Schweitzer Fachinformationen
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KAPITEL 1
Stu fuhr auf der Suche nach einem Parkplatz um den Block. Normalerweise konnte er einen Platz am Randstein vor der Firma finden, und diesmal quetschte er seinen ältlichen Ford Taurus zwischen einen schrottreifen Chevy Silverado und den orangeroten Prius mit dem weißen Totenschädel auf der Heckscheibe, der dem Inhaber des Tätowierstudios am Ende ihres Blocks gehörte. Anschließend fütterte er die Parkuhr mit Münzen bis zur Höchstparkdauer von zwei Stunden. An diesem Tag würde er noch dreimal hinunterhasten, um Münzen nachzuwerfen: um zehn Uhr, in der Mittagspause und um 14 Uhr. Die Parküberwachung hatte um 15.30 Uhr Dienstschluss. Das ergab einen Monatsbetrag, der billiger war als ein Platz im Parkhaus, selbst wenn er die unvermeidliche Zehn-Dollar-Verwarnung einrechnete, die er ab und zu bekam.
Ihre Zwei-Mann-Anwaltsfirma residierte in preiswertem Büroraum im ersten Stock des Bluestone Building in Clark's Cove. Das Bluestone, ein Überbleibsel aus der Blütezeit der Textilindustrie in New Bedford, stand weitgehend leer. Es war auch dem Gerichtsgebäude nicht so nahe, wie Stu es sich gewünscht hätte. Noch war es blau oder aus Stein oder sonderlich attraktiv. Aber nachdem sie gutes Geld für einen Dienst für Onlinerecherchen und ihre Vollzeitsekretärin ausgeben mussten, konnten sie sich nicht viel mehr leisten. Sie hatten jedoch mehrere Tausend Dollar, die sie sich nicht leisten konnten, in die riesige Werbetafel BUCHANAN, STARK & ASSOCIATES investiert, die das briefmarkengroße Rasenstück vor dem Eingang beherrschte. Stu düngte den Rasen in jedem Herbst persönlich und mähte ihn jede Woche. In der Firma gab es keine wirklichen Kollegen, aber sie taten sich manchmal mit anderen Anwälten vor Ort zusammen, wenn ein Fall spezielle Fachkenntnisse erforderte, und hatten eine vor Kurzem graduierte Jurastudentin, die in der Woche zehn Stunden bei ihnen arbeitete und für wenig Gehalt Recherchen anstellte, während sie fürs Anwaltsexamen lernte.
BUCHANAN, STARK & ASSOCIATES
Stu nahm sich einen Augenblick Zeit, das geschmacklos bunte Schild zu hassen. Sein Partner war Clayton Buchanan, das blendend aussehende Gesicht ihrer winzigen Kanzlei, der sich im Scherz als den Nieselregenmacher bezeichnete. Clay war ebenso gesellig wie Stu zurückhaltend. Das führte dazu, dass Clay die Arbeit brachte und Stu sie erledigte. Stu war ein stilles Arbeitspferd geworden - eine Tatsache, die Katherine lebhaft beklagte. Mandanten zu gewinnen war ein Spiel für die Kühnen, die Risikobereiten. Nicht für ihn. Nicht mehr. Clay dagegen konnte einem Lokalpolitiker auf die Schulter klopfen, mit einem Hafenarbeiter anzügliche Limericks austauschen und eine Jungfrau auf einer Kirchenbank als Klientin gewinnen. Einen Mandanten hatte Clay an Land gezogen, indem er mit dem Kerl eine Zigarettenpause gemacht hatte - trotz der Tatsache, dass Clay Nichtraucher war. Er hatte sich aus dem mit Katzenstreu gefüllten Aschenbecher auf einem Abfallkorb eine Zigarettenkippe geschnappt, sie ohne zu zögern zwischen die Lippen genommen und dem Mann so in einem Wartehäuschen aus Plexiglas Gesellschaft geleistet. Nach einigen Minuten emphatischen Paffens war er mit einem Drittel eines soliden arbeitsrechtlichen Anspruchs davongegangen. Auf solche und ähnlich kreative Weise fand Clay Mandanten, während Stu sich in Fällen und Paragrafen vergrub. Für Stu war das befriedigend. Außerdem hasste es Clay, arbeiten zu müssen.
Stu stieg die abgetretenen Betonstufen der Hintertreppe in den ersten Stock hinauf - der Vermieter ließ den Aufzug in der Eingangshalle nicht mehr reparieren. Er wunderte sich noch immer darüber, wieso er sich mit Clay zusammengetan hatte, der ursprünglich gar nicht aus Neuengland stammte. Sie hatten beide Jura an der University of Oregon studiert, das war die Wurzel ihrer Verbindung. Stu war impulsiv nach Westen gegangen, weil seine College-Liebe ihm vorgeworfen hatte, er habe »keinen Sinn für Abenteuer«, als sie ihm den Laufpass gegeben hatte, bevor sie ihr drittes Studienjahr in Europa verbrachte. Ihm war noch immer nicht ganz klar, was Clay an die U of O geführt hatte.
Also waren sie beide »Fighting Ducks«. Aber Stu war ein Studienjahr über Clay gewesen, und die beiden hatten in den zwei Jahren, in denen sich ihr Studium überlappte, kaum mehr als ein paar Worte gewechselt. Stu hatte Clays Ankunft in Oregon wahrgenommen. Das hatten alle getan. Er hatte sich als modisch gekleideter Kerl mit einem an mehreren obskuren Colleges zusammengestrickten Vordiplom erwiesen, der in die riesige Eingangshalle der Law School stolzierte, für einen Neuling, der den »Dampfkopftopf« betrat, viel zu entspannt wirkte, schon mit den Typen in den hinteren Reihen scherzte und eine Hand auf der Hüfte von Sophia Brown liegen hatte, einer atemberaubend hübschen Studentin im zweiten Jahr aus Portland, Oregon, mit der Stu sich in seinem ganzen ersten Jahr nicht einmal zu sprechen getraut hatte.
