Schweitzer Fachinformationen
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Private Haushalte sind die kleinste ökonomische Einheit einer Volkswirtschaft. Neben Staat und Unternehmen sind sie die dritte Instanz zur Sicherung der Daseinsvorsorge einer Gesellschaft. Während unter den Bereich der öffentlichen (oder: staatlichen) Daseinsvorsorge vorrangig Leistungen der Infrastruktur zur Herstellung eines grundlegenden Lebensstandards für die Bevölkerung, etwa durch Energie- oder Wasserversorgung, Verkehrswesen, Kommunikationsdienstleistungen oder Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesen gefasst werden,9 hat die private Daseinsvorsorge in Haushalten die Befriedigung der Grundbedürfnisse seiner Mitglieder nach u. a. Essen, Schlaf, Wohnraum oder Hygiene zum Ziel. Die Sicherstellung der privaten Daseinsvorsorge ist daher Daseinsberechtigung jedes Haushaltes und Ziel aller haushälterischen Tätigkeiten (vgl. von Schweitzer 1983, 1991; Neu 2009). Lehren vom richtigen und guten Haushalten, im Sinne eines ökonomischen, sparsamen Umgangs mit den vorhandenen Ressourcen für die Daseinsvorsorge finden sich bereits seit der Antike in der Literatur wieder. Der private Haushalt selbst hingegen rückt erst im 20. Jahrhundert in den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fokus. Egner definiert den privaten Haushalt ,,als die Einheit der auf Sicherung der gemeinsamen Bedarfsdeckung einer Menschengruppe im Rahmen eines sozialen Gebildes gerichteten Verfügungen" (Egner 1976: 34). Er grenzt sich damit von früheren Definitionen ab, die allein die (haus)wirtschaftlichen Handlungen fokussierten (vgl. Egner 1976; von Schweitzer 1991; Richarz 2001).10 Auch nach der heute gültigen, amtlichen Definition von Privathaushalten gilt als Haushalt ,,jede zusammenwohnende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft (Mehrpersonenhaushalte) sowie Personen, die allein wohnen und wirtschaften (Ein-Personen-Haushalte, zum Beispiel auch Einzeluntermieter)" (Destatis 2018: 24). Personengemeinschaft und wirtschaftliche Aktivität werden damit um die räumliche Dimension des gemeinsamen Wohnens ergänzt.11
In der systemischen Betrachtung von privaten Haushalten nach von Schweitzer bildet die Wohnung (samt ggf. vorhandenem Außenbereich, wie Balkon oder Garten) die räumliche Grenze des Haushaltes und bildet zugleich den Handlungsspielraum für die Haushaltsführung (durch Art der Nutzung, Optionen des Umbaus etc.) ab. Als System lässt sich der Haushalt zudem anhand seiner Haushaltsmitglieder, deren verfügbarer Arbeitskraft, ebenso wie Verantwortung und Verfügungsgewalt über Einkommenserzielung und -verwendung, sowie anhand der hauswirtschaftlichen Arbeits- und Funktionsbereiche abgrenzen. Die Bedeutsamkeit der sozialen Systembestandteile, der Haushaltsmitglieder, verdeutlicht von Schweitzer zudem über die Abbildung der personellen Gefüge im sog. Familiensystem, welches das Haushaltssystem ergänzt.12 Die Schnittmenge beider Systeme stellen die jeweiligen Subsysteme Sachbezugssystem der Familie und Personalsystem des Haushaltes dar (siehe Abbildung 1). Haushalte sind zudem auf verschiedenen Ebenen in ein Umfeld eingebettet, angefangen bei der Mikroebene mit ,,Wohnung und Schwellenbereich" (Grundstück, Garten etc.), der Mesoebene von ,,Nahbereich und Infrastruktur" (hiermit sind Einrichtungen für Einkauf, Bildung oder Freizeit, ebenso wie die jeweiligen Arbeitsplätze gemeint), sowie der Makroebene von "Geschichte und Kultur" (u. a. Gesetze, Werte, Leitbilder, Medien) des Staates (vgl. von Schweitzer 1983, 1991).
Abbildung 1: Das Familien- und Haushaltssystem nach von Schweitzer
Quelle: Eigene Darstellung nach von Schweitzer 1991: 142
Je nach Anteil der eigens verrichteten hauswirtschaftlichen Aktivitäten, der "Versorgungs-, Pflege- und Erziehungsleistungen" (von Schweitzer 1991: 135), sowie im Umkehrschluss je nach Anteil der über den Markt beschafften Güter oder Dienstleistungen, lassen sich unterschiedliche Haushaltsstrukturtypen differenzieren: Selbstversorger-, Dienstleistungs- und Vergabehaushalt. Die meisten heutigen Haushalte industriell geprägter Gesellschaften stellen Formen eines Dienstleistungshaushaltes dar, in dem ein nicht unwesentlicher Teil an Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (bspw. Lebensmittel, Kleidung, Versicherungen) eingekauft wird (vgl. von Schweitzer 1983, 1991). Zum Zwecke der Daseinsvorsorge sind Privathaushalte zudem in ein Verbundsystem eingebettet, in dem sie durch andere private Haushalte, bedarfswirtschaftliche, personale Versorgungsbetriebe (etwa Heime), erwerbswirtschaftliche Betriebe (etwa Caterer, Wäschereidienste, Haushaltsservice) sowie verschiedenste Institutionen und Organisationen ergänzt werden (vgl. von Schweitzer 1991; Bottler 1997).
