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Als sie die Tropen für die Zivilisation eroberten, waren die Portugiesen Wegbereiter, und diese Heldentat war ihre größte historische Mission. Was auch immer man gegen ihr Werk ins Feld führen mag, man kommt nicht umhin, ihnen zuzugestehen, daß sie nicht nur diese Mission in die Tat umgesetzt haben, sondern auch von ihrer Natur her dazu prädestiniert waren. Kein anderes Volk der Alten Welt war so gut wie sie dafür gewappnet, sich in das Abenteuer einer geregelten, intensiven Ausbeutung der Gebiete nahe dem Äquator zu stürzen, wo die Menschen einer im 15. Jahrhundert weitverbreiteten Meinung nach rasch degenerierten und, wie ein zeitgenössischer französischer Reisender sagte, »la chaleur si véhémente de l'air leur tire dehors la chaleur naturelle et la dissipe; et par ainsi sont chaulds seulement par dehors et froids en dedans«, im Gegensatz zu den Bewohnern der kalten Gegenden, die »ont la chaleur naturelle serrée et constrainte dedans par le froid extérieur qui les rend ainsi robustes et vaillans, car la force et faculté de toutes les parties du corps dépend de cette naturelle chaleur«.[1]
Diese Eroberung der Tropen vollzog sich in Wahrheit nicht nach einem bewußten Plan, sie entstammte keinem konstruktiven, energischen Willen: Sie vollzog sich eher nachlässig und in einer gewissen beiläufig rücksichtslosen Art. Man könnte sogar sagen, sie vollzog sich trotz derer, die sie unternahmen. Dies anzuerkennen heißt jedoch nicht, die Größe der portugiesischen Leistung zu schmälern. Beurteilen wir sie nach den heute vorherrschenden moralischen und politischen Kriterien, werden wir auf viele schwerwiegende Mängel stoßen. Keiner dieser Mängel kann indes die überspannte Meinung einer durchaus stattlichen Anzahl von Menschen rechtfertigen, die das Handeln der Portugiesen in Brasilien verunglimpfen und sich nur allzugern zum Triumph der holländischen Kolonisierungspraxis bekennen, überzeugt, diese hätte uns einen besseren, ruhmvolleren Weg beschert. Doch bevor man auf dieses Thema eingeht, sollte ein Aspekt betrachtet werden, der ganz besonders aufschlußreich erscheint, nämlich die psychologischen Determinanten der portugiesischen kolonialen Expansionsbewegung in unserem Amerika.
Unter den Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens kann man zwei sich bekämpfende Prinzipien herausstreichen, die das Handeln des Menschen unterschiedlich regeln. Diese beiden Prinzipien nehmen im Typus des Abenteurers und in dem des Arbeiters Gestalt an. Bereits in den primitiven Gesellschaften zeigen sie sich, je nachdem welcher Typ überwiegt, in der grundlegenden Unterscheidung zwischen Jäger-, Sammler- und Bauernvölkern.
Für viele Menschen ist das Ziel, auf das alle Anstrengungen ausgerichtet sind, von derart grundlegender Bedeutung, daß sie schließlich auf alle zwischengeschalteten Prozesse als zweitrangig, ja beinahe überflüssig verzichten. Ihr Ideal wäre es, Früchte zu ernten, ohne einen Baum zu pflanzen. Dieser Menschentyp, der Abenteurer, kennt keine Grenzen. Alles auf der Welt scheint sich ihm zu seiner freien Verfügung darzubieten, und wo immer sich ein Hindernis auftürmt, weiß er es zu einem Sprungbrett zu machen. Er lebt von unbegrenzten Räumen, umfangreichen Projekten, fernen Horizonten.
Der Arbeiter ist im Gegensatz dazu derjenige, der zuerst die Schwierigkeit sieht, am Ende den Sieg zu erringen, und nicht den Triumph, den es zu erzielen gilt. Er hält die stetige mäßige Anstrengung, die wenig ertragreich ist, indessen alle Möglichkeiten der Vergeudung abwägt und aus dem Unbedeutenden den höchsten Nutzen zu ziehen weiß, eindeutig für sinnvoll. Seine Sicht der Dinge ist freilich eingeschränkt. Er sieht das Wesentliche, nicht das Ganze.
Es gibt eine Ethik der Arbeit, ebenso wie es eine Ethik des Abenteuers gibt. Daher wird der Mensch vom Typus Arbeiter nur den Tätigkeiten einen positiven moralischen Wert zubilligen, die er auszuführen willens ist, während er die für Abenteurer typischen Eigenschaften – Wagemut, Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit, Unbeständigkeit, Wandertrieb –, das heißt alles, was mit einer Sicht der Welt als offenes Universum zusammenhängt, für unmoralisch und verabscheuungswürdig halten wird.
Andererseits verherrlichen die Abenteurer die Energien und Anstrengungen, die auf umgehende Belohnung abzielen. Die Energien hingegen, die die Stabilität, den Frieden, die persönliche Sicherheit zum Ziel haben, und die Anstrengungen, die keinen raschen materiellen Nutzen in Aussicht stellen, sind für ihn verwerflich und verachtenswert. Nichts erscheint ihm dümmer und kleinlicher als das Ideal des Arbeiters.
