Schweitzer Fachinformationen
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Prolog
Er war bereits aus dem Geländewagen gesprungen, noch während die dichte Staubwolke um die Reifen aufstieg.
Die rotierenden Lichter des Krankenwagens, dessen Türen sperrangelweit geöffnet waren, flackerten über das nahegelegene Wäldchen. Vermutlich waren die Rettungssanitäter bereits im Haus.
Der Kies knirschte unter seinen Stiefeln, als er mit drei großen Schritten den Weg zur Veranda überwand. Er betrat eine großzügige Diele und ließ den Blick durchs Wohnzimmer zu seiner Linken schweifen. Leer. Alles wirkte auf den ersten Blick normal. Zwei leere Weingläser standen auf dem Couchtisch vor einem Hussensofa. Eines davon trug Lippenstiftspuren.
Das Sofa stand vor einem gemauerten Kamin mit einem Farn darin - offenbar war er während der heißen Sommermonate ins Haus geholt worden. Daneben ein Schaukelstuhl mit einer geflochtenen Sitzfläche. Auf der Armlehne des üppig gepolsterten Lehnsessels lag ein zusammengelegter Patchworkquilt. Bücher und Zeitschriften stapelten sich auf Tischen und in den Regalen.
Der Raum verströmte Behaglichkeit und Wärme.
Er brauchte nur wenige Sekunden, um die Einzelheiten zu registrieren. Hinter dem Wohnzimmer befand sich vor einem großen Panoramafenster der Essbereich, doch er betrat ihn nicht, da in diesem Moment Stimmen aus dem oberen Stockwerk drangen. Sein Blick richtete sich auf die über die gesamte Breite des Hauses verlaufende Galerie. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe hinauf und umrundete den Absatz, sorgsam darauf bedacht, den Geländerpfosten nicht zu berühren.
Er betrat die Galerie, ging einen kurzen Flur entlang und blieb vor einer geöffneten Zimmertür stehen. Auch hier genügte ein kurzer Blick: zueinanderpassende Nachttischlampen zu beiden Seiten eines ungemachten schmalen Doppelbetts, deren Lichtkegel die pfirsichfarben gestrichene Wand erhellten. Drei große Fenster. Durch die Schlitze in den Fensterläden war das Rotieren der Lichter des Krankenwagens zu erkennen.
Die Rettungssanitäter knieten neben einer Gestalt, den behaarten Beinen und den nackten Füßen nach ein Mann. Mehr konnte Nyland nicht erkennen, abgesehen von dem blutgetränkten Teppich unter ihm.
Einer der Sanitäter warf einen Blick über die Schulter und nickte knapp. »Hey, Ski. Wir haben schon auf Sie gewartet.«
Ski betrat den Raum. »Wie sieht's aus?«
»Ziemlich üble Schussverletzung im linken Unterbauch.«
»Kommt er durch?«
»Wissen wir noch nicht.«
Erst jetzt bemerkte Ski, dass es sich bei dem zweiten Sanitäter um eine Frau handelte.
»Aber er war die ganze Zeit bei Bewusstsein, bis wir gekommen sind, hat die Frau gesagt. Das ist schon mal ein gutes Zeichen«, fügte sie hinzu.
»Die Frau?«
Der erste Sanitäter nickte in Richtung des Raums hinter der Tür, die sie im Moment blockierten. »Sie hat uns gerufen.«
»Name?«
»Ihrer? Hm .« Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Infusionsbehälter und korrigierte seinen Sitz. Offenbar konnte er sich nicht daran erinnern.
»King«, sagte die Sanitäterin.
»Caroline King? Die Immobilienmaklerin?«, fragte Ski verblüfft. »Das ist ihr Haus?«
Die Sanitäterin zuckte mit den Schultern. »So steht's zumindest in der Datenbank.«
»Und wer ist der Mann, der angeschossen wurde?«
»Die Frau meinte, er heißt Ben Lofland.«
»Ist außer den beiden noch jemand im Haus?«
»Sieht nicht so aus. Die Haustür stand offen, als wir kamen. Wir haben sie schreien gehört und sind gleich nach oben gelaufen. Er lag hier, und sie kniete neben ihm, hielt seinen Kopf fest und weinte. Sonst haben wir niemanden gesehen. Die Frau ist ganz schön fertig. Das Ganze ist ihr ziemlich an die Nieren gegangen.«
»Hat sie auf ihn geschossen?«
»Das werden Sie schon selber herausfinden müssen. Ist doch Ihr Job, oder?«, gab die Sanitäterin zurück.
Allem Anschein nach war das Opfer inzwischen stabil genug, um auf die Rolltrage verfrachtet zu werden, die sie mit nach oben gebracht hatten. Was Ski Gelegenheit gab, einen Blick auf den Mann zu werfen. Er war Mitte dreißig, hatte ein ebenmäßiges Gesicht und wirkte ziemlich durchtrainiert; Läufer oder Tennisspieler, vermutete Ski. Kein Bart und weder erkennbare Tattoos noch sonstige besondere Merkmale.
Er trug lediglich graue Jerseyunterhosen, die auf der linken Seite zerschnitten worden waren. Ein Verband bedeckte die Schusswunde. Die Sanitäterin breitete eine Decke über ihn. Der Mann war noch immer bewusstlos, stöhnte jedoch, als sie die Gurte festzurrten.
