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Kapitel 1
Ungläubig starrte ich auf den Test. Dass sich ein derartig lebensverändernder Moment bei heruntergelassener Hose ereignet, ist wirklich krass. Ein Baby, un bébé, es klang furchteinflößend - egal, in welcher Sprache.
Merde!, fluchte ich innerlich, zog die Hose hoch und drückte auf die Klospülung. Wie konnte das nur passieren?
Als ich mir am Vorabend den Test besorgt hatte, war er nur zur Beruhigung gedacht, weil ich - so nahm ich jedenfalls an - ein bisschen hysterisch reagierte. Ich hatte nicht im Traum damit gerechnet, dass das Ergebnis positiv ausfallen würde. Rasch stopfte ich das Stäbchen mit den zwei blauen Strichen in meinen BH und atmete tief durch.
»Bonjour, ma belle!«, rief Serge aus der Küche.
»Bonjour«, antwortete ich und ging zu ihm.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte er mich auf Französisch und reichte mir eine große Tasse Kaffee.
Wir bekommen ein Baby und werden nie wieder schlafen!, wollte ich schreien, sagte aber stattdessen wie auf Autopilot: »Très bien. Et toi?« Meine Gedanken kreisten nur um die Frage, wann ich Serge sagen sollte, dass er papa wurde. Er nickte und wollte mich umarmen. Aber ich duckte mich weg, durfte auf keinen Fall riskieren, dass das Teststäbchen aus meinem BH rutschte und alles verriet.
»Ich muss mich beeilen«, ergänzte ich auf Englisch und warf ihm eine Kusshand zu. »Vor der Arbeit muss ich noch in die Apotheke .« Um ein Dutzend weitere Schwangerschaftstests zu kaufen, fügte ich im Kopf hinzu.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Aber klar, nur Stresskopfschmerzen«, versicherte ich. Zumindest der Teil mit dem »Stress« war nicht gelogen.
Hastig trank ich einen Schluck Kaffee und spuckte ihn sofort wieder aus - Koffein ist schlecht für Schwangere!
Serge sah mich stirnrunzelnd an, und ich wedelte mit der Hand vor dem Mund herum. »Zu heiß«, murmelte ich mit entschuldigendem Blick und schüttete den Rest des köstlichen Getränks in den Ausguss.
»Kein Problem, Bella«, sagte er lächelnd. Serge nannte mich seit neuestem Bella. Eine Kombination aus belle und Ella. Das war charmant und liebevoll, genau wie er selbst. Ich dachte daran, ihm auf der Stelle die Neuigkeit zu erzählen, während mich seine muskulösen Arme umschlossen und sein Gesicht strahlte, aber aus irgendeinem Grund brachte ich die Wörter nicht über die Lippen. Zuerst musste ich begreifen, was es für Konsequenzen hatte, dass ich in Frankreich schwanger war.
Serge und ich waren erst seit Anfang des Jahres zusammen, obwohl unsere Freundschaft sich entwickelte, seit ich an meinem ersten Tag in Paris in seine fromagerie stolperte und ihn Mr. Cheeseman taufte. Wir hatten gemeinsam eine Menge durchgestanden, angefangen von meiner naiven Wette mit ihm, ich könne 365 Käsesorten in einem Jahr probieren, seiner Hilfe, die Wette dann doch noch zu gewinnen, einem innigen Kuss nach einem dekadenten Käsedinner, den ich erwiderte, weil mir plötzlich klar wurde, dass ich ihn liebte.
Als ich in Paris ankam, war ich nicht auf der Suche nach einem neuen Freund, verliebte mich jedoch Hals über Kopf in einen Mistkerl namens Gaston. Mich auf diese Weise von einer gescheiterten Beziehung abzulenken war das Dämlichste, was ich hatte tun können. Aber Gaston war unglaublich charmant, und nachdem sich in Australien mein langjähriger Freund von mir getrennt hatte, erlag ich seinem französischen Charme, bis ich ihn nur wenige Monate später bei einem Dreier erwischte. Das war hoffentlich die letzte Lektion, die ich brauchte, um mich nicht mehr in Idioten zu verlieben.
Nachdem ich dann, ähnlich wie George Orwell, meinen persönlichen Erledigt-in-Paris-Moment durchlebte, wurde mir klar, wie dumm ich gewesen war, nicht den wahren Helden in meiner Geschichte zu erkennen, nämlich Serge. Er war nicht der Typ Mann, auf den ich normalerweise stehe - will heißen, dass er nett war und sich dafür interessierte, was mir wichtig war - , aber ich hatte lange genug die Augen gegenüber der wahren Liebe geschlossen. Also fuhr ich ihm hinterher, als er auf einer Käseeinkaufstour im Loire-Tal unterwegs war, um ihm zu sagen, was ich für ihn empfand. Das war eine verdammt große Geste und zum Glück für mein Liebesleben - und meinen Stolz - erfolgreich.
Serge entpuppte sich als jemand, den ich mir nie erträumt hätte. Er war süß, abenteuerlustig, loyal und zielstrebig, ein hoffnungsloser Romantiker und eiserner Verfechter der französischen Kultur und Tradition, was sich in seiner Hingabe und Bewunderung für französischen Käse niederschlug.
