Schweitzer Fachinformationen
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Abenddämmerung kroch über den Altausseer See herein, mischte sich mit den auch hier dunklen Wolken.
. Zauberwelt .
Die Berge spiegelten ihre scharfen Konturen im glatten See. Windstill war es und kühl. Kühler, viel kühler als in Wien. Tief sog Berenike die würzige Luft auf, als sie nach der kurzen Fahrt mit dem Taxi vom Bahnhof in Bad Aussee herauf nach Altaussee zu ihrem Wohnhaus ging. In der Dunkelheit betrat sie versehentlich den geheiligten Rasen von Frau Gasperl, ihrer Vermieterin. Wie weich das Gras war! Und wie intensiv die Erde duftete! Am alten Holzhaus lehnte verlassen eine Leiter, die bis zum Dach reichte, Holzscheite lagen davor herum. Vermutlich Ausbesserungsarbeiten.
Berenike blieb stehen und blickte den Abhang hinunter zum See, der wie eine dunkle Verlockung dalag. Wie behütet war er von den Bergen mit ihren dunklen Wäldern und überdacht von einem dunkelgrauen Himmel.
Nach einem letzten Blick schlich sich Berenike leise ins Haus und schloss die immer ein wenig knarrende Eingangstür von drinnen ab. Auf Zehenspitzen ging sie an der Tür ihrer Vermieterin vorbei, die Treppe hinauf in den oberen Stock, wo sie eine Wohnung gemietet hatte. Vorbei an der Buddha-Statue, die sie bei ihrem Einzug aufgestellt hatte, gelangte sie, unbehelligt von Frau Gasperl, in ihre Wohnung. Ob die Vermieterin etwas Neues über das angebliche Bauprojekt wusste? Sie kannte immer jeden Klatsch und Tratsch, ob wahr oder nicht. Aber heute hatte Berenike keine Lust mehr, bei Frau Gasperl zu klopfen, sie war zu müde, um mit der gesprächigen alten Frau endlos zu quatschen.
Nachdenklich steckte Berenike den Schlüssel ins Schloss, sperrte auf und schob sich mit ihren Siebensachen hinein. Die Wohnung lag im Dunkel und roch muffig. Drei Schatten kamen auf sie zugeschossen und rieben schnurrend ihre Köpfe an Berenikes Beinen.
»Ja, ich habe euch auch vermisst!«, rief sie lachend, stellte ihr Gepäck ab und tastete nach dem Lichtschalter. Endlich wurde es hell. Drei Katzenköpfe guckten erwartungsvoll zu ihr auf, bis sich Berenike bückte und sie zu streicheln begann. Wie hatte sie ihr weiches Fell vermisst, und erst diese Anschmiegsamkeit! Und Miss Marple's leises Miauen, als würde sie fragen, wo denn Jonas sei.
»Er kommt ja bald«, sagte Berenike lächelnd und streichelte die kleinste der Katzen. Hoffentlich.
Sie streifte die Schuhe von den Füßen und tappte in die Küche. Die Katzen folgten. »Also gut, ihr zuerst!«
Sie füllte die leeren Futterschüsseln, auf die sich die kleinen Detektive sofort stürzten, und stellte dann für sich selbst Teewasser auf. Ihre Bewegungen kamen ihr langsam vor, die Müdigkeit infolge der langen Reise saß ihr in allen Knochen. Gleichzeitig war ihr Kopf überwach. Was war das nun wirklich für ein Bauprojekt bei der Seewiese?
Nachdenklich sah sie ihre Teedosen an und wählte schließlich Kamille, schön beruhigend und wohlschmeckend. Sie nahm eine Handvoll der getrockneten gelben Blüten und gab sie in einen Filter. Dazu wählte sie eine bauchige alte Tasse mit Rosenmuster, die von ihrer Oma stammte. Der Roither-Oma, eine andere hatte es für Berenike nie gegeben. Über deren Leben hatten sie erst vor Kurzem auf ihrer Pragreise ganz neue Dinge erfahren.
Das Wasser kochte, Berenike ließ es kurz auskühlen und goss dann auf. Wie das duftete! Wie in Kindheitstagen.
Hunger hatte Berenike nicht. Sie ging mit der Tasse ins Schlafzimmer und stellte sie neben das Bett aufs Nachtkästchen. Die erste Nacht zurück in ihrem eigenen Reich. Glücklich sank Berenike in ihre Kissen, die Katzen folgten.
*
Am Morgen kroch grau der Nebel bis vors Haus. Er war so dicht und nahe, dass man kaum die Wiese des Nachbarn auf der anderen Straßenseite erkennen konnte. Kuhglocken und manchmal ein Muhen tönten herüber, ohne dass die Tiere zu sehen waren.
Berenike beschloss, zu Fuß hinunter in den Ort zu ihrem Salon für Tee und Literatur zu gehen. Ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit machte sich in ihr breit, weil sie kaum den Weg vor Augen sah, so dicht war der Morgennebel. Die Kühe muhten, es klang ziemlich laut, sie mussten nah sein, waren aber immer noch unsichtbar. Die Luft jedoch war warm und roch würzig nach Tannen und frisch gemähtem Gras, der Wiesenrand glitzerte feucht, rosa Klee glänzte. Kuppen voll Grün, verheißungsvolle, saftig grüne Vegetation überall, über den ewigen beständigen Tod hinwegtäuschend. Alles war so unglaublich grün und saftig hier. In Altaussee änderte sich eben nichts. Mochte überall sonst der Klimawandel eingesetzt haben, hier regnete es weiterhin regelmäßig.
