Schweitzer Fachinformationen
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Jetzt
Ich weiß, es ist ein total peinliches Klischee, in seinen Chef verliebt zu sein, aber ich kann einfach nichts dagegen tun. Seit ich ihn während meines Praktikums vor fünf Jahren mit meinen jungen, leicht zu beglückenden Augen das erste Mal erblickte, bin ich ihm verfallen, und daran hat sich in der Zwischenzeit nicht ein Jota geändert. Allerdings muss ich sagen, dass er selbst schuld ist - was muss er auch so unglaublich schnuckelig, so atemberaubend genial und, tja, so ganz und gar perfekt sein?
»Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigt sich Tom und mustert besorgt mein gerötetes Gesicht, während das Objekt meiner Sehnsüchte an uns vorbei in den Besprechungsraum marschiert. Heute trägt er ein hellblaues Hemd und sieht einfach sagenhaft sexy aus.
»Mir geht's prima«, versichere ich ihm und fächele mir wie zur Bestätigung kühlende Luft ins Gesicht. »Es ist nur echt heiß hier. Zu viele Computer, die gleichzeitig laufen.«
»Na, wenn du meinst.« Achselzuckend wendet sich Tom wieder seinem Bildschirm zu.
»So schlimm sehe ich doch gar nicht aus, oder?«, murmele ich, und er betrachtet mich.
»Rot wie ein Radieschen«, stellt er fest. »Bloß mit mehr Haaren.«
Gelegentlich zieht Tom mich auf, um sich zwischen dem Kaffee um drei Uhr nachmittags und dem Sechs-Uhr-Bier nach der Arbeit die Zeit zu vertreiben. Ich sollte also nicht überrascht sein, denn ich zahle es ihm ja stets mit gleicher Münze heim. Allerdings mag ich mir gar nicht vorstellen, wie er mich piesacken würde, wenn er von der peinlichen Verliebtheit wüsste. Und sie ist tatsächlich ein bisschen peinlich, außer meinem Spiegelbild würde ich nie jemandem davon erzählen. Ja, auch das noch, ich rede vor dem Spiegel mit mir selbst. Hannah Hodges: eine wandelnde Katastrophe.
»Haben wir auf Twitter eigentlich schon irgendwelche Reaktionen zu Mojácar?« Entschlossen bringe ich das Gespräch wieder auf die Arbeit.
Tom macht ein paar Mausklicks und schnaubt verächtlich. »Bloß von Leuten, die glauben, ich würde eigentlich von >Mallorca< reden.«
»O Mann, solche Banausen!«, knurre ich und verdrehe die Augen, als ich die höhnischen Tweets auf seinem Bildschirm lese. Insgeheim bin ich allerdings ziemlich begeistert, denn ich habe Theo meine Idee zu dem Dokumentarfilm teilweise damit verkauft, dass über die kleine spanische Stadt Mojácar nur wenig bekannt ist. Diese Tweets beweisen, wie recht ich habe.
Theo hatte gestrahlt wie ein Kaufhausweihnachtsbaum, als ich von meinen Aufenthalten dort in meiner Teenagerzeit erzählte, und nachdem ich meinen Laptop zu ihm umgedreht hatte, weiteten sich seine schönen braunen Augen beim Anblick der Bilder von kleinen weißen Häusern, die wie Bauklötze einen Hügel bedeckten, von wuchernden Bougainvilleen und einem breiten Sandstrand. Bei meiner Erklärung, warum die Stadt sich so gut für den Auftrag, an dem wir gerade arbeiteten, eignen würde, klatschte er sogar vor Freude in die Hände. Das war auf jeden Fall einer der besten Tage meines bisherigen Berufslebens (na gut, auch meines Privatlebens), seitdem lasse ich diese Momente mindestens zwölfmal täglich genüsslich vor meinem inneren Auge ablaufen. Offenbar bin ich doch nicht so schlecht bei Präsentationen, obwohl ich im Vorfeld vor Panik fast gestorben bin.
»Glaubst du wirklich, dass wir das alles noch rechtzeitig vor Drehbeginn hinkriegen?«, fragt mich Tom jetzt. Mein bester Freund macht sich Sorgen über alles und jedes. Manchmal wünschte ich mir, er wäre kämpferischer, draufgängerischer, doch er hat immer nur Bedenken.
Mit künstlich empörter Miene drehe ich mich zu ihm um. »Natürlich schaffen wir das. Theo hat mir den Auftrag erteilt, alles über den Drehort und die Geschichte von Mojácar herauszufinden. Vertrau mir, ich werde ihn . ich meine, die Firma nicht enttäuschen. Dieser Film wird alles haben: Schönheit, Magie und einen ungewöhnlichen Schauplatz.«
»Magie?« Tom runzelt die Stirn. »Schon wieder dieses Höhlengemälde?«
»Oh, das ist nicht alles«, erwidere ich und schaue instinktiv hinab auf das kleine eintätowierte Symbol auf der Innenseite meines linken Handgelenks. Im Lauf der Jahre ist die schwarze Tinte zu einem schmutzigen Blau verblasst, aber es entlockt mir immer noch ein nostalgisches Lächeln. Mein Indalo-Mann mit seinem einfach gezeichneten Strichmännchen-Körper und den ausgebreiteten Armen. Sobald Theo uns im Konferenzraum zusammengerufen und berichtet hatte, wir hätten den Auftrag für eine Dokumentarreihe über moderne Traditionen und Mythen bekommen, wusste ich, welcher Ort perfekt dazu passen würde - und ich hatte recht behalten. Kurz danach war die Finanzierung genehmigt worden, und jetzt mussten wir ernsthaft loslegen, um den Termin halten zu können.
