Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die neunzehnjährige Zosia leidet sehr unter dem Tod ihrer Mutter. Als ihr Vater ihr verkündet, dass er einen Job in Japan angenommen hat, kommt ihr der Tapetenwechsel daher gerade recht. Dass sie ausgerechnet in Tokio auf Finn O'Leary trifft, hat Zosia allerdings nicht erwartet. Finn ging auf ihre Highschool, wo er den Ruf als unnahbarer Einzelgänger hatte. Doch nun stellt Zosia fest, dass auch Finn eine Vergangenheit hat, vor der er davonläuft. Die beiden beschließen, gemeinsam die Stadt zu erkunden, und je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto näher kommen sie sich. Und spüren bald ganz deutlich, dass dieser Sommer unvergesslich werden könnte ...
Dieser Roman ist in einer früheren Ausgabe bereits bei LYX.digital unter dem Titel EIN SOMMER IN TOKIO erschienen.
Ich wische mir die Nase mit dem T-Shirt-Ärmel ab, wobei ich das pinkfarbene Nike-Logo voll erwische. Eklig, aber nicht zu ändern.
Das kann durchaus mithalten mit der anderen Schleimspur, die ich gerade hinter mir herziehe.
»Es tut mir leid, Mrs Alvarez. Es ist nur . ich muss gleich zur Schule, und danach habe ich Schwimmtraining und Lerngruppe, und Babci muss das Medikament mittags und abends nehmen, und ich kann heute Abend nicht vor sieben zu Hause sein.« Uff. Ich höre mich an wie ein bettelnder Schlaubi Schlumpf. »Ich muss das Geld beim Joggen verloren haben. Ich komm noch mal wieder. Schon okay.«
Aber es ist nicht okay. Es ist schon Viertel vor acht, und in vierzig Minuten muss ich in meinem Kurs für nordamerikanische Literatur sein. Außerdem schwitze ich immer noch, was bedeutet, dass ich mein Haar nicht mal mit dem Föhn in den Griff kriegen werde. Eigentlich wollte ich heute keinen Pferdeschwanz tragen. Nicht mit der knallroten Nase und den glasigen Augen, die aussehen, als hätte ich weit Schlimmeres als Allergietabletten eingeworfen. Verdammter Heuschnupfen. Blöde Idee, ausgerechnet dann joggen zu gehen, wenn alles wie verrückt sprießt und blüht.
»Zosia, kann dein Vater nicht vorbeikommen, um sie abzuholen? Bevor er zur Arbeit fährt zum Beispiel?« Mrs Alvarez, die hinter der Kasse steht, mustert mich über den Rand ihrer Brillengläser hinweg, als wäre das eine echte Option. Das rote »W« des Walgreen-Schilds in ihrem Rücken setzt ihr zwei kleine rote Hörner auf.
Ich schüttele den Kopf. »Er nimmt zurzeit immer den Zug um neunzehn nach sechs.«
Wenn er um neunzehn nach sechs mit dem New-Jersey-Nahverkehrszug zur Penn Station in New York fährt und abends den Zug um vierundzwanzig nach acht zurück nimmt, kann er auf diese Weise dem Berufsverkehr entgehen. Das bedeutet aber auch, dass mein Dad täglich fünfzehn Stunden unterwegs ist. Seit Babci eingezogen ist, verlässt er sich darauf, dass sie mich im Auge behält. Dabei soll sie sich eigentlich ihrem »Genesungsprozess« widmen. Seine Worte, nicht ihre. Wie auch immer, meine Großmutter hier zu haben, erleichtert ihm das Leben. So hat er mehr Zeit, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren - und auf die Telefonstimme von gestern Abend, die ihn »Liebling« nennt.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich greife nach dem zerknitterten, durchweichten Papierstreifen auf der Ladentheke und schiebe ihn wieder in meine Hosentasche. »Okay, ich komme mit den fünf Dollar wieder.«
»Ich kann dir fünf Dollar leihen, wenn du willst«, sagt da eine tiefe männliche Stimme hinter mir.
