Schweitzer Fachinformationen
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Motorenlärm dröhnte durchs Preisdorftal. Der Harvester von Martin Winter leistete seit Stunden Schwerstarbeit. Schon bei Tagesanbruch war der Forstunternehmer mit dem schweren Holzerntegerät auf dem Tieflader nach Berleburg gefahren. Rein prophylaktisch. Für so etwas muss man nach solchen Stürmen, wie dem am Tag zuvor, nicht einmal einen Riecher haben.
Sein Sohn hatte sich für ähnliche Einsätze in südlichen Gefilden Wittgensteins bereitgehalten. Und war genauso schnell zu mehreren Aufträgen gekommen wie sein Vater. Mobiltelefon sei Dank.
Martin Winter ging trotz der enormen Gewichte an seinem Hydraulikarm fast behutsam zu Werke. Jahrzehntelange Erfahrung lehrte ihn vorsichtig zu sein, wenn er mit seiner Maschine komplett entwurzelte Fichten von ihrem tonnenschweren Wurzelteller abschnitt. Oft gelang es ihm, so präzise vorzugehen, dass der Teller wieder in sein altes Bett zurückfallen konnte.
Aber das klappte nicht immer. Denn das vom Sturm verdrehte und umgefegte Holz stand häufig unter ungeheurer Spannung. Der Harvester machte jedes Mal einen Sprung, wenn er die riesigen Lasten voneinander getrennt hatte.
Die gut 25 Meter langen Stämme blieben dabei im Arbeitskopf des Vollernters hängen und wurden danach mit rasender Geschwindigkeit entastet und millimetergenau in die gewünschte Länge geschnitten.
Er würde wohl noch eine ganze Weile arbeiten müssen, um die Straße durch das Preisdorftal von den gekippten Fichten freizubekommen. Aber die Zeit drängte. Denn im hinteren Teil des Tales saßen im "Forsthaus Paulsgrund" Förster Brinkschulte und Familie fest und hatten keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Die Telefonleitung war gekappt und mangels Empfang stand man dort mit dem Handy auf verlorenem Posten.
Winter kämpfte mit aufkommender Müdigkeit. Denn die letzte Nacht war verdammt kurz. Bis gegen halb zwei waren sein Sohn und er noch mit der Reparatur einer Maschine beschäftigt.
Und dann der frühe Start gegen sechs Uhr. Das machte kirre. Trotz des Kaffees vom Typ 'Hallo wach', den ihm seine Frau neben Butterbroten und kleinen Leckereien mitgegeben hatte.
Plötzlich stockte ihm der Atem. Was war das? War da nicht ein Scheinwerfer unter einer Fichtenkrone zu sehen? Zack, da war das Licht wieder verschwunden. 'Du solltest mal wieder richtig ausschlafen. Du fängst ja langsam an zu spinnen', dachte Martin Winter, schwenkte den Hydraulikarm nach links und hob den nächsten Baum auf der Wurzelseite an, um dort zum Schnitt anzusetzen.
Wieder ein Hopser, als der Wurzelteller abgetrennt war. Als er auch diese Fichte seitlich weggezogen und bearbeitet hatte, erschrak Martin erneut. Denn jetzt reflektierten gleich zwei Fahrzeugscheinwerfer und eine komplette Auto-Front das Licht seiner starken Arbeitslampen.
"Das gibt´s doch nicht. Wie kommt denn der da hin?" Mit einer Geschwindigkeit, die man dem massigen Mann auf Anhieb gar nicht zutrauen würde, schwang sich der Forstunternehmer aus seiner Arbeitskanzel heraus und vom Harvester herunter.
Vorsichtig näherte er sich dem Wagen unter dem Fichtengrün. Immer auf der Hut. Falls eine Baumspitze herumschlagen würde. Doch im hellen Licht seiner Maschinenscheinwerfer erkannte er, dass die nächsten Stämme schnurgerade nebeneinander lagen. Davon allein zwei auf dem schwarzen Volvo, der am Straßenrand in einer Art Haltebucht stand und ein jämmerliches Bild abgab. Das Dach unter der Last des Stammes eingedrückt bis in Sitzlehnenhöhe. Auch der Kofferraum ziemlich platt.
Winter gruselte es ein wenig, als er näher kam. Leichter Benzingeruch waberte ihm entgegen. 'Der ist doch hier hoffentlich nur geparkt', dachte er. Vom Wageninneren war zunächst nichts zu erkennen. Darum wagte er noch zwei vorsichtige Schritte nach vorne. Aber dann konnte er sie sehen, die Hand, die wie ein Wink zum Himmel hinauf aus dem zertrümmerten Fenster der Fahrertür ragte.
