1 - Inhaltsverzeichnis/Geleitwort [Seite 6]
2 - 1. Grundlegende Gedanken [Seite 18]
2.1 - 1.1 Die drei Elemente der Basalen Stimulation [Seite 19]
2.2 - 1.2 Die Instrumente der Basalen Stimulation® in der Pflege [Seite 22]
2.3 - 1.3 Die Beteiligten [Seite 33]
2.4 - 1.4 Sichtweisen von Demenz [Seite 37]
2.5 - 1.5 Orientierungsräume und -phasen [Seite 42]
2.6 - 1.6 Lebenswelten [Seite 46]
3 - 2. Leben erhalten und Entwicklung erfahren [Seite 48]
3.1 - 2.1 Leben [Seite 49]
3.2 - 2.2 Leben und Pflegebedürftigkeit [Seite 49]
3.3 - 2.3 Lebens- und Orientierungsraum Körper [Seite 52]
3.4 - 2.4 Lebenserhaltende Grundlagen des Menschen [Seite 57]
3.5 - 2.5 Entwicklung erfahren [Seite 73]
3.6 - 2.6 Das Beziehungsdreieck «Ich - Du - Es» [Seite 75]
4 - 3. Das eigene Leben spüren [Seite 78]
4.1 - 3.1 Lebens- und Erlebenssituationen alter Menschen [Seite 79]
4.2 - 3.2 Sinnesorgane im Alter - Veränderungen und ihre Folgen, Pflegeangebote [Seite 82]
4.3 - 3.3 Gelangweilte Sinne [Seite 91]
4.4 - 3.4 Schmerzerfassung bei Demenz [Seite 105]
4.5 - 3.5 Körperbild und Körperschema [Seite 105]
4.6 - 3.6 Lebens-, Lern- und Erfahrungsraum Bett [Seite 108]
4.7 - 3.7 Von der Desorientierung zur Orientierung [Seite 113]
4.8 - 3.8 Pflege als Gespräch [Seite 118]
4.9 - 3.9 Berührung [Seite 119]
4.10 - 3.10 Angebote zur Körpererfahrung [Seite 137]
5 - 4. Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen [Seite 180]
5.1 - 4.1 Sicherheit [Seite 180]
5.2 - 4.2 Biografie als Zugangsweg zum alten Menschen [Seite 187]
5.3 - 4.3 Körpererleben im Lebenslauf [Seite 195]
5.4 - 4.4 Sinneserfahrung als Zugang zum Ich [Seite 197]
5.5 - 4.5 Die Sensobiografie [Seite 198]
5.6 - 4.6 Sicherheit erleben in Raum und Zeit [Seite 207]
5.7 - 4.7 Stabilität und Sicherheit [Seite 212]
5.8 - 4.8 Erlebte Sicherheit durch primär vibratorische Angebote [Seite 213]
5.9 - 4.9 Sicherheit erfahren durch primär vestibuläre Angebote [Seite 221]
6 - 5. Den eigenen Rhythmus entwickeln [Seite 232]
6.1 - 5.1 Zur Bedeutung von Rhythmen [Seite 233]
6.2 - 5.2 Tag-Nacht-Rhythmus durch chronopflegerische Aspekte [Seite 233]
6.3 - 5.3 Rhythmen der Institution [Seite 237]
6.4 - 5.4 Rhythmischer Positionswechsel [Seite 238]
6.5 - 5.5 Die Atemstimulierende Einreibung (ASE) [Seite 238]
7 - 6. Das Leben selbst gestalten [Seite 246]
7.1 - 6.1 Vorbedingungen der Selbstbestimmung [Seite 248]
7.2 - 6.2 Äußerungen selbstbestimmten Verhaltens [Seite 249]
7.3 - 6.3 Basale Antworten auf Versuche der Selbstbestimmung [Seite 250]
8 - 7. Die Außenwelt erfahren [Seite 256]