Die einzige Vorlesung, die Stu und Clay gemeinsam gehört hatten, war Zivilrecht II in Stus drittem und Clays zweitem Jahr gewesen. Clay saß meistens hinten, aber eines Tages hatte er sich mit nichts als einem Bleistift und einem Blatt Papier auf den Sitz neben Stu fallen lassen, worauf sie ihr längstes und denkwürdigstes Gespräch an der Law School geführt hatten. Der Professor trug bereits vor, als Clay sich setzte, sich zu Stu hinüberbeugte und ihm auf allzu vertrauliche Weise etwas zuflüsterte, als teilten sie sich bereits andere Geheimnisse.
»Wenn jemand um sich schießend den Hörsaal stürmt, hast du den besten Platz. Sitzt du deshalb hier?«
»Wie bitte?«
»Die gemauerte Brüstung würde dich schützen. Du bräuchtest dich nur dahinter zu ducken. Wer reingestürmt käme, würde durch die rechte Tür kommen. Dein Ausgang liegt dort drüben links am Ende der Reihe. Wenn's passiert, bist du fein raus. Mein Platz ist der zweitbeste.«
Das war ihr ganzes Gespräch. Stu hatte sich wieder auf die Vorlesung konzentriert. Als sie endete, hatte er sieben Seiten mitgeschrieben. Bei einem kurzen Blick zu Clay hinüber sah er auf dessen Blatt keine Notizen, sondern nur einen Plan des Hörsaals mit Pfeilen, die die zwei Ausgänge bezeichneten, und etwa einem Dutzend Kreuze auf Sitzen in der Nähe des rechten Eingangs.
Die Hintertreppe im Bluestone war düster und von kleinen Echos erfüllt, denn Stus Schritte waren sechseinhalb Kilo schwerer als an jenem Tag, an dem er das Büro das Staatsanwalts mit eingezogenem Schwanz verlassen hatte. Das Geländer war locker, sodass es klapperte, als er sich daran die Treppe hochzog.
Ich muss mehr Sport treiben.
Er dachte jeden Tag das Gleiche, ohne jemals mehr Sport zu treiben. Er lebte nicht ungesund, und seine Frau fand ihn »in Ordnung«, wie er war. Das hatte Katherine erst an diesem Morgen gesagt, als sie ihm zu seinem vierzigsten Geburtstag gratulierte.
»Vierzig.« Er sagte es laut, um zu hören, wie es klang. Es klang alt, und während er sich in seinem billigen braunen Anzug die Hintertreppe des schäbigen Bürogebäudes hinaufschleppte, echote es durchs Treppenhaus wie die Stimme eines geisterhaften Unglücksboten.
Nach dem Studium hatte sich Stu auf der Suche nach seinem ersten Job bei der Staatanwaltschaft im Bristol County beworben. Sein Noten waren gut - in den oberen zehn Prozent -, und sein Wahlfach Kriminalistik und verschiedene einschlägige Praktika hatten ihn genau auf diese Arbeit vorbereitet. Er schrieb seinen Lebenslauf so, dass er genau zu der angestrebten Position passte, lernte Tag und Nacht für den nervenaufreibenden Scheinprozess, der am Ende des viertägigen Bewerbungsmarathons stehen würde, und übte seine Argumente vor dem Spiegel, unter der Dusche, im Auto und zuletzt vor dem Gerichtsgebäude ein, bevor er hineinging. Lauter erfahrene stellvertretende Staatsanwälte saßen auf der Geschworenenbank und beobachteten ihn scharf, während zwei ältere Staatsanwälte ihn als angebliche Strafverteidiger auf Herz und Nieren testeten, Einwände vorbrachten, während er einen angeblichen Zeugen ins Kreuzverhör nahm, und zuletzt sogar die Einstellung des Verfahrens beantragten, in dem er die Anklage vertrat. Das Schlimmste war, dass Robert Malloy, der gewählte Staatsanwalt im Bristol County, den Richter spielte.
Stu hatte titanische Anstrengungen unternommen, sich zu seiner eigenen Überraschung gegen neunzehn andere hochqualifizierte Männer und Frauen durchgesetzt und den Job bekommen. Wenig später stand er vor Geschworenen, die über kleinere Vergehen urteilten - meistens Trunkenheit am Steuer und leichte Fälle von häuslicher Gewalt -, und brauchte nicht lange, um sich einen soliden Ruf als immer gut vorbereiteter und kompetenter Strafverfolger zu erarbeiten.
Ein Jahr später war Clay wie ein Kumpel aus einer Studentenverbindung, der unterwegs bei Freunden auf dem Sofa übernachtet, bei ihm aufgekreuzt. Er war in einem University-of-Oregon-Sweatshirt unangemeldet im Foyer erschienen und hatte die Empfangsdame nach »Stu, meinem guten Freund aus der Law School« gefragt.
»Hey, Stu«, sagte er, als Stuart den Kopf durch die Sicherheitstür steckte, um zu sehen, wer nach ihm fragte. »Freut mich, dich zu sehen! Willst du mich nicht reinbitten?« Clay sagte, er sei für ein paar Tage in Neuengland. Er habe sich an Stu von der Uni erinnert und gehört, er praktiziere hier irgendwo. »Und was für ein Zufall«, fügte Clay hinzu, weil auch er bei einer Staatsanwaltschaft arbeiten wolle und gerade angefangen habe, Bewerbungen zu verschicken. Ob er mit Stus Boss sprechen könne, wenn er schon mal hier sei? Clay redete schnell, und...
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