Vorsorglich fahre ich mit dem Daumen über meinen Indalo-Mann. »Ich glaube an ihn«, gestehe ich.
Tom wirft einen Blick auf das Tattoo und sieht mich wieder an. Einen Moment lang entdecke ich etwas wie Zuneigung in seinen Augen, aber er blinzelt schnell.
»Du bist wirklich verrückt.« Er lächelt.
»Aber du magst mich doch trotzdem, oder?«
Tom verdreht die Augen und konzentriert sich auf seinen Bildschirm.
Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft man uns schon für ein Paar gehalten hat. Allerdings ist diese Vermutung wohl durchaus naheliegend. Tom und ich haben uns in der ersten Woche an der Uni im Café der Studentenvertretung kennengelernt, seitdem sind wir quasi wie siamesische Zwillinge. Ich kenne alle seine Schwächen und Fehler, er kennt die meinen, und trotzdem mögen wir uns immer noch so gern, als wären wir miteinander verwandt. Tatsächlich betrachte ich Tom in gewisser Weise als meinen Bruder, vielleicht deshalb, weil ich ihn so unendlich viel lieber mag als meine richtige Schwester. Na ja, Halbschwester.
Er sieht mir sogar ähnlicher als sie. Während mein geliebter Theo dunkle Haut, dunkle Haare und breite Schultern hat, ist Tom schlaksig wie ich und hat ebenso lange, blasse Glieder und einen strohfarbenen Schopf wuscheliger Haare auf dem Kopf. Als Vogelscheuchen, die in einem Feld die Krähen verjagen sollen, wären wir beide bestens geeignet - an diese Tatsache erinnere ich ihn bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er etwas tut, was mich ärgert.
»Hannah, hast du mal einen Moment Zeit?«
O Gott, Theo ruft nach mir. Hastig springe ich auf und verspüre einen Kloß im Hals.
»Klar, bin schon unterwegs!«
Diese Antwort quieke ich, als wäre ich eine Art Mischwesen aus Maus und Mensch, was Tom mit Sicherheit bemerkt hat. Na toll.
Theo sitzt in einem der sechs Ledersessel im vollverglasten Besprechungsraum, einen Fuß lässig auf das Knie des anderen Beins gelegt. An seinem Oberschenkel lehnt ein iPad. Was hat dieses Gerät für ein Glück!
Ich hole tief Luft und lasse beim Ausatmen meine lächerliche Unsicherheit ausströmen. »Wie kann ich dir helfen?«
Theo lächelt mich an und deutet auf den Stuhl neben sich. »Setz dich, Hannah.«
Ich setze mich und gebe mir alle Mühe, nicht rot zu werden, als mein bloßes Knie sein Hosenbein streift.
»Wie kommst du mit der Recherche voran?«
»Gut«, zwitschere ich und erzähle ihm von den sarkastischen Twitter-Reaktionen. »Ich glaube, wir dürfen sicher sein, dass Mojácar ein Teil von Spanien ist, den nicht viele Leute kennen.«
»Das ist Musik in meinen Ohren.« Theo grinst. Er ist in Griechenland aufgewachsen und spricht immer noch mit leichtem Akzent. Jedes Mal, wenn ich ihn reden höre, verwandelt sich mein Inneres in eine Art Kartoffelbrei - und ich kann absolut nichts dagegen tun.
»Ich bin mir sicher, es wird dir dort sehr gut gefallen.« Nervös lege ich die Fußknöchel übereinander und löse sie wieder. »Wann willst du denn fahren?«
»Genau darüber wollte ich mit dir reden.« Theo lächelt erneut, und ich umklammere die Armlehnen meines Sessels. »Darum habe ich dich hergebeten. Hättest du Lust, mitzukommen?«
»Ich?« Jetzt hat das Maus-Mensch-Wesen erneut meinen Körper übernommen.
»Ja. Du und ich, und natürlich Claudette und Tom.«
»Wir alle?« Allmählich höre ich mich wie eine Idiotin an.
Theo sieht mich prüfend an, aber er lacht gutmütig. »Du hast die Idee präsentiert und warst auch schon in Mojácar, also musst du mitkommen«, erläutert er und klatscht in die Hände, wie um sein Argument zu unterstreichen.
Ich bin drauf und dran, mich zu zwicken, ob ich vielleicht träume. Ich arbeite seit gut fünf Jahren als Rechercheurin für Vivid Productions in London, und in der ganzen Zeit war ich nicht ein einziges Mal bei einem Auslandsdreh dabei. Ich bin weder ein geschickter Kameramann wie Tom noch eine angesagte Moderatorin mit französischem Akzent wie Claudette, sondern lediglich eine Rechercheurin, die in der Regel vom Büro aus arbeitet. Meine Stärke ist es, Hinweisen nachzugehen, Interviews zu organisieren und aus den tiefsten und dunkelsten Kellern von Fernsehsendern in aller Welt vergessenes Archivmaterial aufzustöbern. Aber das? Das ist etwas völlig Neues für mich - und ich habe darauf gehofft, solange ich zurückdenken kann.
»Aufbruch ist in zwei Wochen«, fährt Theo fort und wischt mit einem langen gebräunten Finger über sein iPad. »Passt das für dich?«
»Ja, natürlich.« Nur mit äußerstem Kraftaufwand kann ich mich daran hindern, ihn zu umarmen.
»Du wirst dort meine rechte Hand sein, also wird nicht viel Zeit bleiben zum Sonnenbaden und Sangriatrinken«, warnt er noch. »Dieses Projekt hat einen sehr engen Zeitrahmen, daher schneide ich das Material selbst, noch während wir dort sind. Ich brauche dich, damit du auf die Anschlüsse achtest und die nötigen Interviews...
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