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Der Doppler-Effekt ist ein bekanntes Alltagsphänomen: Das Geräusch eines Fahrzeugs ändert im Vorbeifahren seine Tonhöhe. Vor allem schnelle Motorräder machen ein eindrückliches »Niiiiieee-Jooouuuuu«. Was weniger bekannt ist: Mit Licht passiert das Gleiche. Andere Fahrzeuge, oder auch eine Raststätte am Straßenrand, zeigen im Vorbeifahren andere Farben als beim Halten. Doch die Geschwindigkeiten des Alltags sind viel zu gering, um diesen Effekt jemals zu bemerken.
Im Physikstudium haben wir einst ausgerechnet, dass durch den Doppler-Effekt eine eigentlich rote Ampel für eine Autofahrerin durchaus grün aussehen könnte. Allerdings müsste sie mit etwa einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit rasen, also rund 350 Millionen km/h. Das ist erstens verboten und zweitens nicht ratsam: Allein der Luftwiderstand würde ihr Auto so stark aufheizen, dass es verglüht.
Als der Doppler-Effekt erstmals beschrieben wurde, gab es weder Kraftfahrzeuge noch Ampeln. Sein Namensgeber Christian Doppler war als Professor für Mathematik und Physik in Prag und Wien ein angesehener Wissenschaftler im Kaisertum Österreich und darüber hinaus. Doch der holperige Karriereweg des gebürtigen Salzburgers durch Prag und Wien zeugt auch davon, dass Christian Doppler zeitlebens kränkelte und es ihm vermutlich an Durchsetzungsfähigkeit fehlte.
Doppler veröffentliche 1842 in Prag erstmals seine Theorie über Wellen und Bewegung. Er begründete sie mit dem bestechenden Bild eines Schiffes im Wasser: Je mehr Fahrt ein Schiff hat, desto schneller schlagen die Wellen nacheinander gegen seinen Bug - obwohl sich der Abstand der Wellen auf dem Wasser gar nicht ändert.
Doppler erkannte schnell, dass die von ihm beobachtete Eigenschaft von Wasserwellen auch für Schallwellen in der Luft gelten müsste - und sogar für Lichtwellen, wobei deren genaue Natur noch umstritten war. Gerade das Licht war dabei für Doppler am wichtigsten. Er wollte nämlich erklären, warum die Sterne am Himmel bei genauerem Hinsehen in verschiedenen Farben schienen: oft weiß und gelblich, manchmal auch rot und orange, bisweilen sogar bläulich und grünlich. Wenn sich zwei Sterne gegenseitig umkreisen, so Dopplers Idee, dann müsste sich einer von beiden stets auf uns zu und der andere von uns weg bewegen. Täten sie dies ausreichend schnell, so vermutete Doppler, müssten ihre Lichtwellen zu verschiedenen Farben hin verschoben werden.
Doch diese Argumente Dopplers stützten sich auf Annahmen, die schon damals schwer haltbar waren. Er ging beispielsweise davon aus, dass nur Doppelsterne farbig erschienen, während einzelne Sterne ein gewissermaßen unverfälschtes, natürliches Weiß zeigten. Außerdem überschätzte er die Bedeutung von scheinbaren Farbwechseln der Sterne, die verschiedene Astronomen im Laufe der Zeit aufgezeichnet hatten. Die von ihnen berichteten Verwandlungen und Verschiebungen in der Farbe des Sternlichts waren bisweilen nur eingebildet. Sie ließen sich genauso gut durch Eigenheiten der Teleskope oder Luftverwirbelungen in der Erdatmosphäre erklären.
Trotzdem inspirierte Dopplers Arbeit den niederländischen Meteorologen Christoph Buys Ballot. Er schrieb 18451: »Sobald mir das Schriftchen des Hrn. Doppler in die Hände gekommen war, reizte mich der Scharfsinn der darin entwickelten Theorie; es wurde aber auch Zweifel in mir erregt über die Anwendbarkeit dieser Theorie auf die Farben der Doppelsterne.« In seiner Abhandlung lässt Buys Ballot kein gutes Haar an Dopplers astronomischen Ideen. Dafür bewunderte Buys Ballot die Theorien Dopplers zur Ausbreitung des Schalls in der Luft. Er wollte unbedingt beweisen, dass sich der Ton einer Schallquelle wirklich veränderte, wenn sie in Bewegung war.
Nur wie? Mitte des 19. Jahrhunderts polterten Pferdewagen durch die Straßen, und die wenigen Eisenbahnen waren langsame Ungetüme mit Kohleofen und Dampfmaschine. Es gab keine Flugzeuge, keine Lautsprecher und keine Mikrofone. Wie um alles in der Welt sollte eine präzise Messung von Geräuschen in schneller Bewegung gelingen?
Christoph Buys Ballot fasste einen Plan: Er wollte Trompeter auf einen offenen Eisenbahnwagen stellen. Sie sollten mit gleichmäßig hoher Geschwindigkeit an Beobachtern vorbeifahren, die ebenfalls Musiker waren. Während die Trompeter auf dem Zug einen zuvor abgesprochenen Ton bliesen, sollten die Beobachter am Streckenrand das Gleiche tun - und dann notieren, ob sie von den Trompeten auf dem Zug und in ihrer Hand unterschiedlich hohe Töne gehört hatten.
