Schweitzer Fachinformationen
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»Remy?«
Sie drehte sich um und strich sich mit dem Rücken ihrer in einem Gummihandschuh steckenden Hand eine Haarsträhne aus der Stirn. »Hallo. Ich habe dich nicht so früh erwartet.«
Pinkie Duvall stolzierte den Mittelgang des Treibhauses entlang, schloß sie in die Arme und küßte sie nachdrücklich. »Ich habe gewonnen.«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Das habe ich mir gedacht.«
»Wieder ein Freispruch.«
»Glückwunsch.«
»Danke, aber diesmal war es kaum eine Herausforderung.« Ein breites Grinsen zeigte, daß seine Bescheidenheit nur gespielt war.
»Für einen weniger brillanten Anwalt wäre es eine gewesen.«
Sein Grinsen wurde noch breiter, denn er freute sich über ihr Lob. »Ich fahre ins Büro, um ein paar Anrufe zu erledigen, aber wenn ich zurückkomme, bringe ich die ganze Gesellschaft mit. Roman hat dafür gesorgt, daß alles in Bereitschaft ist. Als ich reingekommen bin, sind schon die ersten Lieferwagen vom Partyservice vorgefahren.«
Ihr Butler Roman und das gesamte Hauspersonal hatten sich seit Prozeßbeginn in Alarmbereitschaft befunden. Die Partys, die Pinkie zur Feier seiner Siege gab, waren so berühmtberüchtigt wie der protzige Brillantring, den er am kleinen Finger der rechten Hand trug und dem er seinen Spitznamen »Pinkie« verdankte.
Seine Siegesfeiern nach einem Prozeß wurden so begierig erwartet wie die Verfahren selbst und von den Medien ausführlich geschildert. Remy hatte den Verdacht, daß manche Geschworenen nur deshalb für einen Freispruch stimmten, um endlich auch einmal eine von Pinkie Duvalls berühmten Feten miterleben zu können.
»Kann ich bei den Vorbereitungen irgendwie helfen?« Natürlich gab es für Remy nichts zu tun, was sie schon im voraus wußte.
»Du brauchst nur zu kommen und so wunderbar wie immer auszusehen«, erklärte er ihr, ließ seine Hände über ihren Rücken gleiten und küßte sie nochmals. Dann ließ er sie los und wischte ihr ein paar Krümel Erde von der Stirn. »Was machst du überhaupt hier? Du weißt doch, daß ich hier drinnen nicht allzuviel Betrieb haben will.«
»Hier war auch kein Betrieb. Ich bin allein hergekommen. Ich habe einen Farn aus dem Haus rübergebracht, weil er nicht gesund aussieht und wahrscheinlich ein bißchen Dünger braucht. Keine Angst, ich habe deine Pflanzen nicht angefaßt.«
Das Treibhaus war Pinkies Reich. Die Orchideenzucht war sein Hobby, aber er nahm es sehr ernst und achtete im Treibhaus ebenso auf Ordnung und Präzision wie in seiner Anwaltskanzlei und allen übrigen Lebensbereichen.
Jetzt nahm er sich einen Augenblick Zeit, um die Reihen der von ihm gezogenen Pflanzen stolz zu betrachten. Nur wenige seiner Freunde und noch weniger seiner Feinde wußten, daß Pinkie Duvall mit Leidenschaft Orchideen züchtete und ein Experte auf diesem Gebiet war.
Extreme Maßnahmen stellten sicher, daß im Treibhaus immer ideale Kulturbedingungen herrschten. Es gab dort sogar einen eigenen Raum für die Meß- und Steuergeräte, die das empfindliche Treibhausklima regelten. Pinkie hatte sich gründlich mit der Orchideenzucht beschäftigt und nahm alle drei Jahre am internationalen Orchideenkongreß teil. Er wußte genau, bei welcher Beleuchtung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur jede einzelne Orchideenart am besten gedieh. Ob Cattleyen, Laelien, Cymbidien oder Oncidien - Pinkie pflegte und hegte sie wie eine Krankenschwester eine Frühgeburt und bot allen den Nährboden, die Belüftung und die Feuchtigkeit, die sie brauchten. Als Gegenleistung erwartete er, daß seine Pflanzen beispielhaft und außergewöhnlich gediehen.
Ganz als wollten sie ihren Gebieter nicht enttäuschen, taten sie das auch.
Im allgemeinen. Aber jetzt runzelte er die Stirn, während er auf eine Gruppe von Pflanzen mit der Bezeichnung Oncidium varicosum zutrat. Ihre Rispen waren dicht mit Blüten besetzt - aber nicht so üppig wie die ihrer Nachbarn. »Diese blöden Dinger habe ich wochenlang aufgepäppelt. Was ist mit ihnen los? Das ist eine verdammt schlechte Leistung.«
»Vielleicht hatten sie noch nicht genug Zeit, sich wirklich .«
»Sie hatten reichlich Zeit.«
»Manchmal dauert's einfach etwas länger, bis .«
»Es sind minderwertige Pflanzen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.« Pinkie griff gelassen nach einem der Töpfe und ließ ihn zu Boden fallen. Er zerschellte beim Aufprall auf die Bodenfliesen, und ein Häufchen aus Tonscherben, Orchideensubstrat und geknickten Blütenrispen blieb zurück. Wenig später folgte der nächste Topf.
»Nein, Pinkie, nicht!« Remy kauerte sich nieder und barg eine der zarten Pflanzen zwischen ihren Händen.
