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Eine Inspiration für den nächsten Japan-Urlaub
Als Chris Broad völlig blauäugig einen Job als Hilfslehrer in der nordjapanischen Provinz annahm, fragte er sich, ob er nicht einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Weder sprach er ein Wort Japanisch, noch hatte er irgendwelche Erfahrungen im Unterrichten. Würde er als der am schnellsten gefeuerte Englischlehrer in die Geschichte Japans eingehen?
In seinem Buch erzählt Chris Broad mit viel Witz darüber, wie er vor mehr als zehn Jahren direkt nach der Uni von Großbritannien nach Japan ausgewandert ist und was er seither im Alltag dort alles so erlebt hat - Culture Clash und viele skurrile Begebenheiten inklusive.
Bald schon begann er Videos über sein Leben im Land der aufgehenden Sonne zu drehen und bereiste Japans 47 Präfekturen, von den üppigen Reisfeldern auf dem Land bis zu den neonbeleuchteten Straßen Tokios. Er erlebte einen erschreckenden nordkoreanischen Raketenzwischenfall, machte eine kränkende Erfahrung in einem Liebeshotel und verbrachte eine Woche mit Japans größtem Filmstar.
Von all seinen großen und kleinen Erfahrungen in Japan berichtet er in seinem Buch, das in England sogleich auf den ersten Platz der Sunday-Times-Bestsellerliste stürmte.
Juli 2012
Von London nach Tokio zu reisen ist ein unfassbar ungeschmeidiger Übergang, bei dem nicht weniger als acht Zeitzonen überquert werden und sich eine kulturelle Kluft auftut, auf die ich überhaupt nicht vorbereitet war.
Als ich mich von meinen Eltern verabschiedete und meinen mit Koffern beladenen Gepäckwagen in die Abflughalle von London Heathrow schob, hatte ich keine Vorstellung davon, wann ich meine Familie wiedersehen oder wie viele Jahre ich unterwegs sein würde. Jeder potenziell traurige Gedanke wurde von Adrenalin und einer Unruhe angesichts der Reise verdrängt, die mir nun bevorstand. Der Flug von Heathrow nach Tokio Narita dauert rund zwölf Stunden, was bei der Ankunft für den schlimmstmöglichen Jetlag sorgen sollte.
Ich blickte aus dem Kabinenfenster und sah zu, wie die Dächer Londons der Nordsee Platz machten und dann skandinavische Wälder auftauchten, bis alle Anzeichen von Zivilisation nach und nach verschwanden, da wir fast die gesamte Flugzeit in 11.500 Metern Höhe über der sibirischen Tundra verbrachten.
Ich wollte schlafen, doch die junge Frau neben mir - ebenfalls eine JET-Teilnehmerin - schnarchte derart laut, dass sie selbst die Motoren des Düsenjets übertönte. Und da somit auch keine Aussicht auf angeregten Small Talk während des Flugs bestand, blätterte ich durch ein billiges Japanisch-Wörterbuch. Beim Versuch, mir die passenden Worte für meine einleitenden Vorstellungsworte in der Schule einzuprägen, schlummerte ich ein.
Als Zweiundzwanzigjähriger und frisch von der Universität konnte ich es immer noch kaum glauben, dass ich meinen ersten festen Job auf der anderen Seite der Welt ergattert hatte, in einem Land, in dem ich niemanden kannte, und in dem eine Sprache gesprochen wurde, die ich nicht wirklich verstand.
Zwar hatte ich schon immer gehofft, eines Tages Japan besuchen zu können, doch die Vorstellung, dort tatsächlich zu leben, hatte sich erst mit achtzehn entwickelt, als ich auf einem Flug nach Frankreich zum ersten Mal vom JET-Programm hörte. Ich saß damals im Flugzeug neben einem Ehepaar, dessen Tochter zu diesem Zeitpunkt in Japan unterrichtete, und die beiden waren begeistert von meiner Aussage, nach der Uni durch die Welt reisen und Englisch unterrichten zu wollen. Am Ende des Flugs hatten die beiden mich überzeugt, eine Bewerbung für das JET-Programm einzureichen und in mir eine neue Leidenschaft entfacht.
