Schweitzer Fachinformationen
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Die Herausgeberin der erfolgreichen 5-Minuten-Märchen hat sich mit dieser neuen Märchensammlung einem weiteren Thema gewidmet.
Wer um einen geliebten Menschen trauert, hat das Gefühl, ihm sei der Boden unter den Füßen weggerissen. Wo Halt finden, wo Trost? Ausgerechnet in Märchen? Ja, denn sie können zum Wegweiser für den eigenen Trauerweg werden. Wo der Alltagssprache die Worte fehlen, finden die Märchen einen Weg: Für das Unsagbare, das mit dem Tod ins Leben tritt, geben sie uns Sinnbilder und Symbole an die Hand, die etwas in uns berühren und zum Klingen bringen können. Märchen können uns aus der Versteinerung erlösen, mit der die Trauer uns belegt. Und sie können uns Antwort geben auf das, was uns umtreibt.
Die ausgewählten Märchen erzählen vom Umgang mit Abschied und Verlust. Sie bieten Anregungen und Hilfe, die Trauer auszuhalten, Gedanken und Gefühle zu klären. Und sie weisen Wege auf, aus der Trauer herauszufinden, wieder ins Leben zurück, und dem Leben einen Sinn zu geben, trotzdem. Jedem Märchen folgt ein Hinweis der Herausgeberin, wie man die jeweilige Botschaft für sich selber nutzen kann.
Hardcover mit Lesebändchen
Es war einmal eine alte Frau, die hatte drei Töchter. Eines Tages sagte die Älteste zu ihr: »Mutter, ich will anderswo mein Glück suchen. Gib mir ein Brot und lass mich fortziehen.« Die Mutter fragte: »Was willst du haben, mein Kind: Das halbe Brot mit meinem Segen oder das ganze mit meinem Fluch?« »Sei's drum«, sagte die Älteste, »gib mir das ganze Brot, es ist klein genug!« Die Mutter gab ihr zwar keinen Fluch mit auf den Weg, aber auch nicht ihren Segen.
Nach einer Weile setzte sich die Älteste an der Landstraße nieder und stärkte sich mit dem Brot. Da kam eine alte Frau des Weges und bat um einen Bissen. Sie aber zeigte auf das abgebrochene Stückchen in ihrem Schoß und sagte: »Das ist alles, was ich habe«, und aß wortlos weiter.
Am Abend kam sie an ein großes Bauernhaus und bat um eine Schlafstelle. »Die sollst du haben und obendrein noch einen Spaten voll Gold«, sagte die Bäuerin, »wenn du mir einen Dienst erweisen willst: Wache die Nacht hindurch bei meinem toten Sohn. Er liegt aufgebahrt im Zimmer nebenan.« Die Älteste versprach es und setzte sich in eine Ecke. Nach einer Weile begann der Tote sich zu regen, richtete sich auf und fragte: »Bist du allein, schönes Mädchen?« Starr vor Schreck saß die Älteste da und konnte kein Wort über die Lippen bringen. Er fragte sie ein zweites und ein drittes Mal, doch vergebens; da gab er ihr einen Schlag mit der Gerte, und sie war in einen grauen Stein verwandelt.
Kurz darauf verließ die zweite Tochter das Elternhaus, um ihr Glück zu suchen. Doch auch sie achtete den Segen der Mutter gering und verlangte das ganze Brot. Wie die Älteste, wollte sie der alten Frau am Wegesrand nichts abgeben und nahm ihr Versprechen, beim Toten zu wachen, nur halbherzig wahr, und so wurde auch sie schließlich zu Stein.