»Laß sie liegen«, sagte er gleichmütig, indem er bereits den nächsten Topf zerschellen ließ. Er verschonte keinen einzigen. Wenig später lag die ganze Gruppe in Trümmern auf den Fliesen. Er trat auf einen der Rispen und zermalmte die Blüten unter seinem Absatz. »Sie haben das Gesamtbild des Treibhauses ruiniert.«
Remy war über diese Vergeudung empört und fing an, die Pflanzen einzusammeln, aber Pinkie sagte: »Gib dich nicht damit ab. Ich schicke einen der Gärtner her, damit er saubermacht.«
Bevor er ging, hatte sie ihm versprochen, gleich hineinzugehen und sich für die Party umzuziehen, aber sie verließ das Treibhaus nicht sofort, sondern kehrte die zertrümmerten Orchideentöpfe selbst auf. Sie achtete darauf, alle von ihr benützten Gegenstände wegzuräumen und das Treibhaus mustergültig aufgeräumt zurückzulassen.
Der mit Natursteinplatten belegte Weg zum Haus schlängelte sich über den Rasen. Alte, moosbewachsene Eichen beugten sich über sorgfältig gepflegte Blumenbeete. Die Bäume hatten schon hier gestanden, lange bevor das Haus im neunzehnten Jahrhundert erbaut worden war.
Remy betrat es durch einen der Hintereingänge und benützte die rückwärtige Treppe, um nicht an Küche, Anrichteraum und Speisezimmer vorbeigehen zu müssen. Aus dem Speisezimmer war die scharfe Stimme der Chefin eines Partyservices zu hören, die ihrem halben Dutzend Mitarbeitern knappe Anweisungen erteilte. Bis Pinkie und seine Gäste eintrafen, wäre alles fertig und die Versorgung mit Speisen und Getränken würde reibungslos funktionieren.
Remy wußte, daß sie kaum Zeit genug hatte, sich für die Party umzuziehen, aber inzwischen waren schon Vorbereitungen getroffen worden, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Ein Dienstmädchen hatte ihr bereits ihr Bad eingelassen und wartete auf weitere Anweisungen. Sie besprachen gemeinsam, was Remy tragen würde, und nachdem alles herausgelegt war, ließ das Dienstmädchen sie allein, damit sie baden konnte, was sie rasch tat, weil sie wußte, daß sie für Frisur und Make-up einige Zeit brauchen würde. Pinkie erwartete, daß sie bei seinen Partys immer besonders hübsch aussah.
Als sie fünfzig Minuten später an ihrem Toilettentisch saß und noch etwas Rouge auflegte, hörte sie jemanden ins Schlafzimmer kommen. »Bist du's, Pinkie?«
»Ein anderer hat hier ja hoffentlich nichts zu suchen!«
Sie stand auf, ging aus dem Ankleideraum ins Schlafzimmer hinüber und nickte dankend, als er einen anerkennenden Pfiff ausstieß. »Möchtest du einen Drink?«
»Bitte.« Er begann sich auszuziehen.
Bis sie ihm einen Scotch eingeschenkt hatte, war er schon ganz ausgekleidet. Auch mit fünfundfünfzig war Pinkie noch beeindruckend fit. Er stählte seinen Körper durch tägliches Krafttraining und leistete sich einen eigenen Masseur. Er war stolz darauf, sich seine Schlankheit bewahrt zu haben - trotz seiner Vorliebe für große Weine und die exquisite einheimische Küche mit ihren berühmten Desserts wie Brotpudding mit Whiskeysauce und Sahnepralinen mit Pecannußfüllung.
Er küßte Remy auf die Wange, griff nach dem Highballglas, das sie ihm hinhielt, und nahm einen kleinen Schluck von dem teuren Scotch. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht - du hast dich ja gewaltig zurückgehalten. Du hast es nicht erwähnt, obwohl ich weiß, daß du's gesehen hast.«
»Ich fand, du sollst entscheiden, wann du's mir geben willst«, sagte sie zurückhaltend. »Woher hätte ich außerdem wissen sollen, daß es für mich ist?«
Er lachte halblaut, als er ihr die als Geschenk verpackte flache Schachtel gab.
»Aus welchem Anlaß?«
»Ich brauche keinen Anlaß, um meiner schönen Frau ein Geschenk zu machen.«
Sie knüpfte das schwarze Satinband auf und zog das Goldpapier vorsichtig ab. Pinkie lachte wieder halblaut.
»Warum lachst du?« fragte sie.
»Die meisten Frauen reißen Geschenkpapier mit unverhohlener Gier auf.«
»Ich genieße ein Geschenk lieber.«
Er streichelte ihre Wange. »Weil du als kleines Mädchen nicht viele bekommen hast.«
»Bis ich dich kennengelernt habe.«
Unter dem Goldpapier kam ein mit schwarzem Samt bezogenes Etui zum Vorschein, in dem auf weißem Satin eine Platinkette lag, an der ein mit länglichen Diamanten eingefaßter Aquamarin im Smaragdschnitt hing.
»Ein wundervolles Stück«, flüsterte Remy.
»Es ist mir aufgefallen, weil dieser Stein genau die Farbe deiner Augen hat.« Pinkie stellte sein Glas auf den Nachttisch, nahm das Kollier aus dem Etui und drehte sich um. »Auf die kannst du einen Abend lang verzichten, glaube ich«, sagte er, indem er ihr die Goldkette mit dem Kreuz abnahm, die sie sonst immer trug. Er ersetzte sie durch das neue Kollier und schob Remy dann auf einen Standspiegel aus dem achtzehnten Jahrhundert zu, der einst das Prunkstück im Pariser Boudoir einer dem Untergang geweihten französischen Adeligen gewesen war.
Über ihre Schulter hinweg musterte er kritisch ihr Spiegelbild....
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