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Wenn Eltern ein Kind erwarten oder sich die Zukunft mit ihrem Kind ausmalen, tragen sie ganz persönliche Vorstellungen von ihm in sich. Während das Kind noch im Verborgenen heranwächst, fangen Mama und Papa an, sich ein Bild von ihrem Nachwuchs zu machen. Sie spekulieren über die Haar- und Augenfarbe ihres Kindes, fragen sich, ob es wohl die Nase von Papa oder Mama bekommt. Spannend ist immer die Frage: Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Automatisch entstehen in Eltern Bilder, Gedanken oder Ideen über die Zukunft mit ihrem Kind. Sie stellen sich den Moment vor, in dem sie ihr Baby das erste Mal im Arm halten, wie es sie anlächelt, krabbeln, laufen und Fahrradfahren lernt. Vor ihrem inneren Auge sehen sie sich stolz bei Schulaufführungen, Musikschulkonzerten oder Sportveranstaltungen im Publikum sitzen und die Begabung ihres Kindes genießen. Sie träumen von gemeinsamen Familienurlauben, bei denen sie ihrem Kind die Welt zeigen und entspannte Zeiten erleben.
Vermutlich kommen dir diese Gedanken, Wünsche und Träume sehr bekannt vor. Ich denke, wir alle haben sie in irgendeiner Form gehabt, als wir uns auf das spannende Abenteuer Elternsein eingelassen haben. Aber natürlich war uns gleichzeitig genauso klar, dass es auch mal Herausforderungen oder Rückschläge im Leben geben wird. Doch gemeinsam als Familie, so zumindest unsere Vorstellung, würden wir uns den kleineren oder größeren Konflikten und Krisen stellen und gute Lösungen finden. Und wenn wir selbst als überzeugte Christen leben, hoffen wir, dass unsere Kinder unseren Glauben kennenlernen und verstehen, unsere Werte verinnerlichen und ihr Leben ebenso in Gott gründen wie wir. Vielleicht gingen - oder gehen - unsere Blicke sogar in eine noch weitere Zukunft: Eines Tages werden unsere Kinder einen guten Schulabschluss machen, ihrem Traumberuf nachgehen, einen Partner oder eine Partnerin fürs Leben finden und uns zu Großeltern machen. So unsere Vorstellung.
Einerseits sind Träume gut, weil sie uns antreiben, in unsere Kinder zu investieren und sie zu fördern. Andererseits tragen solche Träume aber auch die Gefahr in sich, dass sie an der Realität vorbeilaufen und nicht berücksichtigen, dass uns unsere Kinder nicht gehören. Wir können sie nicht so formen, wie wir sie haben wollen. Jedes Kind ist eine einzigartige Persönlichkeit, die ein Recht auf Achtung hat und ganz individuell auf die Erziehungsbemühungen der Eltern reagiert. Wir haben nicht alles in der Hand. Auch wenn wir Eltern großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder haben, sind unsere Kinder Individuen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen und spätestens, wenn sie erwachsen sind, ein selbstbestimmtes Leben führen werden. Tragen wir dieses Bewusstsein nicht in uns, können manche Vorstellungen, Erwartungen oder Träume verhindern, dass wir mit unserem Kind in einer guten und wertschätzenden Beziehung leben können.
Es gibt so manchen Stolperstein für eine gelingende Eltern-Kind-Beziehung. Doch wenn wir uns diese bewusst machen und sie kennen, haben wir schon einen großen Schritt auf das Herz unseres Kindes zu gemacht. Welche Stolpersteine das sein können, wollen wir uns nun im Folgenden anschauen.
Früher spielte das Geschlecht des Nachwuchses eine große Rolle, weil es um den Stammhalter ging. In zahlreichen Monarchien der Geschichte wurde die Krone ausschließlich an den männlichen Erben weitergegeben, sodass die Enttäuschung groß war, wenn es nur ein Mädchen war. Aber nicht nur in adligen Familien war das richtige Geschlecht von Bedeutung. Auch in »normalen« Familien hoffte man auf einen Sohn, damit dieser den Hof oder die Geschäfte übernehmen konnte. Außerdem konnten Eltern von Jungen die teure Mitgift sparen. So war das ungeborene Kind schon früh mit einer bestimmten Hoffnung und Rolle belegt.
Sicherlich ist diese Fixierung auf das richtige Geschlecht in unserer europäischen modernen, aufgeklärten Gesellschaft nicht mehr so ausgeprägt wie zu früheren Zeiten. Und doch ist auch heute diese oft unbewusste Erwartung an den Wunschjungen oder das Wunschmädchen zu beobachten. Dann wünschen sich Eltern je nach Prägung ihr kleines, niedliches Mädchen, das sie verwöhnen können. Oder vielleicht auch gerade nicht, weil Mädchen den Ruf haben, schnell zickig und deswegen anstrengend zu sein. Dann wäre ein cooler, sportlicher Jungen, mit dem man toben und Bäume ausreißen kann, doch viel passender. Es kann aber genauso gut sein, dass es in der Familie schon einen Jungen gibt, und dann wäre ein ruhiges, sanfte Mädchen doch ein schöner Ausgleich, der die Familie komplett macht und abrundet.