Da machte sich die jüngste Tochter auf den Weg, denn sie wollte ihre beiden Schwestern suchen. Sie aber erbat den Segen der Mutter und teilte ihr Brot mit der armen Frau am Wege. Als die Jüngste schließlich Herberge auf dem Bauernhof fand, versprach sie der Bäuerin, Wache bei dem toten Jüngling zu halten. Sie setzte sich ans Feuer, spielte mit dem Hund und der Katze und aß von den Äpfeln und Nüssen, die ihr die Bäuerin gegeben hatte. Mit einem Mal stand der Tote auf und fragte: »Bist du allein, schönes Mädchen?« Da antwortete sie:
»Ganz alleine bin ich nicht;
Hund und Katze sind bei mir,
Nüss' und Äpfel hab' ich hier
Und die schenk' ich alle dir!«
»Mut hast du«, sprach der Tote, »doch willst du auch mit mir gehen und mich begleiten auf dem Weg, der vor mir liegt? Durch den bodenlosen Sumpf und den ewig brennenden Wald? Durch die Höhle des Schreckens? Hinauf auf den gläsernen Berg? Dort muss ich mich vom Gipfel hinab in das tote Meer stürzen.« »Ich gehe mit dir!«, antwortete das Mädchen, ohne zu zögern, »denn ich habe es nun einmal versprochen, dass ich heut' Nacht bei dir wache!«
Da sprang der Jüngling aus dem Fenster und das Mädchen hinterher. Bald kamen sie an den bodenlosen Sumpf. Der Tote schritt leicht darüber hinweg. Wie aber sollte die Jüngste hinüberkommen? Während sie noch überlegte, wie sie es anstellen könne, da erschien plötzlich die alte Frau, mit der sie das Brot geteilt hatte. Nun zeigte sie sich in ihrer wahren Gestalt: Sie hatte schöne Kleider an und hielt in der Hand einen Zauberstab. Damit berührte die gute Fee die Füße der Jüngsten, und da konnte sie sicheren Fußes über den Sumpf gehen. Nach einer Weile gerieten sie in den ewig brennenden Wald. Wieder kam die gute Fee zu Hilfe und legte ihr einen Mantel um, und so wurde ihr kein einziges Haar versengt. Dann aber kamen sie in die Höhle des Schreckens, und von dem furchtbaren Geschrei der bösen Geister wären ihr sicher die Ohren zersprungen, wenn die gute Fee sie ihr nicht vorher verstopft hätte.
Als sie die Höhle hinter sich hatten, kamen sie an den gläsernen Berg. Der Jüngling stieg rasch hinauf. Die Jüngste aber rutschte immer wieder ab. Wie sollte sie da hinauf kommen? Doch auch diesmal erschien die gute Fee und gab ihr ein Paar Schuhe, und damit gelangte sie leicht auf den Gipfel. Dort oben aber sprach der Tote: »Ich danke dir, dass du mich bis hier so treu begleitet hast. Nun aber gehe heim zu meiner Mutter und sage ihr in meinem Namen Lebewohl!« Kaum hatte er dies gesagt, da sprang er hinunter in die Tiefe, in das tote Meer. Die Jüngste aber sprang ihm ohne Zögern nach.
Sie verlor die Besinnung, und als sie wieder zu sich kam, war sie auf einer grünen Wiese, an der Seite des Jünglings. Da fiel sie in einen tiefen Schlaf, denn der Weg hatte sie erschöpft.
Als sie endlich erwachte, lag sie in einem weichen Bett auf dem Bauernhof, und der Jüngling hielt ihre Hand. »Ich danke dir! Du hast mich erlöst!«, rief er, als sie die Augen aufschlug, »eine böse Hexe hatte mich in diesen unseligen Zustand zwischen Leben und Tod gebannt, weil ich mich weigerte, sie zu heiraten; und ich sollte nicht eher daraus befreit sein, bis ein Mädchen den Mut fände, all die schweren Aufgaben für mich zu bestehen.«
Da trat die gute Fee hinzu. Die Jüngste bat, sie möge doch ihre Schwestern erlösen, und da befreite die Fee sie aus ihrer Versteinerung, und sie machten sich auf den Heimweg. Die Jüngste aber blieb und hielt Hochzeit mit dem Jüngling. Und sie lebten lange und glücklich zusammen.