»O mein Gott. Vielen Dank.« Ich bin schon dankbar, bevor ich weiß, von wem das Angebot kommt. Ich drehe mich um, und mir klappt die Kinnlade runter, als ich Finn O'Leary vor mir stehen sehe, der eine Fünf-Dollar-Note aus seiner Brieftasche zieht.
Im Ernst jetzt? Finn O'Leary?
Genau der Typ, den ich stalken würde, wenn ich so drauf wäre.
Finn hält mir das Geld hin, und als ich nicht danach greife, legt er es auf die Ladentheke. Dank seines breiter werdenden Lächelns wird mir klar, dass ich ihn immer noch anstarre. Ich mit meinem roten Gesicht, dem widerspenstig abstehenden Haar und der laufenden Nase. Ich nestele den Papierstreifen wieder aus meiner Hosentasche. »Danke. Ähm, vielen Dank. Dann muss ich nicht wiederkommen. Ich bin eh schon spät dran, also danke.«
Finn strahlt mich an. Er hat ein tolles Lächeln. Und seine Oberarmmuskeln sind der Hammer. Während wir miteinander reden, sind sie gut zu sehen, zeichnen sich unter seinem dunkelblauen T-Shirt ab. »Ja, ich hab's mitbekommen. Kein Problem.«
Ich bete zu Gott, dass er nicht sieht, wie ich rot werde. Mrs Alvarez ist deutlich anzusehen, dass sie sich das Grinsen verkneifen muss. Sie nimmt das Geld und reicht mir eine kleine Papiertüte. »Hier ist das Medikament. Ich wünsche dir einen schönen Tag, Zosia.«
Finns Augenbrauen wandern nach oben. Fast alle sagen nur Zo oder Zoe zu mir. Nicht dass mein Name Finn jemals über die Lippen gekommen wäre.
»Danke noch mal. Ich, ähm, zahl's dir zurück«, verspreche ich ihm.
Er schüttelt den Kopf. »Es sind ja nur fünf Dollar. Mach dir mal keinen Stress.«
»Nein, wirklich. Ich kann mir doch nicht einfach fünf Dollar schenken lassen.«
»Lad mich einfach auf einen Kaffee ein, wenn ich das nächste Mal in der Gegend bin. Ist echt kein Ding«, sagt er, grinst mich an und nennt Mrs Alvarez seinen Familiennamen. Holt Finn ebenfalls ein Medikament ab? Ist er krank? Er sieht nicht krank aus. Ich würde sogar sagen, dass er kerngesund aussieht. Ich bleibe weitere zehn Sekunden wie angewurzelt auf dem grauen Fliesenboden stehen, bis mir klar wird, dass sich Finn und Mrs Alvarez zu mir umgedreht haben und mich anstarren, also stürze ich den nächsten Gang mit Damentoilettenartikeln hinunter. War ja klar. Falls Finn jemals einen zweiten Gedanken an mich verschwendet, dann darf in dem Bild in seinem Kopf auf keinen Fall eine Tamponschachtel fehlen.
Während ich unter der Dusche stehe, zerbreche ich mir abwechselnd den Kopf darüber, warum Finn nach Westfield zurückgekommen ist, und darüber, was er morgens um acht bei Walgreens macht. Weil es viel einfacher ist, sich zu fragen, was er in Westfield macht, als darüber nachzudenken, ob er tatsächlich von mir zum Kaffee eingeladen werden möchte - oder ob er nur höflich sein wollte.
Ich bin wirklich unverbesserlich. Total unverbesserlich.
Kein Wunder, dass meine letzte Beziehung gerade mal einen Monat gehalten hat. Verdammter Matt Cooper. Ich kann es immer noch nicht ertragen, ihn zu sehen, was aber weniger mit dem Scheitern unserer Beziehung als mit seiner Rückkehr zu seiner Ex zu tun hat - und das nur zwei Tage, nachdem ich mit ihm Schluss gemacht habe. Idiot. Meine beste Freundin Mindy sagt, dass ich kein Recht habe, sauer zu sein. Schließlich war ich diejenige, die ihm den Laufpass gegeben hat. Wahrscheinlich hat sie recht, aber es geht ums Prinzip.
