Schweitzer Fachinformationen
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Wer ist sie?
Ich wünschte mir, die junge Frau auf dem körnigen Schwarz-Weiß-Monitor wäre besser zu erkennen. Zornig marschiert sie auf mein Zielobjekt Benjamin McKenzie zu und tippt ihm mehrmals nachdrücklich mit dem Zeigefinger auf die Brust. Obwohl ich eigentlich ihn observieren soll, kann ich den Blick nicht von ihr abwenden.
»Du gibst diese Möglichkeit nicht meinetwegen auf!«
Sie legt ihre Hände an seine Hüften und sieht zu ihm hoch. Resolutes Mädchen.
»Dieses Stipendium ist eine viel zu große Sache. Das kannst du nicht sausen lassen. Ich meine es ernst.«
Er legt ihr eine Hand an die Wange.
»Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn dir irgendwas passiert«, flüstert er. »Du bedeutest mir alles, Lilah.«
Benjamin hat also eine Achillesferse. Diese junge Frau könnte ihn das Leben kosten.
Wenn der Obsidian-Orden von ihr erfährt .
Ich atme tief aus, und das Geräusch verhallt in dem leeren Zimmer. Dieser Teil seines Lebens wird - genau wie die junge Frau - schon bald ausgelöscht und vergessen sein. So vergessen wie das leer stehende Haus, in dem ich meinen Posten bezogen habe. Die schmuddelig weiße Farbe blättert von den Wänden, und die Fenster haben so viele Risse, dass sie wie riesige Spinnweben aussehen. Der Raum wirkt wie eine tödliche Falle.
Aber auch ich sitze in einer Falle. Nur dass meine immer schon luxuriös eingerichtet war.
Die junge Frau verdreht die Augen. »Mir passiert schon nichts. Immerhin hast du mir selbst beigebracht, wie ich mich verteidigen kann. Schon vergessen?«
Benjamin schüttelt den Kopf. »Selbstverteidigung reicht nicht mehr. Komm mit. Irgendwie finde ich eine Möglichkeit, dich .«
»Mich was, Ben? Mich in den kommenden drei Jahren in deinem Wohnheimzimmer zu verstecken? Hör mal, ich weiß, dass du ein Technik-Crack bist, aber das dürfte sogar für dich ein Problem darstellen.« Sie hält kurz inne, und in ihrem Blick steht Entschlossenheit. »Außerdem weißt du genau, dass ich die Kleinen nicht allein lassen kann.«
Mein Zielobjekt wirkt angespannt. Selbst durch die Überwachungskamera ist gut zu erkennen, wie sich jeder seiner Muskeln verkrampft.
»Ich weiß«, flüstert er schließlich.
Mit einem schiefen Lächeln tritt sie von ihm zurück und streicht ihr schäbiges blaues Tanktop glatt. »Wenn dieser Widerling von unten noch mal irgendwas versucht, kriegt er einen Arschtritt von mir. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
Ich mustere sie von Kopf bis Fuß. Sie ist gerade mal gute eins sechzig groß, zierlich und hat kaum Muskeln. Wenn sie für irgendwen eine Bedrohung darstellen soll, bin ich die Zahnfee.
Benjamin legt ihr die Hände auf die Schultern und schüttelt sie leicht. Er strahlt pure Verzweiflung aus.
»Vergiss das gleich wieder«, sagt er. »Frank ist ein Idiot. Trotzdem ist er stärker als du.«
Sie reißt sich so jäh von ihm los, dass ihre langen blonden Haare auffliegen. »Dann bin ich eben schneller.«
»Verdammt noch mal, Delilah!«
Er ist so laut, dass ich ihn allen Ernstes sowohl quer über die Straße als auch durch meine Laptop-Lautsprecher hören kann.
Er fährt sich durch die Haare. »Sei nicht so naiv! Du weißt genau, was Frank macht, sobald ich morgen früh wegfahre.«
»Das werde ich verhindern.« Sie kraust zornig die Nase und kneift die Augen zusammen. Ich wünschte mir, ich könnte sehen, welche Augenfarbe sie hat. »Den Mädchen und mir tut keiner etwas an!«
»Du kannst ihm nicht für die nächsten drei Jahre aus dem Weg gehen«, wendet Benjamin ein. »Stell dich nicht dumm!«
Ihre Unterlippe fängt an zu zittern, und unwillkürlich starre ich ihren sinnlichen Mund an. Sie ist höchstens fünfzehn, sechzehn Jahre alt, sieht aber aus wie eine erwachsene Frau. Klar, dass sie Aufmerksamkeit auf sich zieht, ob sie es will oder nicht.
»So sprichst du nicht mit mir«, entgegnet Delilah trotzig. »Wenn Frank mich, Emily oder Sandra auch nur anfasst, bringe ich ihn um.«
Benjamin verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich sollte ihn umbringen. Dann müsste ich mir um euch keine Sorgen mehr machen.«
Genau das würde ich ebenfalls tun. Aber im Gegensatz zu dir bin ich auch dafür ausgebildet. Das wirst du schon bald am eigenen Leib erfahren, Rekrut.
Delilah seufzt. »Nein, Ben. Du würdest im Gefängnis landen.« Sie reckt trotzig ihr Kinn. »Und ich streite auch nicht mehr mit dir. Wenn du fertig damit bist, sauer auf mich zu sein, kannst du ja kommen und dich verabschieden.«
Mein Zielobjekt zuckt sichtlich zusammen, als sie die Tür hinter sich zudonnert. Ich schnaube. Wer immer diese junge Dame ist - sie hat Benjamin eindeutig fest im Griff.