Seit meiner Liebeserklärung erblühte unsere Beziehung, und ich bewunderte diesen Mann. Natürlich hatten wir auch unsere Differenzen, zum Beispiel wegen seiner Abneigung gegenüber allem, was mit Technik zu tun hat, einschließlich des von mir eingerichteten Instagram-Accounts, auf dem ich meine Follower über Käse informiere und durch den seine fromagerie Kultstatus bei englischsprachigen Touristen erlangt hatte. Aber in anderen Dingen waren wir fast immer einer Meinung.
Trotzdem fragte ich mich jetzt, ob wir die Probleme nicht geradezu heraufbeschworen, wenn wir unsere Beziehung durch ein Baby auf ein neues Level brachten. Wir waren noch nicht einmal ein Jahr zusammen, hatten noch keinen heftigen Streit gehabt. Und ganz sicher hatten wir noch nicht über Kinder gesprochen. Konnte eine gemeinsame Liebe für Käse, Paris und einander reichen, um das durchzustehen?
Zum Glück musste ich ins Büro und hatte den ganzen Tag Zeit, um über alles nachzudenken. Für derart ernste Themen war es noch zu früh am Morgen.
Draußen war es kalt. Die Sommerwärme hatte sich verflüchtigt, sobald ich das Kalenderblatt umgeblättert hatte auf Oktober. In Paris gibt es einen bestimmten Geruch, den ich seit dem letzten Jahr mit Herbst und Winter verband. Es war eine Mischung aus warmer Luft, die aus den Gitterrosten der Métro strömte, und Kochdüften, die aus den Schulkantinen waberten. Gelegentlich schleicht sich ein Hauch Urin dazu, der aber von dem häufigen Herbstregen zum Glück schnell weggewaschen wird.
Als ich im Büro von Food To Go Go eintraf, überraschte es mich nicht, dass Tim schon dort war. Seit er vor ein paar Monaten die Fördermittel bekommen hatte, arbeitete er fast rund um die Uhr. Die Firma war unterbesetzt, schaffte es aber trotz allem zu wachsen, was manchmal an ein Wunder grenzte. Aber Tim war wild entschlossen, und seine Leidenschaft für einen Lieferservice von qualitativ hochwertigem Essen schien unseren Erfolg anzutreiben.
»Oh, hey, Ella«, begrüßte er mich und klang erschöpft.
»Alles okay?«, fragte ich.
»Anstrengende Nacht mit dem Baby.«
Ich fühlte mit ihm. »Schläft sie immer noch nicht durch?«
»Nein, sie ist wie auf Dauerbetrieb. Mein Leben wird nie wieder normal sein.«
»Wie alt ist die Kleine jetzt?«, fragte ich.
»Fast zehn Monate .«, stöhnte er.
»Und es ist immer noch so schlimm?« Normalerweise wäre ich nicht weiter auf Tims Baby-Klagelied eingestiegen. Wieso sollte man Kinder kriegen, wenn man gern schläft?, hätte ich gedacht. Aber nun waren die Karten neu gemischt, und ich hatte ein anderes Blatt in der Hand.
»Allerdings. Ich gebe dir den guten Rat, nie ein Kind zu bekommen - jedenfalls nicht, wenn du ein normales Leben behalten willst. Im Vergleich dazu ist der Mist hier die reinste Erholung.«
Ich lachte und hoffte, dass Tim übertrieb. Aber seine Miene blieb ernst, und mit den dunklen Rändern unter den Augen sah er aus wie ein Zombie. Shit, fluchte ich innerlich, setzte mich hin und schaltete den Computer ein.
Ich scrollte durch meine Projekte, konnte mich aber nicht auf die Arbeit konzentrieren. Ständig musste ich an das Testergebnis denken. Was sollte ich denn nur tun? Ich fragte Tim, ob ich ihm einen Kaffee holen solle. Vor lauter Dankbarkeit stand er auf und drückte mich.
»Hol mir bitte einen dreifachen Latte, Ella. Das wird ein langer Tag.«
Zum Glück lag unser neues Büro nur einen kurzen Fußmarsch vom Flat White entfernt, einem der meiner Meinung nach besten Coffee Shops von Paris (völlig unbeeinflusst von der Tatsache, dass ich fast ein Jahr lang hier gearbeitet habe und immer noch Freunde- und Familienrabatt genieße). Als ich eintrat, entdeckte ich erleichtert Chris' lächelndes Gesicht hinter der Kaffeemaschine.
Ich ließ mich auf einen Hocker an der Bar fallen. Es fühlte sich tröstlich an, in dem Café zu sein, auf vertrautem Boden. Die Wärme des Backofens und der Duft von Chocolate Chip Cookies ließen mich das Teststäbchen in meiner Handtasche beinahe vergessen. Ich sehnte mich des Öfteren nach der Ruhe und Vertrautheit der Arbeit im Flat White. So sehr ich meinen Job im Büro auch mochte, das soziale Umfeld im Café vermisste ich.
»Was hättest du gern, El?«, fragte Chris, und sein australischer Akzent verstärkte das Gefühl von Heimat. »Das Übliche?«
»Klar«, antwortete ich, ohne nachzudenken. »Nein, warte . Hast du auch koffeinfreien?«
»Hä? Natürlich nicht. Blasphemie! Was ist los?«
»Nichts«, log ich und hoffte, dass er nicht mitbekam, wie mir das Blut in die Wangen schoss. »Dann nehme ich eine heiße Schokolade.«
Chris zog die Brauen hoch, sagte jedoch nichts. Wenn es um mich ging, blieb er stets Gentleman, was für diesen Weiberhelden...
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