Ich ziehe mir Jeans und Bluse an und schiebe ein Essstäbchen durch mein auf dem Kopf zusammengebundenes Haar. Innen ist es immer noch feucht, deshalb wird es sich später in einen gigantischen Wischmop verwandeln, aber dagegen kann ich nichts tun. Sicherheitshalber pflücke ich noch einen Seidenschal vom meinem Bettpfosten, ehe ich die Treppe hinunterstürze. Für den Fall, dass ich sie mir später nach hinten binden muss. Eine Baseballkappe wäre jetzt prima - oder noch besser eine dieser Skimasken, die das ganze Gesicht bedecken. Blöder Frühling. Dann hätte ich das Haar- und Allergieproblem auf einen Schlag gelöst.
»Dzien dobry.« Babci begrüßt mich zwar auf Polnisch, wendet den Blick aber nicht von der The Today Show ab, während ich an ihr vorbei in die Küche sprinte.
»Morgen«, antworte ich ihr auf Englisch, den Mund voll mit dem Toast, den sie für mich auf die Frühstückstheke gestellt hat. Was Frühstück angeht, ist Babci unerbittlich, und es ist einfacher nachzugeben, als mit ihr zu streiten.
»Ich habe nach der Schule noch Schwimmtraining und Lerngruppe, aber um sieben müsste ich wieder zu Hause sein.«
Ich greife nach der Papiertüte von Walgreens. »Hier sind deine Antibiotika. Der Arzt hat gesagt, dass du sie diese Woche zweimal täglich nehmen sollst, und danach wieder einmal täglich zum Mittagessen. Versprich mir, dass du daran denkst, sie zu nehmen.«
Babci schnauft nur, völlig absorbiert von Matt Lauer, der ein Mädchen interviewt, das in Montana einem Bärenangriff entkommen ist. Ich stelle mich vor den Fernseher und schwenke die Papiertüte. »Ten. Wy bedziecie brac to, tak?« Hier. Du nimmst deine Tabletten, okay? Dieses Mal versuch ich's auf Polnisch. Wenn ich ihre Aufmerksamkeit will, ist das der einzige Weg.
Sie greift nach der Tüte. »Dziekuje.« Danke. Streng genommen keine Bestätigung.
»Babci, jetzt mal im Ernst. Der Arzt hat gesagt, dass sich der Schnitt an deinem Arm entzündet hat, und du willst doch nicht, dass es noch schlimmer wird? Du musst diese Tabletten nehmen, in Ordnung?« Aus irgendeinem Grund verwandelt sich mindestens die Hälfte dessen, was ich zu ihr sage, am Satzende in eine Frage. Die Genervtheit in meiner Stimme ist trotzdem nicht zu überhören.
»Ich weiß. Mach dir keine Sorgen. Du klingst schrecklich. Bist du sicher, dass du heute Nachmittag zum Schwimmtraining gehen solltest?« Das V zwischen ihren Augenbrauen wird tiefer, während sie mich prüfend mustert.
Ich habe ihr letzte Woche dabei geholfen, sich das Haar zu färben. Jetzt hat es fast genau denselben Rotton wie meins, und ihre Falten fallen viel mehr auf, als wenn sie es einfach grau werden ließe.
»Nur eine kleine Erkältung. Mir geht's gut.«
Das ist zwar keine Antwort, aber sie hakt nicht weiter nach. »Möchtest du Hackbraten zum Abendessen? Dein Vater hat gesagt, dass er heute früher nach Hause kommt. Offenbar gibt es Neuigkeiten.«
»Was für Neuigkeiten?«
Babci zuckte mit den Achseln. »Ich hab nicht gefragt. Aber wenn er heute früher zu Hause ist, gibt's was Ordentliches zum Abendessen.«
»Solange ich keine Rote Bete essen muss, ist mir alles recht, okay?« Ich schneide eine Grimasse, und meine Großmutter sieht mich böse an.
Meine Abneigung gegen Rote Bete ist schon lange ein Streitpunkt zwischen mir und meiner polnischen Großmutter, die Rote Bete praktisch als eigene Nahrungsmittelgruppe betrachtet. Ich ertrage sie nur roh und geraspelt im Salat, und so was kommt in Queens, wo...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.