Ich schalte auf die Kamera in Delilahs Zimmer um. Dort sieht es genauso aus wie in Benjamins Zimmer: ein Einzelbett, ein Nachttisch, kaum persönliche Gegenstände oder Deko.
Solange man über ihre überaus dekorative Erscheinung hinwegsieht.
Ich bin mit Geld und Frauen aufgewachsen, die ihr Äußeres zu nutzen wussten. Kleidung, Make-up, hier und da chirurgische Eingriffe. Mir ist alles bekannt, was mit Geld zu bezahlen ist. Daher bringt mich Delilahs Attraktivität auch nicht aus der Fassung.
Der einzige Grund, warum ich sie noch ein paar Minuten lang observiere, ist, dass sie meinem Zielobjekt wichtig zu sein scheint. Sie lässt sich auf ihr Bett mit der fadenscheinigen Decke sinken. Dann greift sie nach einer Schneekugel mit einem Märchenschloss und fährt mit den Fingern über die durchsichtige Plastikkuppel.
Ich bin fasziniert, wie ausdrucksstark ihr Gesicht ist. Sie versucht gar nicht erst, ihre Gefühle zu verbergen. Man fühlt sich fast verpflichtet .
Eilig schalte ich zurück zu Benjamins Zimmer. Als auf dem Monitor niemand zu sehen ist, klicke ich hektisch die übrigen Kameras an, um ihn aufzuspüren. Doch er ist weder im Wohnzimmer noch auf dem Flur.
Ich presse kurz die Lippen zusammen, doch dann entdecke ich ihn in der Tür zur Küche, und mein Puls beschleunigt sich. Er hat die Fäuste geballt, während Frank Goldstein, sein Pflegevater, sich ein Bier aus dem Kühlschrank nimmt.
»Was willst du?«, fragt er mit verwaschener Stimme.
Benjamin betritt die Küche und steigt über auf dem rissigen Linoleumboden verstreute Gegenstände hinweg. Die Arbeitsflächen sind mit leeren Bierdosen und zerdrückten Snacktüten übersät, und die Oberschränke hängen so schief, dass sie jeden Moment runterzukrachen drohen. Kurz regt sich Abscheu in mir, doch dann hebt mein Zielobjekt die Stimme, und die Drohung, die darin liegt, jagt mir sofort das Adrenalin durch die Adern.
»Du weißt genau, was ich will«, blafft er.
Frank winkt ab. »Es geht um deine kleine Freundin.« Als Benjamin nickt, grinst der ältere Mann nur. »Was soll mit ihr sein?«
»Halt dich von ihr und den anderen fern.«
Der Mann schnaubt bloß. »Sonst was?«
Benjamin macht einen Schritt auf ihn zu, und unwillkürlich springe ich auf. Obwohl mein Auftrag lautet, den unehelichen Sohn des kürzlich verstorbenen Harold McKenzie auszuspionieren, bin ich mir verdammt sicher, dass die Gründerfamilien es nicht gutheißen würden, wenn er stirbt.
Was unter meiner Aufsicht nicht geschehen wird.
Denn wenn er stirbt, wäre das mein Todesurteil.
Ich ziehe meine Kapuze über, um mein Gesicht zu verbergen, und renne die windschiefe Treppe nach unten, durch die Hintertür nach draußen und quer über die Straße auf das Haus zu, das ich seit Tagen observiere. Meine Stiefelsohlen krachen über den Asphalt, ehe meine Schritte von einem ungepflegten Rasenstreifen gedämpft werden. Im Kopf gehe ich sämtliche Szenarien durch, die diese bevorstehende Konfrontation nach sich ziehen könnte. Keins davon ist optimal.
Die Waffe an meinem Gürtel beruhigt meinen dröhnenden Puls ein wenig. Trotzdem muss ich jetzt vorsichtig sein - auch wenn sich in dieser lausigen Nachbarschaft garantiert niemand über einen Schuss wundern würde.
Ich greife zu dem Messer in meinem Stiefelschaft, und meine Finger krümmen sich mit einer Routiniertheit um den Griff, die von einem Horror herrührt, der mich bis heute verfolgt.
Nur dass ich heute Abend zum Horror für jemand anderen werde.
Noch während ich auf die Hintertür zustürme, die in die Küche führt, höre ich einen Mann brüllen und dann einen lauten Knall. Bereits durchs Fenster kann ich all das erkennen, was mir mit Sicherheit Ärger mit dem Orden - nein, schlimmer: Probleme mit meinem Vater - einhandeln wird.
Frank hat Benjamin gegen den Kühlschrank gewuchtet und drischt mit der freien Hand auf ihn ein, dass die Flaschen im Getränkefach nur so klirren. Mein Zielobjekt muss den ersten harten Faustschlag einstecken, doch dabei wird es nicht bleiben.
Wenn ich nicht sofort dazwischengehe, ist er innerhalb weniger Minuten tot.
Ich habe gerade die Hand an den Türknauf gelegt, als etwas Blondes an mir vorbeischießt. Delilah stürmt in die Küche, ihre Haare wehen hinter ihr her, und ihre Augen lodern vor Wut.
In einer einzigen Bewegung schnappt sie sich ein Küchenmesser von der Arbeitsfläche und stößt es Frank zwischen die Rippen. Er brüllt auf und wirft den Kopf in den Nacken. Die junge Frau zieht die Klinge heraus und sticht ein zweites...
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