Hört man sich unter jungen, werdenden Eltern um, wünschen sich Frauen häufig ein Mädchen und Männer einen Jungen. Sehr wahrscheinlich liegt das daran, dass ihnen das eigene Geschlecht ganz automatisch naheliegt. Man weiß, wie Jungs bzw. Mädchen ticken und kann sich in ihre Gedanken- und Gefühlswelt schneller hineinversetzen. Väter träumen vielleicht davon, später mit ihrem Sohn das Fußballstadion zu besuchen, am Auto zu schrauben oder gemeinsame Männertouren zu machen. Mütter sehen vor ihrem inneren Auge, wie sie für ihre Tochter hübsche Kleider kaufen, im Kino »Die Eiskönigin« schauen oder gemeinsam Kuchen backen. Wie schön ist der Gedanke, wenn sich die eigene Tochter das erste Mal verliebt und sich ihrer Mama anvertraut und dann vertrauliche Mutter-Tochter-Gespräche stattfinden, die es mit einem Sohn in dieser Form nicht geben könnte. Sicherlich bedienen diese Bilder Klischees, aber gleichzeitig spiegeln sie auch die Realität vieler Familien wider.
Durch das gleiche Geschlecht entsteht eine innere Verbindung und so erscheint eine innige Beziehung wahrscheinlicher, einfach, weil es so gut zusammenpasst. Der Wunsch nach einem bestimmten Geschlecht ist also durchaus nachvollziehbar und bis heute keineswegs ausgestorben oder bedeutungslos.
Das zeigt sich auch darin, dass es eine Branche gibt, die auf diese Elternwünsche eingeht. In manchen Ländern ist es gesetzlich erlaubt, in Kinderwunschkliniken bei der künstlichen Befruchtung das Geschlecht zu selektieren. In Adoptionsvermittlungen, die sich außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen bewegen, werden Geschlechtswünsche berücksichtigt, wenn Menschen mit Kinderwunsch viel Geld auf den Tisch legen. Und auch im Internet findet man, allerdings eher unseriöse, Tipps, wie man das Geschlecht beeinflussen kann. Auf der Internetseite »wunschgeschlecht.de« können sich Eltern zum Beispiel darüber informieren, wie sie das Geschlecht ihres Kindes bei der Zeugung beeinflussen können. Dort werden keine Wunder versprochen, aber doch eine bestimmte Hoffnung wachgehalten. Man könne, so heißt es dort, zumindest die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Geschlecht deutlich erhöhen. Sport, Kaffee, Nikotin, Temperatur - all das seien Faktoren, die darüber entscheiden können, ob das Kind ein Mädchen oder ein Junge werde.6 In einem Ratgeber, den man käuflich erwerben kann, findet man dann die konkrete Vorgehensweise hin zum Wunschkind. Solche Beispiele zeigen, dass in unserer technisierten Wohlstandsgesellschaft eine gewisse Tendenz besteht, bis ins Detail seines Glückes Schmied sein zu wollen. Und auch wenn die meisten Menschen solche Angebote sicherlich kritisch betrachten, ist es doch auch angebracht, dass Eltern tief in sich hineinhorchen und sich die Frage stellen, wie frei sie diesbezüglich wirklich sind.
Ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang, dass viele Eltern mit dem Geschlecht ihres Kindes bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften verknüpfen. Jungs spielen Indianer, klettern auf Bäume, lieben Autos und risikoreiche Sportarten. Sie beschäftigen sich mit Technik, wollen stark sein und Muskeln haben und mit anderen Jungs raufen. Mädchen bevorzugen dagegen alles, was rosa ist, lieben Ballett, flechten Blumenkränze und kleiden ihre Puppen ein. Sie treffen sich mit ihren Freundinnen, um die neuesten Schminktipps auszutauschen und sich für die nächste Party zu stylen. Damit sind wir bei den Stereotypen der Geschlechter angekommen. Auf der einen Seite sind diese nicht aus der Luft gegriffen und sollten aus meiner Sicht auch nicht um jeden Preis weggebügelt werden. Jungen und Mädchen tendieren von Natur aus zu unterschiedlichen Interessen und Begabungen. Auf der anderen Seite kann eine Einteilung in typisch männlich und typisch weiblich aber dazu führen, dass individuelle Eigenschaften und Interessen von Mädchen und Jungen gering geachtet werden. Nicht alle Mädchen und Jungen passen in unsere Schubladen. Es gibt Mädchen, die keine Lust auf Kleider haben, voller Leidenschaft Cowboy und Indianer spielen und doch echte Mädchen sind. Es gibt Jungs, die viel lieber stundenlang zu Hause Bücher lesen, als mit Papa zum Kampfsport zu gehen. Sehr eindrücklich wird dieses Dilemma in dem Film »Billy Elliot - I Will Dance« beschrieben. Der britische Junge Billy träumt in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts davon, Balletttänzer zu werden - ein Traum, der in dem Weltbild seines Vaters keinen Platz hat. Ein echter Junge soll boxen, und so kommt es zu viel innerem Schmerz und Entfremdung zwischen Vater und Sohn, weil Billy den Erwartungen nicht entspricht.7
Aufgeschlossene Eltern werden vermutlich beteuern, dass ihr Mädchen natürlich Kampfsport machen kann und sie nichts dagegen haben, wenn ihr Sohn Reitunterricht nehmen möchte. Ich bin davon auch überzeugt, dass wir so manches Klischeedenken schon hinter uns gelassen haben. Und doch ist bis heute nicht ausgeschlossen, dass in manchen Elternköpfen weiterhin stereotype Vorstellungen von mutigen und starken...
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