könnte ein Buch von Miller nicht laufen?«
»Richtig gut, meine ich. Wie kann man den Leuten klarmachen, dass das Bücher sind, die man kauft, sobald man sie sieht? Dass die Bücher, die ihr macht, in spätestens 4, 5 Jahren als Sammlerstücke das 5- oder 10fache ihres Ladenpreises wert sind?«
»Auf die Leute, denen wir erst sagen müssen, dass unsere Bücher mal Sammlerstücke werden, zielen wir zwar nicht besonders ab, doch viele aus dieser Ecke kaufen unsere Bücher und sind sozusagen Engel, ohne es zu wissen. Wir lieben sie, sie halten uns mit am Leben.«
»Wohl wahr. Aber was steckt denn bei euch hinter den Formaten, denen man das Sammlerstück auf den ersten Blick ansieht?«
»Dahinter steckt, dass das Büchermachen in einer Sackgasse angekommen ist, besonders in Sachen Buchgestaltung. Mit unseren Mischformaten suchen wir lediglich einen Weg, der aus dieser Sackgasse wieder raus- oder über sie hinausführt. Wenn wir da nicht weiterkommen, steigen wir aus dem Fach wieder aus, so wie ich aus dem Schreiben ausgestiegen bin, und machen was anderes. Undergroundfilme vielleicht.
Aber zur Buchgestaltung noch mal, ich glaube mit McLuhan, dass das Medium die Botschaft ist. Und bisher hatten wir das Glück, Autoren herauszubringen, die zulassen, dass wir sie in unserem Stil in unsere speziellen Formate kleiden. Bei den Büchern, die wir bis jetzt gemacht haben, war das weder ihr noch unser Schaden.«
»Haben sich die Grundschriften im Stil geändert? Wie wählt ihr eure Schriften aus?«
»Mit dem Auge. Je mehr man sich in Schriftarten-, Schriftmusterkataloge und so weiter vertieft, desto mehr gute Schriften findet man, und wenn man sich nach wochenlangem Studium schließlich für eine bestimmte Schrift entscheidet und ein Telegramm ins ferne Ausland schickt, erhält man zur Antwort, dass gerade diese Schrift seit 20 oder 30 Jahren nicht mehr gesetzt worden ist, und kann von vorne anfangen. Das passiert unserer Meinung nach hauptsächlich, weil auch die Schriftgestaltung in einer Sackgasse steckt. Also geht man in der Zeit zurück und sucht sich was Gutes. Bei der Buchgestaltung geht das nicht, denn da kann man nichts Neues schaffen, indem man die alten Meister kopiert. Aber Schriften zu kopieren ist okay. Das gehört einfach zum Handwerkszeug, mit dem man arbeitet.«
»Wie entscheidet ihr, ob ihr ein Buch herausbringt?«
»Das ist schwierig, aber vor allem hat es mit Liebe zu tun, Liebe zu dem betreffenden Werk und auch zum Autor. Denn um das Werk, um den Autor herum muss man monatelang ein Format entwickeln, dass diesem Autor entspricht. Nicht uns entspricht, das wäre albern. Das ganze Format muss eine Erweiterung der Persönlichkeit des Autors und seines von uns herausgebrachten Werks sein. Und ohne Liebe zum Autor und...
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