Angesichts der Tatsache, dass diese Unternehmung bei einem Gespräch mit Fremden in einem Flugzeug begonnen hatte, war es traurig, dass der heutige, viel längere Flug keine derartig schicksalsträchtige Begegnung für mich bereithielt. Nur sägendes Schnarchen und Frustration.
Zwölf Stunden später weckte mich das Rumpeln, mit dem das Flugzeug auf der Landebahn des Flughafens Narita aufsetzte. Der Anblick des düsteren Terminal-Gebäudes war enttäuschend. Keine kawara-Dachziegeln oder Pagoden weit und breit. Ich sah mich rasch um, konnte aber auch nirgends die schneebedeckte Spitze des Bergs Fuji in der Ferne erkennen. Fast nichts wies darauf hin, dass wir in Tokio gelandet waren. In gewisser Weise waren wir das ja auch nicht.
Schnell stellte sich heraus, dass der Flughafen Narita nicht in Tokio, sondern inmitten einiger Reisfelder rund siebzig Kilometer östlich der Stadt liegt.
Ich verließ das Terminal-Gebäude und trat in den backofenheißen Nachmittag hinaus, um entsetzt festzustellen, wie furchtbar feucht Luft sein konnte; jeder Atemzug war wie das Inhalieren von heißem Wasserdampf. Glücklicherweise wurde ich, noch bevor mein Blut verdampfen konnte, zusammen mit anderen JETs in einen bereitstehenden Bus geschoben, wo ich ein Stoßgebet für das Wunder der Klimaanlage gen Himmel schickte, während wir uns über die Autobahn in Richtung Tokio aufmachten.
Wenn etwas für Narita spricht, dann die Tatsache, dass man bei der Weiterfahrt das gewaltige, atemberaubende Ausmaß der weltweit größten Metropole hautnah erfährt. Die Anreise nach Tokio beginnt in den endlosen Ebenen der Präfektur Chiba und ihrer Ansammlung traditioneller japanischer Häuser inmitten von kilometerlangen Reisfeldern. Nach und nach tauchen am Rand der Straßen dann Städte auf, und die Reisfelder machen zweckmäßigen Wohnblöcken und Werbetafeln Platz, auf denen lachende Männer und Frauen die neuesten Schönheitsprodukte anpreisen. Mir fiel ein schäbiges Love Hotel auf, das einer mittelalterlichen Burg nachempfunden war und auf dem Dach mit dem seltsamen Namen Hotel Smile Love Time warb.
Rund 37 Millionen Menschen leben im Großraum Tokio. Diese Zahl scheint fast unbegreiflich - mehr als die Hälfte der britischen Bevölkerung versammelt in nur einer Stadt -, doch wenn zum ersten Mal die Skyline sichtbar wird, erscheint dies plötzlich durchaus möglich.
Innerhalb nur einer Stunde Fahrzeit war alles Grün verschwunden. Als unser Bus die Rainbow Bridge in der Tokyo Bay überquert hatte, waren wir ringsum nur noch von Hochhäusern umgeben, und der kultige Tokyo Tower - Japans Antwort auf den Eiffelturm - ragte über die Skyline hinaus. Ich presste mein Gesicht an die Fensterscheibe und erstarrte vor Ehrfurcht, waren doch, egal wohin ich blickte, überall noch mehr Hochhäuser, noch mehr Betonblöcke, noch mehr Chaos und Wirrwarr zu sehen. Reden wir nur von der schieren Größe, wirkt London dagegen wie ein Witz.
Der Bus suchte sich seinen Weg entlang komplizierter Autobahnen und zwischen Häuserreihen gequetschter Hochstraßen und führte uns dabei an unendlich vielen Plakaten mit Prominenten vorbei, die für Asahi Bier oder Suntory Whisky warben; dann waren wir mitten im Zentrum Tokios angekommen. Die zweistündige Fahrt fühlte sich wie ein Ritt durch einen Freizeitpark an, war mein Magen von dem unablässigen Auf und Ab der Autobahnrampen doch gewaltig durchgeschüttelt worden. Endlich erreichten wir das renommierte Keio Plaza Hotel im Hochhausviertel Shinjuku. Mit seinen beiden Türmen und 1400 Zimmern war dies einer der wenigen Orte, der den jährlichen Ansturm von JETs beherbergen konnte.