Schritte ertönten auf der Treppe. Ski drehte sich um, als ein weiterer Deputy ins Zimmer gestürmt kam und abrupt stehen blieb. »Ich bin so schnell hergekommen, wie ich konnte«, stieß er atemlos hervor, während er erschrocken an Ski vorbei auf den dunklen Blutfleck auf dem Teppich spähte und dann das Opfer auf der Rolltrage anstarrte.
Er war gute zehn Jahre jünger als Ski, fast dreißig Zentimeter kleiner und hatte einen leichten Bauchansatz. Seine Apfelbäckchen waren gerötet, und er war außer Atem - vor Aufregung oder vom kurzen Sprint die Treppe herauf. Ein Grünschnabel. Dies war sein erstes Opfer mit einer Schussverletzung. Für ihn war das Ganze eine ganz große Sache.
»Helfen Sie denen mal, Andy. Könnte schwierig werden, die Trage um die Ecke zu manövrieren. Und fassen Sie bloß nichts an, solange Sie keine Handschuhe anhaben«, sagte Ski.
»Mach ich.«
»Hal hilft uns, das Haus zu sichern. Er ist schon unterwegs.«
»Wird wohl noch eine ganze Weile dauern.«
»Und bis dahin«, erklärte Ski streng, »werden Sie dafür sorgen, dass hier keiner reinkommt. Auch keiner von unseren Leuten. Ich verlasse mich auf Sie. Klar?«
»Klar.« Der Deputy zog seinen Pistolengürtel hoch, der ihm halb über die Hüfte gerutscht war, und begleitete die Sanitäter nach unten.
Ski trat durch die geöffnete Tür, in deren Rahmen das Opfer gelegen hatte, und spähte ins Badezimmer.
Eine junge Frau saß auf dem Wannenrand. Sie hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Hände vors Gesicht geschlagen und wiegte sich rhythmisch vor und zurück. Er blickte auf ihren Kopf hinab. Ihr Haar war in der Mitte gescheitelt. Kastanienbraun, vermutete er, wollte es aber lieber nicht beschwören, da es nass war. Es hing ihr wie ein schwerer Vorhang zu beiden Seiten des Gesichts herab.
Sie trug einen dünnen Baumwollbademantel, den Gürtel nachlässig in der Taille gebunden. Die weiten Ärmel waren ein Stück nach hinten gerutscht und gaben den Blick auf ihre schlanken, mit blassen Sommersprossen bedeckten Arme frei. Der Stoff hatte sich über ihren Knien geteilt, sodass ihre nackten Beine zum Vorschein kamen. Ihre Zehen krallten sich in den flauschigen Duschvorleger.
Diese Frau war nicht Caroline King.
Die Badewanne war noch nass. Der Duschvorhang hing auf einer Seite, wo die Metallringe von der Stange gerissen waren, schlaff herunter. Eine Shampooflasche mit offenem Deckel stand auf dem Wannenrand.
Wahrscheinlich war sie beim Duschen gestört worden. Das würde die feuchten Stellen auf ihrem Bademantel erklären.
Direkt neben ihr lag ein .38er-Revolver, ein billiges Ding, wie man es an jeder Ecke bekam. Die Waffe stand in krassem Gegensatz zum unschuldigen Anblick ihrer nackten rosigen Zehen. Sie war durch die Toilette verdeckt, deshalb hatten die Sanitäter sie offenbar nicht bemerkt. Absicht?, fragte sich Ski.
Er zog ein Paar Latexhandschuhe aus der Tasche seiner Jeans und streifte den rechten über, ehe er sich behutsam vorbeugte und den Finger durch den Abzugsbügel schob. Er richtete sich wieder auf und drückte mit dem Daumen den Hahn nach vorn, worauf die Trommel heraussprang. In jeder der sechs Kammern steckte eine Patrone. Er roch am Lauf. Die Waffe war seit Längerem nicht mehr abgefeuert worden.
Als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass jemand neben ihr stand, ließ die Frau die Hände sinken und sah zu Ski hoch. Trotzdem schien sie ihn nur vage wahrzunehmen. Ihre hellbraunen Augen waren vom Weinen gerötet. Sie war kreidebleich, ihre Lippen beinahe farblos.
Die Frau schluckte vernehmlich. »Geht es ihm gut?«
»Das würde ich nicht gerade sagen.«
Ein Wimmern drang über ihre Lippen, während sie an Ski vorbei auf den Blutfleck hinter der Tür blickte. »O Gott.« Sie presste sich die zitternden Finger auf die Lippen. »Ich kann nicht glauben, dass das passiert ist.«
»Was ist denn passiert?«
»Er muss wieder gesund werden. Ich sollte bei ihm sein. Ich muss gehen.«
Sie wollte aufstehen, doch Ski legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie auf den Wannenrand zurück. »Nicht jetzt.«
Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, sah sie ihm ins Gesicht. »Sind Sie . Wer sind Sie?«
Er zog das Ledermäppchen von seinem Gürtel, klappte es auf und hielt ihr seine Marke vor die Nase. »Deputy Ski Nyland, Büro des Sheriffs von Merritt County.«
»Verstehe.« Doch Ski sah ihr an, dass sie überhaupt nichts verstand. Sie nahm noch nicht einmal seine Dienstmarke richtig zur Kenntnis. Ein flehender Ausdruck lag in ihren tränenfeuchten Augen. »Bitte sagen Sie mir, dass er wieder in Ordnung kommt.«
»Wie heißen Sie?«
Sie schien erst über die Frage nachdenken zu müssen. Dann schob sie sich das feuchte Haar hinter die Ohren und antwortete mit...
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