Unten im Ort stockte Berenike vor einem der Wirtshäuser. Es sah irgendwie verlassen aus. Sie trat näher. >Geschlossen< - ein kommentarloses Schild in der Eingangstür. Die Fensterscheiben waren schmutzig, drinnen war offenbar die gesamte Einrichtung ausgeräumt worden.
Von wegen, alles beim Alten! So lang war sie nun auch wieder nicht weg gewesen. Als Berenike jetzt aufmerksam weiterging, sah sie überall Zeichen von Unruhe und Veränderung. An der Straße zur Kirche war eine Baugrube, mehrere Wohnhäuser waren eingerüstet, einmal wurde ein Carport angebaut, ein anderes Mal eine Veranda. Berenike musste wieder an das Bauprojekt bei der Seewiese denken. Lauter seltsame, ungewohnte Vorgänge für die Verhältnisse hier! Das war doch nicht Wien, wo ständig etwas anders war .!
Nur die Berge blieben gleich. Während sie durch das langgezogene Ortszentrum entlang der Hauptstraße zu ihrem Teesalon strebte, zeigte sich ein Stück der Trisselwand noch schattenhaft im Nebel. Binnen Minuten riss es auf, die Sonne kam durch, veränderte alles. Gerade noch bedrohliche Düsternis und Verkommenheit - plötzlich alles ganz anders, Sonne, Licht und Wärme. Die Berge, rau und kantig, grau, umschmiegten fast liebevoll den See. Etwas wie Geborgenheit kam in Berenike auf, so etwas in der Art wenigstens, schon seit ihrem ersten Besuch hier spürte sie das, als sie kraftlos und ausgebrannt nach einer verrückten Karriere als Eventmanagerin hier Ruhe gesucht hatte. An einem Ende war sie damals gewesen, einem Ende, das sich überraschend als neuer Anfang entpuppte, bald danach schon. Dank des leer stehenden Lokals, das nunmehr ihr Salon für Tee und Literatur war. Sie hätte es nie für möglich gehalten - und doch war es eingetreten: Sie war zur Ruhe gekommen nach all den rastlosen Jahren in Wien, in England und sonst wo.
Und wie still es war! Berenike blieb stehen und sah sich um. Still und sauber. Bis ein Pressluftbohrer erklang. Und die Luft stank auf einmal nach Teer. Nicht einmal hier wurde man verschont. Weiter vorne beim Supermarkt wurde die Straße aufgerissen.
Berenike riss sich los und betrat endlich ihr Lokal. Miss Marple blickte indigniert von ihrem Bild an der Wand auf ein riesiges Durcheinander, als wolle sie auch diesen Fall lösen.
»Gut, dass du kommst, Berenike!«, erklang Tiffanys aufgeregte Stimme, ohne dass die Kellnerin selbst zu sehen war. Es war wie bei den Kühen im Nebel. Berenike grinste. Der ganze Salon war vollgestellt mit Kartons und Paketen aller Größenordnungen. Vereinzelt waren noch ein paar der mit rotem Schottenkaro bezogenen Sitzmöbel zu erkennen und der eine oder andere Gast.
»Dir auch einen guten Morgen!«, rief Berenike und umrundete die Türme von Sachen. Waren das am Ende schon die Bestellungen aus England? Einige Schachteln waren bereits geöffnet worden. Packwolle quoll hervor. Berenike bückte sich und öffnete den Deckel weiter. Ja! Die Tassen mit dem Rosenmuster! Das war ja schnell zugestellt worden!
»Schau, Tiffany, sind die nicht wunderbar?« Berenike hob eine der zarten Tassen heraus und hielt sie hoch, hoffend, dass sich der Schopf ihrer Kellnerin irgendwo zeigen würde, denn Neugier war Tiffanys große Schwäche. Oder Stärke, je nachdem, wie man es betrachtete. Aber nichts geschah. Na gut. Sie stellte die Tasse ab und nahm die nächste Schachtel. Das war dann wohl die Lieferung mit den britischen Teesorten. Breakfast Tea, Afternoon Tea . Verzückt starrte Berenike die Sachen an. Ein fürwitziger Sonnenstrahl traf das Schild >Where there is tea, there is hope<.
»Servus, Berenike! Na, auch wieder zurück? Zeit wird's!«, tönte der tiefe Bass von Max, dem Wirt vom Grünen Kakadu in Bad Aussee, statt Tiffany durch den Raum. »Keiner hat gewusst, wo du steckst. Wir haben uns schon die größten Sorgen gemacht.«
Berenike folgte seiner Stimme und fand ihn an der Theke stehend bei einer Tasse Tee und einem Croissant.
»Grüß dich, Max. Schön, dich zu sehen.«
»Warst lang weg, Berenike. Man hat sich ja schon Sorgen gemacht, so lange, wie du abgetaucht bist.«
»Ach was, keine Sorge, ich bin nicht Agatha Christie und tauch unter.« Sie lachte.
»Aber fast, meine Liebe. Wo treibst dich immer herum?«
»Zuerst war da die Geschichte mit meiner Familie, die mich nach Prag geführt hat. Das weißt du ja. Nachdem Selene überfallen wurde, kam da einiges über unsere Familiengeschichte ans Tageslicht. Und jetzt war ich mit Jonas in England. Bei seinen Eltern. Und dort habe ich .« Sie stützte die Arme in die Hüften und blies ein Haar aus der Stirn. »Nun ja, ich hab halt zugeschlagen und eingekauft. Was sagst du zu dem Geschirr?« Sie ging und holte die Tasse mit dem Rosenmuster, um sie ihm zu zeigen.
»Sehr hübsch, Berenike. Deine weiblichen Gäste werden sie lieben.«
»Meinst?«
»Moan i, ja.« Provokant grinste er sie an. Er war immer noch ein attraktiver Mann, der Max. Und...
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