8.1 - 7.1 Ich und mein belebtes und unbelebtes Umfeld [Seite 257]
8.2 - 7.2 Bedeutung von Haus, Heim und Wohnen [Seite 259]
8.3 - 7.3 Körperposition und Beziehung zur Außenwelt [Seite 278]
8.4 - 7.4 Ich begegne Menschen und erlebe die Außenwelt [Seite 298]
8.5 - 7.5 Die Außenwelt mit dem Mund spüren [Seite 300]
8.6 - 7.6 Visuell die Außenwelt erfahren [Seite 314]
8.7 - 7.7 Die Außenwelt riechen [Seite 319]
8.8 - 7.8 Die Außenwelt hören [Seite 321]
9 - 8. Beziehungen aufnehmen und Begegnungen gestalten [Seite 330]
9.1 - 8.1 Beziehungen aufnehmen [Seite 330]
9.2 - 8.2 Sich vom alten Menschen berühren lassen [Seite 340]
9.3 - 8.3 Begegnungen gestalten [Seite 341]
9.4 - 8.4 Besuche gestalten [Seite 347]
9.5 - 8.5 Räume der Begegnung [Seite 348]
10 - 9. Sinn und Bedeutung geben und erfahren [Seite 352]
10.1 - 9.1 Soziale Kontakte [Seite 355]
10.2 - 9.2 Sinn finden [Seite 356]
10.3 - 9.3 Sinn und Bedeutung erfahren [Seite 357]
10.4 - 9.4 Sinnhaftigkeit des Lebens [Seite 359]
11 - 10. Selbstbestimmung und Verantwortung leben [Seite 366]
11.1 - 10.1 Ein unbequemer Bewohner - Beispiel [Seite 368]
11.2 - 10.2 Veränderungen der Wahrnehmung beeinträchtigen die Selbstbestimmung [Seite 369]
11.3 - 10.3 Der Schlaf [Seite 370]
11.4 - 10.4 Begleitende Bewegungen [Seite 371]
11.5 - 10.5 Veränderungen des Lebensraums beschränken die Selbstbestimmung [Seite 375]
11.6 - 10.6 Ernährung und ethisches Dilemma [Seite 380]
11.7 - 10.7 Selbstbestimmt sterben [Seite 384]
12 - 11. Die Welt entdecken und sich entwickeln [Seite 388]
12.1 - 11.1 Entwicklung der an einer Demenz erkrankten Person [Seite 388]
12.2 - 11.2 Ich begegne Menschen und bin in der Welt [Seite 389]
13 - 12. Anhänge [Seite 392]
13.1 - Anhang 1 [Seite 392]
13.2 - Anhang 2 [Seite 405]
13.3 - Anhang 3 [Seite 411]
13.4 - Anhang 4 [Seite 414]
14 - Verzeichnisse [Seite 416]
Basale Stimulation® wendet sich an Personen, die durch Krankheit, Alter oder Behinderung stark in ihrer Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation beeinträchtigt sind. Wir betrachten jede Art elementarer Lebendigkeit, unabhängig vom Grad der Behinderung oder dem körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand als berechtigte menschliche Lebensform. Auch bei Menschen mit Demenz geht es nicht um Heilung, sondern um palliative Versorgung. Bei allen geht es darum, «das Leben in der Behinderung [bzw. Beeinträchtigung] auszudifferenzieren, Möglichkeiten zu erschließen, Kompetenzen zu entwickeln [und zu erhalten] und zusätzliche Beeinträchtigungen zu vermeiden» (Fröhlich, 2012a: 10).