Märchen aus Irland
Die jüngste Schwester hat beim Abschied den Segen der Mutter. Was heißt das? Ein Segen, das können gute Worte sein, ein Gebet, ein Zeichen oder eine Gebärde, die etwas Gutes wünschen und um göttlichen Schutz und Beistand bitten, beispielsweise gutes Gelingen, Glück, Kraft oder Genesung. Die Jüngste macht sich mit dem Segen auf den Weg, auf dem sie viel durchmachen muss. Er erinnert an den Weg, den Trauernde bei ihrem Abschied zu gehen haben. Für die Jüngste ist er »segens-reich«: Ihr gelingt die Erlösung des Jünglings, und durch ihre Bitte auch die der Schwestern. War es der Segen der Mutter zum Abschied, der dies möglich machte? Oder ihr beherztes Handeln? Oder hängt beides miteinander zusammen? Segnen und gesegnet werden hat mit Vertrauen zu tun, mit Gottvertrauen. Das aber ist bei vielen Trauernden erschüttert. Wie kann es neu wachsen? Vielleicht ist die Sehnsucht danach schon der erste Schritt. Der zweite Schritt: die Hoffnung, nicht allein auf der Welt zu sein, sondern von guten Mächten wunderbar geborgen. Und der dritte Schritt: sich an das halten, was das Leben noch zu bieten hat, trotzdem. Den Beistand und Halt nicht einfach übersehen, sondern annehmen, wie die Jüngste im Märchen.
Sie weicht der Begegnung mit dem Toten nicht aus, sondern hält Zwiesprache mit ihm. Sie lässt ihr Herz sprechen. In dieser unheimlichen Begegnung handelt sie so beherzt, weil sie weiß: Ich bin nicht allein. Sie hält sich an Hund und Katze, in denen findet sie Beistand. Die älteren Schwestern haben kein Auge dafür und keine Wertschätzung für den Segen der Mutter, und auch die Aufgabe der Totenwache nehmen sie nur halbherzig wahr: Als der Tote sie anspricht, sind sie starr und stumm, sie versteinern. Weder ihnen noch dem Toten ist damit geholfen. Wer die Auseinandersetzung mit dem Tod, mit dem Toten, mit der Trauer verdrängt, der droht, innerlich zu verhärten, zu erstarren, zu versteinern. Die beiden zu Stein gewordenen Schwestern sind somit ein Mahnmal für Trauernde.
Während die älteren Schwestern nur an sich denken und die lästige Alte am Wegesrand abweisen, teilt die Jüngste ihr Brot mit ihr. Und bekommt dafür Hilfe und Beistand zurück: Die alte Frau, die selbst um Hilfe bat, erweist sich später als gute Fee, die ihr in der Not beisteht. Für Trauernde kann es sich als segensreich erweisen, anderen zu helfen, auch wenn sie selbst bitter nötig Hilfe brauchen. Oft zeigt sich: Das, was wir geben, kommt irgendwie zu uns zurück. Die jüngste Schwester hält ihr Versprechen, beim Toten zu wachen, und begleitet ihn auf seiner Reise ins Jenseits. Auf ihrem Weg steht sie Ängste, Sorgen und Nöte durch, die auch Trauernde durchmachen müssen. Das Märchen bietet hier eine Fülle von Sinn-Bildern und Seelenlandschaften: Sie muss durch den »bodenlosen Sumpf«. Dort gibt es keinen Halt, keinen festen Grund, sie droht, darin zu versinken - wie Trauernde in der herabziehenden Traurigkeit. Sie muss durch den »ewig brennenden Wald«, durchs Feuer gehen, durch lodernden Zorn und aufflackernde Wut. Sie muss durch die »Höhle des Schreckens«, ins Dunkle, Ungewisse, Unbewusste, wo unsere Ängste und inneren Dämonen lauern. Schließlich muss sie auf den »gläsernen Berg«, ein glattes, schier unüberwindliches Hindernis zwischen Diesseits und Jenseits, dem wir hier als das »tote Meer«...
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