Aus soziologischer Perspektive handelt es sich bei privaten Haushalten auf einer Makroebene zunächst um ein deskriptives Merkmal für statistische Untersuchungen und Auswertungen sozialer Phänomene, während auf der Ebene einer Mikrosoziologie allen voran Kaufmann den Haushalt definiert und eine "Theorie der Haushaltstätigkeit" (Kaufmann 1999) entwickelt hat (vgl. Thiessen 2004). Im Kern stehen dabei nach Kaufmann die Bemühungen um das Schaffen und Aufrechterhalten von Sauberkeit und Ordnung, da das Sich-Reinigen des Menschen (und seiner Umgebung) in zivilisierten Kulturen sein grundlegendes Handlungsmotiv ist (vgl. Kaufmann 1999). Der Haushalt ist bei Kauffmann daher unmittelbar an die Hausarbeit gebunden.
In der vorliegenden Arbeit steht mit den Familienhaushalten eine besondere Form privater Haushalte im Fokus, weshalb Familien und deren Haushalte hier zunächst ebenfalls zu beschreiben sind. Die heute oftmals proklamierte "Pluralisierung von Lebensformen" beschreibt die quantitativen Veränderungen von Haushalts- und Lebensmodellen - ohne und mit Kind(ern). Bei den familialen Lebensformen (d. h. jenen mit Kindern) unterliegt die über weite Teile des 20. Jahrhunderts wahrgenommene Dominanz der ,,Normalfamilie" (Kernfamilie aus Elternpaar mit biologischen Kindern, meist verheiratet) als Ergebnis von Trennungen, Scheidungen, Wiederverheiratung, steigenden Zahlen von Alleinerziehenden sowie unverheirateten Paaren oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern einem Bedeutungsverlust. Die Variabilität familialer Lebensformen spiegelt stets den soziokulturellen Kontext einer Gesellschaft wider und unterliegt natürlicherweise einem steten Wandel. So gab es auch in vorindustriellen Gesellschaften vielfältige Lebensformen, jedoch mit dem Unterschied einer geringeren gesellschaftlichen Anerkennung, etwa von unehelichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen, wohlfahrtsstaatliche Neuerungen oder veränderte Wertvorstellungen, Lebensentwürfe und Lebensverläufe (bspw. Bildungsexpansion, Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern) bedingen und ermöglichen diese dynamischen Prozesse gleichermaßen (vgl. Meier 2000; Nave-Herz 2014; Nave-Herz 2015; Krack-Roberg, Rübenach, Sommer et al. 2016).
,,Familie ist da, wo Menschen kontinuierlich füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen" (Heinrich-Böll-Stiftung 2017: 9). Dieses familienpolitisch hinterlegte Verständnis von Familie bringt eine Annäherung an das familienwissenschaftliche Verständnis des Familienbegriffs. Demnach ist Familie in Folge eines Perspektivwechsels ("practical turn") nicht mehr als natürliche, gegebene Form sondern als Praktik13, d. h. als Ergebnis aktiver Herstellungsleistung, zu sehen (vgl. Jurczyk 2014; siehe Kapitel 2.2.2). Das Konzept der Familien- und Lebensformen im Mikrozensus definiert Familien als Eltern-Kind-Gemeinschaften, zu denen folglich gemischt- oder gleichgeschlechtliche Ehepaare ebenso wie nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kind(ern) zählen (vgl. Krack-Roberg, Rübenach, Sommer et al. 2016). Familien bilden - je nach Perspektive - zwar meistens, jedoch nicht zwangsläufig einen gemeinsamen Haushalt. Das Leben von Familien als soziales Netzwerk kann auch über Haushaltsgrenzen hinweg stattfinden, dies zunehmend auch über mehr als zwei Generationen hinweg. Beziehungen in multilokalen Mehrgenerationenfamilien, etwa zwischen Eltern und ihren erwachsenen, in eigenen Haushalten lebenden Kindern, sind auch überweitere Entfernungen emotional stabil und versprechen intergenerationelle Solidarität und Unterstützungspotenzial. In den letzten Jahrzehnten haben multilokale Familienbeziehungen zugenommen, sodass Alltag in Familien heute als soziales Netzwerk zu verstehen ist, aufgrund des Reziprozitätsprinzips funktioniert und Daseinsvorsorge sichern kann (vgl. Hennig 2014).
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind Familienhaushalte, die aus zusammenwohnenden Eltern-Kind-Gemeinschaften bestehen. Im Sinne einer intergenerationellen Übernahme von Fürsorge sind für den familiären Alltag dabei häufig auch die Beziehungen zu weiteren Haushalten (vorrangig denen von Großeltern) entscheidend, wie im Laufe der Untersuchung deutlich werden wird (siehe Kapitel 8).
Mit dem Ziel der unmittelbaren Daseinsvorsorge obliegen Haushalten "Aufgaben der Lebenserhaltung, der Persönlichkeitsentfaltung und der Kultur des Zusammenlebens" (von Schweitzer 1991: 134), die sowohl durch eigens erstellte ebenso wie über den Markt bezogene Güter und Dienstleistungen hergestellt werden. Die gesellschaftliche Relevanz der Hausarbeit, der in privaten Haushalten und damit auch in...
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