1.1.2 Kompetenz
Um basal stimulierend pflegen zu können, müssen verschiedene Kompetenzen mitgebracht, entwickelt oder erarbeitet werden. Im Vordergrund steht die soziale Kompetenz, die Fähigkeit und Bereitschaft zu menschlicher Begegnung. Diese wiederum umfasst weitere Fähigkeiten bezüglich des Umgangs mit sich selbst und anderen Menschen. Auf sich selbst bezogen erfordert es Selbstbeobachtung und -reflexion, Verantwortlichkeit und Selbstwirksamkeit. Auf Andere bezogen brauchen wir unter anderem Menschenkenntnis, Achtung, Toleranz, Respekt, menschliche Wärme und Empathie. Man könnte allgemein sagen: emotionale Intelligenz. Da Basale Stimulation® in der Pflege alltägliche Pflegesituationen nutzen will, um Orientierung und Kommunikation, meist über körperbezogene Kanäle zu unterstützen, werden hier verschiedene Besonderheiten nötig. Fröhlich nennt hier z. B. begleitende differenzierte Beobachtung und Planung von Angeboten auf der Grundlage solcher Beobachtungen (Fröhlich, 2012: 13).
Pflegende müssen außerdem den betroffenen alten Menschen Verlässlichkeit im Sinne einer Antwortsicherheit vermitteln können. Sie machen ihre Offenheit und Zugewandtheit innerhalb der Pflegeangebote durch eine erwartungsfreie Absicht erfahrbar.
Eine weitere Fähigkeit besteht darin, die erarbeiteten oder angenommenen Ziele, Wünsche und Lebensthemen des Pensionärs zur Leitlinie ihres pflegerischen Handelns zu machen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich die betroffene Person selbst akut nicht eindeutig und differenziert äußern kann. Leider wird bei solchen Menschen viel zu oft so gepflegt, wie die Pflegenden es sich selber wünschen. Eine sanfte, diffuse «Kuschelpflege», die den «armen Bewohner» falsch verstanden schont und «ihn in Ruhe lässt», wäre ein mögliches Ergebnis. Unter Umständen ist dieses «Ruhebedürfnis» jedoch nicht selbst gewählt, sondern ein Zeichen von Überoder auch Unterforderung. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst, lautet die Maxime, aber pflege Deinen Nächsten so, wie es seinen eigenen aktuellen Bedürfnissen und Gewohnheiten entspricht.
Pflege soll gebrechlichen alten Menschen ein ausgewogenes, personenbezogenes Verhältnis zwischen Fördern und Fordern schaffen. «Ein ausschließliches Akzeptieren kann nicht genügen, ebenso wenig wie ausschließliches Fordern» (Fröhlich, 2012: 11). Unter «Fördern» fallen übrigens nicht nur rehabilitative Aspekte, sondern oft auch Pflegeaktivitäten zur Förderung der Orientierung durch Reizreduktion, des geregelten Tag-Nacht-Rhythmus, der kommunikativen Möglichkeiten durch basale Kommunikationsangebote oder auch der Teilhabe durch passende Positionierungen und Begleitung durch Pflegende an Alltagsund Kulturaktivitäten.
Eine weitere Kompetenz ist die Fähigkeit des vorausschauenden Planens der Angebote. Weil die Pflege zunächst einmal die Aktivitäten des täglichen Lebens bzw. die ABEDL unterstützen will, geht es darum, in der individuellen Pflegeplanung zunächst die einzelnen Aktivitäten als Fördersituationen zu verstehen.
Ausgerichtet an den aktuellen Lebensthemen werden Angebote, z.B. mithilfe der erweiterten Sensobiografie, geplant und mit allen an der Pflege Beteiligten koordiniert. Die Kompetenz, andere Menschen im Pflegeprozess zu «lesen», d.h. ihre Mitteilungen zu beobachten, zu erkennen, zu deuten und Schlüsse daraus zu ziehen, sowie sie zu führen und zu begleiten, kommt also hinzu. Eine gute Planung mit klar festgelegten Abläufen unbedacht umgesetzt, bewirkt u. U. eine Pflege, die an dem gepflegten Menschen vorbeigeht.