In der Praxis war das alles noch vertrackter, als es ohnehin klingt. Buys Ballot konnte zwar die zuständigen Beamten überzeugen, ihm für seine Versuche einen Zug und die Strecke zwischen der Stadt Utrecht und ihrem Vorort Maarssen zu überlassen. Außerdem engagierte er mehr als ein Dutzend Musiker und Helfer. Doch der Lokführer hatte Probleme, eine konstante Geschwindigkeit zu halten, und das Dröhnen und Rattern des Zugs übertönte die Trompeten, die sich zu allem Überfluss noch durch Temperaturschwankungen verstimmten.
Beharrlich wiederholte Buys Ballot seinen Versuch, setzte dabei auf lautere Signaltrompeten und sortierte die Musiker um, die zu seiner Frustration immer wieder Einsätze verpassten und unvollständige Notizen machten. In seinem Artikel empfiehlt er entnervt die Wiederholung seines Versuchs durch »jemanden, der über stärkere Instrumente oder disciplinirtere Personen zu verfügen hat«.
Doch immerhin waren sich am Ende alle Beobachter einig, dass näher kommende Trompeten höher klangen als davonfahrende. Der Doppler-Effekt war bewiesen, und wenig später konnte sogar Doppler selbst die Versuche Buys Ballots wiederholen. Nur wenige Jahre später starb Doppler im Alter von 50 Jahren an Tuberkulose. Die Theorie von den Farben der Sterne, die ihm so wichtig gewesen war - sie blieb ohne Beachtung.
Sie hätte auch keine Chance gehabt, denn Dopplers Vorstellungen vom Wesen der Sterne und ihrem Licht erwiesen sich mit der Zeit als falsch. In Wahrheit bestimmen die Masse und Temperatur der Sterne ihre Farben: Kleine, kühlere Sterne leuchten rot, die durchschnittlichen Geschwister unserer Sonne gelb bis weiß und die größten und heißesten blau. Dabei ist es unerheblich, ob sie einen Partnerstern umkreisen oder nicht.
Und dennoch ist der Doppler-Effekt aus der heutigen Astronomie nicht mehr wegzudenken. Er zeigt sich anders als Doppler vermutete, doch er zeigt sich beinahe überall: Die »Rotverschiebung« und »Blauverschiebung« allen Lichts offenbart die Bewegung von Sternen und sogar ganzen Galaxien. Der Doppler-Effekt zeigt uns sogar die Ausdehnung des Universums, verrät die Existenz von Planeten, die ferne Sterne umkreisen, und erlaubt es uns sogar, die Flugbahn von Raumsonden auf ihrem Weg durch unser Sonnensystem zu verfolgen.
Und so wurde - mit einem Umweg über die Blasmusik - der vermutlich größte Traum des Christian Doppler doch noch wahr: dass selbst Jahrhunderte später noch unmöglich von Sternen gesprochen werden kann, ohne seinen Namen zu nennen.
Das wilde Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert gehört zu meinen liebsten Epochen - es war eine Art »Sturm und Drang« für die Physik. Von etwa 1800 bis kurz nach 1900 wandelte sich das Verständnis der Welt so radikal, dass einem schwindelig werden kann.
Um 1800 waren elektrische Ströme und Magneten bloße Kuriositäten ohne jeden Nutzen. Um 1900 wurden Städte elektrisch beleuchtet, und die mächtige Theorie des Elektromagnetismus hatte den Grundstein für drahtlose Telegrafen und das Radio gelegt.
Der Aufstieg der Dampfmaschine stellte die Physik zunächst bloß: Niemand konnte erklären, wie sie genau funktionierte - und doch funktionierte sie. Eine ganz neue Lehre von Wärme und Energie musste her. Die Entdeckungen des 19. Jahrhunderts bilden bis heute die Grundlage aller Wärmekraftmaschinen, vom Verbrennungsmotor im Auto bis zur Wärmepumpe, die ein Haus heizt.
Außerdem wurden, besonders zum Ende des Jahrhunderts, zig Sorten unsichtbarer Strahlung entdeckt: kosmische Strahlen, Röntgenstrahlen, ionisierende Strahlen und mehr. Ihre Existenz hatte niemand auch nur geahnt. Sie begründeten ganze Forschungsfelder, von der Astrophysik über die Radioaktivität und die medizinische Bildgebung bis zur modernen Teilchenphysik.
Selbst im Sonnensystem kam im 19. Jahrhundert plötzlich Gedränge auf. Um das Jahr 1800 war das Teleskop schon fast 200 Jahre alt, doch die Astronomie kannte nur sieben Planeten und ein gutes Dutzend Monde. Zur nächsten Jahrhundertwende waren schon über vierhundert Himmelskörper im Sonnensystem entdeckt worden, die meisten davon Asteroiden.
Auch die Protagonisten dieses Kapitels, Christian Doppler und Christoph Buys Ballot, hatten ihre liebe Mühe, mitzuhalten. Als Buys Ballot 1845 Dopplers Ideen diskutiert, erwähnt er den äußersten Planeten des Sonnensystems: Uranus. Schon wenig später sah er damit alt aus - denn 1846 wurde noch hinter dem Uranus der Planet Neptun entdeckt (Kapitel 7.2.).
Eine Frage wühlte im 19. Jahrhundert die wissenschaftliche Welt auf wie keine andere: Was ist das Licht? Klar: Es ist hell, es ist bunt, es ist überall; man kann es ablenken oder spiegeln. Aber was ist das Licht?, grübelten schon die Gelehrten der Antike, und bedeutende Persönlichkeiten wie Isaac Newton und Johann Wolfgang von Goethe waren im 18. Jahrhundert von dieser Frage regelrecht besessen.
Zuvor war die Debatte um das Licht überschaubar und weitgehend gesittet. Doch...
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