Nachdem man uns aus dem Bus gescheucht hatte, atmete ich zum ersten Mal die Sommerluft Tokios ein: heiß, feucht und durchsetzt vom stechenden Geruch der Kanalisation. Die Abwasserrohre der Stadt zerbröselten unter den ansonsten makellosen Straßen.
Bis zu diesem Augenblick hatte mich mein Stolz darauf, für das JET-Programm ausgewählt worden zu sein, zu der Vorstellung verführt, ich wäre etwas Besonderes. Doch als ich nun in der Lobby des Keio Plaza Hotels stand als eines von tausend fremden Gesichtern, dämmerte mir, dass ich nur ein winziges Rädchen in einer wohlgeölten Maschinerie war.
An der Spitze der Warteschlange angekommen, ließ ich mir von einem Japaner die Schlüsselkarte zu einem Hotelzimmer im 25. Stock überreichen. Ich teilte mir ein Dreibettzimmer mit zwei sportbegeisterten Briten namens Colin und Michael. Als ich die Zimmertür aufstieß, diskutierten die beiden gerade lachend über Rugby. Meine Ankunft schien sie ein wenig davon abzulenken.
»Wohin hat es euch denn verschlagen?«, erkundigte ich mich und warf meinen Rucksack auf das verbliebene leere Bett, das am Fenster.
»Ich gehe nach Himeji, direkt neben Japans berühmtester Festung«, erklärte Michael mit einer Selbstgefälligkeit, die andeutete, ihm gehöre die Burg.
»Und ich gehe nach Nagasaki«, strahlte Colin.
Verdammt. Warum habe ich nicht Nagasaki oder Himeji bekommen?
»Und wohin zieht es dich?«, erkundigte sich Michael gespannt, ob ich seine Burg noch übertrumpfen konnte.
»Ich bin in Yamagata. Das liegt im Norden.«
»Ach so? Noch nie davon gehört.« Michael schenkte mir ein siegesgewisses Lächeln, im vollen Bewusstsein, den Hauptgewinn gezogen zu haben.
Die endlose Anreise hatte mich ausgelaugt, aber noch stärker als die Erschöpfung wirkte meine Rastlosigkeit. Ich überließ Colin und Michael den Gesprächen über Rugby und ihre Männlichkeit, verließ das Zimmer und trat in das letzte Tageslicht Tokios hinaus. Die goldene Stunde ließ die obersten Stockwerke der Hochhäuser aufleuchten, die den Stadtteil prägten. Die zwei Türme des Tokyo Metropolitan Government Building lockten mich, gab es laut meines Japan-Reiseführers dort doch »die beste Aussicht über Tokio - umsonst«.
Als ein von Aussichtsplattformen besessener Nerd hatte ich schon viele Hochhäuser erklommen, um den Anblick von oben zu genießen, angefangen bei Shanghai über Seattle und Barcelona bis Berlin. Doch als ich aus dem Lift des Tokyo Metropolitan Government Building stieg und die Stirn an die Glasscheibe legte, sah ich verwundert auf eine Stadt hinunter, die offenbar keine Grenzen kannte. Von meinem Standpunkt aus, im Zentrum der Metropole, konnte ich bis zum diesigen Umriss der Bergkette um die Stadt nur Beton erkennen. Die Aussicht war sowohl ebenso berauschend wie auch erschreckend.
Ich sah zu, wie es innerhalb von zwanzig Minuten dunkel wurde und überall in der Skyline Millionen winziger Lichter in den Fenstern angeschaltet wurden. Das Funkeln erleuchtete die riesige Fläche, was mindestens ebenso faszinierend war wie ein Feuerwerk. Zum ersten Mal Tokio in der Dämmerung zu erleben fühlte sich wie etwas ganz Besonderes an, und ich entschloss, dies müsse gefeiert werden.
Ich ließ mich auf einem Stuhl am Fenster des überteuerten Cafés der Aussichtsplattform nieder und versenkte mich in ein aberwitzig teures Stück Schokoladenkuchen, während ich den Sonnenuntergang über...
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