Zwischen diesen beiden Typen besteht in Wahrheit weniger ein absoluter Gegensatz als vielmehr radikales Unverständnis.[2] Beide tragen mehr oder weniger Anteile des anderen in sich, und es gibt selbstverständlich weder den Abenteurer noch den Arbeiter in reiner Form, es sei denn, in der Welt der Ideen. Doch es besteht auch kein Zweifel daran, daß die beiden Begriffe uns helfen, unsere Kenntnisse über den Menschen und die sozialen Zusammenhänge zu ordnen und besser in Kategorien einzuteilen. Und gerade in dieser über das Individuum hinausgehenden Verallgemeinerung sind sie für die Erforschung der Bildung und Entwicklung von Gesellschaften von unschätzbarem Wert.
Bei der Eroberung und Kolonisierung der neuen Welten spielte der »Arbeiter« im hier verstandenen Sinne eine sehr eingeschränkte, beinahe unbedeutende Rolle. Die Epoche war großen Gesten und kühnen Heldentaten gegenüber aufgeschlossen, belohnte Menschen mit geistigem Höhenflug. Und nicht von ungefähr waren bei diesem Unterfangen auf diesem Kontinent vor allem die Nationen zu finden, die dem Arbeitertypus, so wie zuvor erläutert, ein ihm wenig günstiges Umfeld bieten.
Dies trifft auf Portugal wie auf Spanien und um nichts weniger auch auf England zu. Die gewaltige industrielle Entwicklung, die die britische Nation im vergangenen Jahrhundert erlebt hat, ließ eine Vorstellung von diesem Volk entstehen, die der Wirklichkeit bei weitem nicht entspricht und zudem von den damaligen Zeitgenossen nicht geteilt wurde. In Wahrheit ist der typische Engländer weder fleißig, noch besitzt er einen so extremen Sparsamkeitssinn wie seine nächsten Nachbarn auf dem Kontinent. Er neigt vielmehr zur Trägheit und zur Verschwendung und schätzt, allem voran, das »gute Leben«. Dies war die gängige, fast einhellige Meinung der Ausländer, die vor der Viktorianischen Ära Großbritannien besuchten. Und sie wurde nicht minder von den Moralisten und Wirtschaftsfachleuten geteilt, die nach Mitteln zum Kampf gegen die Unterlegenheit suchten, die das Land seinen Konkurrenten gegenüber lange Zeit aufwies. 1664 tadelte Thomas Mun in dem Pamphlet England's Treasure by Forraigne Trade die mangelnde Vorausschau, die Freude an unnützer Verschwendung und die übermäßige Liebe zu unzüchtigen Freuden, zum Luxus und zum schamlosen Nichtstun – die »lewd idleness« –, die »gegen die Gesetze Gottes und die Gebräuche der meisten Völker verstößt«, und er machte diese Laster dafür verantwortlich, daß es den Engländern nicht gelang, sich ernsthaft mit den Holländern zu messen.[3] Ähnliche Ansichten äußert in unserer Zeit der Historiker und Kenner des englischen Charakters William Ralph Inge. In seinem Buch, das reich an Anregungen ist, merkt der Dechant der St. Paul's Cathedral an, daß »der durchschnittliche Engländer heutzutage keinerlei Gefallen am unermüdlichen, emsigen Fleiß der Deutschen oder der knickerigen Kargheit der Franzosen findet«. Und er fügt noch folgende Bemerkung hinzu, die vielen irritierend und neu erscheinen mag: »Die Trägheit ist ein Laster, das wir mit den Menschen einiger warmer Länder teilen, jedoch mit keinem anderen Volk Nordeuropas.«[4]
Diese mangelnde Lust, eine Arbeit auszuführen, die sich nicht sofort auszahlt, diese Trägheit, wie der Dechant Inge sagte, die selbstverständlich nicht der Antrieb zu abenteuerlichem Handeln ist, bildet dennoch bemerkenswert häufig den negativen Aspekt desselben Gemütes, das die großen Unternehmungen hervorbringt. Wie kann man sonst erklären, daß die iberischen Völker so große Fähigkeiten an den Tag legten, in anderen Kontinenten nach materiellen Gütern zu jagen? »Ein Portugiese«, bemerkte ein Reisender Ende des 18. Jahrhunderts, »hat weniger Schwierigkeiten, ein Schiff nach Brasilien zu heuern, als zu Pferde von Lissabon nach Porto zu reisen.«[5]
Und zeigt sich in dieser Gier nach Wohlstand ohne Anstrengung, nach Ehrentiteln, Ämtern und leicht gewonnenem Reichtum, die bekanntermaßen die Menschen unseres Landes auszeichnet, nicht auch ganz ungeschminkt ein Aspekt des Abenteurergeistes? Noch heute leben wir mit den Nachkommen jenes Soldaten aus den Zeiten des Barons von Eschwege*, der sich nicht schämte, um eine Stellung im Palastorchester zu bitten, jenes Schreibers, der furchtlos das Amt eines Gouverneurs erbat, jenes einfachen Baders, der oberster Wundarzt des Reiches werden wollte … Häufig genug erschöpft sich unsere Fähigkeit zu handeln in dieser unaufhörlichen Suche, ohne daß diese durch ein wenig Zwang von außen, durch eine kraftvollere Reaktion neutralisiert wird. Es ist eine Energie, die vom Weg abkommt, bevor sie noch auf Widerstand gestoßen ist, die auf dem Höhepunkt ihrer Kraft in sich zusammenbricht und ohne sichtbaren Grund aufs Spiel gesetzt wird.
Und dennoch hat die für alle diese Schwächen verantwortliche Lust am Abenteuer einen entscheidenden Einfluß (nicht den einzigen entscheidenden Einfluß, muß man...
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