Nicht immer ist ein wohlüberlegtes, geplantes Vorgehen auf der Grundlage von Vorwissen über die Person möglich. Hin und wieder fehlen Informationen, vor allem, wenn Angehörige nicht greifbar sind. Gerade dann ist die «Exploration», die Erforschung des Menschen, gefragt. Dann greift ein neugieriges Beobachten, Einschätzen, Aushalten, Abwarten und dann erst Handeln, also das vorurteilsfreie Kennenlernen des Gegenübers, auf ein gehöriges Maß an Menschenkenntnis und Erfahrung zurück.
Daher scheint uns, bei all den genannten Kompetenzen, die Fähigkeit achtsamen, reflektierten Handelns im Vordergrund zu stehen. Basale Stimulation® ist auf gemeinsame Aktivität ausgerichtet, darauf, Dinge zu ermöglichen, die dieser beeinträchtigte Mensch tun würde, wenn er nur könnte. Ihn darin zu unterstützen und dabei zu begleiten ist ein zentrales Anliegen des Konzepts und daher eine Art Schlüsselkompetenz.
1.1.3 Technik
Mit dem Begriff «Technik» oder «Techniken» verbinden wir meist ein standardisiertes, mechanistisches Vorgehen. Das Handeln scheint jenseits persönlicher Beziehung stattzufinden. Der Schwerpunkt liegt auf der Funktionalität und einem schnell zu erreichenden Ergebnis. In einem anderen Sinne soll die Technik den Pflegenden den Arbeitsalltag erleichtern. Die in Fachkreisen sehr kontrovers geführte Diskussion um Pflegeroboter verweist auf ein durchaus kritisches Verhältnis zu Technik und anonymen Handlungsweisen.
Technik und Basale Stimulation® schienen uns daher zunächst unvereinbar. Wenn wir Technik jedoch als eines der drei zusammengehörenden Elemente verstehen und uns die Wortursprünge anschauen, ist es geradezu logisch, von Techniken zu sprechen. Der lateinische Begriff «technica» steht für «Kunst, Künste; Anweisung zur Ausübung einer Kunst oder Wissenschaft» (Duden, Bd. 7, 1997: 739). In unserem Zusammenhang steht der Begriff für «Kunstfertigkeit», also für einen Ablauf oder eine bestimmte Vorgehensweise, die in besonderer Weise auf die Bedürfnisse eines beeinträchtigen Menschen abgestimmt ist.
Vor allem bei den Ausstreichungen, aber auch bei anderen Angeboten, z. B. im Zusammenhang mit Positionierungen, machen wir uns spezielle physiologische oder anatomische Aspekte zu Nutze und gehen «kunstfertig» in bestimmter Regelmäßigkeit vor. Damit verschiedene Wahrnehmungsprozesse sinnstiftend ablaufen, sind z. B. Kommunikationstechniken und Grundprinzipien, wie z.B. die Gestaltung eines «stabilen Figur-Grund-Kontrastes» (Fröhlich, 2012b: 15), wichtig.
Basal stimulierende Angebote beruhen also auf sinnstiftenden Techniken, die in bestimmter Absicht sowie in einfacher und verständlicher Reihenfolge ablaufen. Dennoch dürfen diese nicht statisch eingesetzt werden, sondern bedürfen der inhaltlichen Anpassung an die ganzheitliche Entwicklung der Person. Als ein weiterer Faktor der drei Elemente gilt es, den speziellen Zusammenhang zu berücksichtigen, in dem die aktuelle Begegnung stattfindet. Die im so genannten «Hexagon» dargestellten Elemente und die weiteren Instrumente des Konzepts werden bei der Anwendung basaler Techniken nicht außer Acht gelassen.
Bei alledem gilt in Anlehnung an C.G. Jung: Beherrsche «deine Technik, aber sei darauf vorbereitet, sie fallen zu lassen, wenn Du die menschliche Seele berührst» (in: Sieveking, 1997: 57). Wir können die drei Elemente Haltung, Kompetenz und Technik bei den Beschreibungen der Angebote selten voneinander trennen. Sie sind eine Einheit der personenbezogenen basal stimulierenden Pflege.