"Um Gottes Willen!", schrie er auf. Unversehens geriet er ins Taumeln, fing sich aber schnell wieder. Langsam, ganz langsam ging er so nah wie möglich an den Wagen heran. Aber Fichtenäste versperrten ihm jede weitere Sicht.
"Wo sind Sie genau, Herr Winter?" Hannes Langenberg hatte auf der Polizeiwache in Berleburg den von der Zentrale in Siegen durchgeschalteten Notruf entgegengenommen. Der Forstunternehmer nannte seine Position. "Im Preisdorftal, Richtung Paulsgrund. Das liegt zwischen Berghausen und Aue. Das nächste Tal hinter dem Grünewald." Er gab gleich den Tipp, langsam ins Preisdorftal hineinzufahren. "Von der anderen Seite kommt Ihr nicht durch. Da liegen noch massig Bäume auf der Straße."
"Lebt der Mann, den Sie da im Wagen gefunden haben?"
"Glaub´ ich nicht. Aber so nahe konnte ich nicht ran, um das genau zu erkennen. Ich weiß noch nicht mal genau, ob es überhaupt ein Mann ist."
"Haben Sie schon den Rettungsdienst informiert?"
"Ja, natürlich. Die sind schon auf dem Weg hierher. Die Feuerwehr auch. Ich fange jetzt mal an, die zwei Bäume abzuräumen, die auf dem Wagen liegen."
"Warum haben Sie das nicht gleich gemacht, Herr Winter?"
"Liebe Herrschaften", antwortete der verärgert, "weil ich erst einmal Hilfe organisieren wollte. Was soll ich denn mit dem armen Menschen machen, wenn ich den frei geräumt, vielleicht sogar geborgen habe und er braucht meine dringende Hilfe? Da ist kein Platz mehr zum Telefonieren." Dann war die Verbindung unterbrochen.
Langenberg schickte gleich zwei Streifenwagenbesatzungen an den Ort des Geschehens. Einer war gerade um die Ecke im Altmühlbachtal unterwegs. Der konnte am schnellsten dort sein. Das zweite Fahrzeug, das direkt von der Wache startete, fuhr Revierleiter Dickel selbst.
"Habt Ihr das Kennzeichen des gefundenen Autos?", hatte er vor Abfahrt noch beim 'Leitenden' nachgefragt. Aber der war nicht mehr dazu gekommen, danach zu fragen.
"Mist. Versuch´ bitte noch mal, Kontakt mit dem Mann auf dem Harvester zu machen." Dann überlegte er einen Moment. "Oder nee, lass´ es lieber. Der hat jetzt Wichtigeres zu tun."
Nur wenige Minuten später sah Winter im Rückspiegel das erste Blaulicht das Tal heraufkommen. Er hatte gerade bereits den zweiten Stamm von der Wurzel getrennt und sachte von dem total demolierten Volvo heruntergehoben. Fast behutsam war er dabei vorgegangen. Doch jetzt, wo der Stamm frei im Arbeitskopf steckte, beeilte er sich mit dessen Bearbeitung.
In rasender Geschwindigkeit hatte Martin Winter das geborgene Holz entastet, geschnitten und am Straßenrand abgelegt. Dann kletterte er aus der Kanzel heraus und hinunter auf den Boden. Wieder schauderte es ihn, als er näher an den Volvo heranging. Denn nun konnte er schon auf Distanz die herausragende blassgraue Hand sehen. 'Der Mensch muss tot sein', durchfuhr es ihn plötzlich. 'Sonst hätte er sich wenigstens ein bisschen bewegt.'
Dicht neben dem Harvester bremste ein Wagen scharf ab. Zwei Türen schlugen zu. Und als Winter sich herumdrehte, kamen zwei Rettungssanitäter auf ihn zugelaufen.
"Das ist der Wagen?", fragte der eine und lief, ohne eine Antwort abzuwarten, einfach an ihm vorbei. Der andere kam, mit schwerem Rucksack, langsamer angelaufen.
"Mist", rief der erste Sani, nachdem er die herausragende Hand angefasst und unter das eingedrückte Wagendach geschaut hatte. "Ex! Und zwar schon länger. Lieber Gott, sieht der übel aus. Ei-ei-ei. Der Mann ist ja total eingequetscht."
Mit mitleidender Miene richtete sich der Retter auf und drehte zu Seite ab. "Schau Dir das mal an. FURCHTBAR!"
Vorsichtig trat sein Kollege an das Wrack heran und schaute mit schräg gestelltem Kopf über die Kühlerhaube hinein. "Herrjeh, das ist ja extrem. Der Mann hat den Einschlag des Baumes womöglich nicht mal registriert. Der muss auf der Stelle tot gewesen sein."
Martinshörner waren zu hören. Erst eins, dann zwei verschiedene. Die Signale überschlugen sich und wurden zwischen den Hängen der Berge hin und her geworfen. Martin Winter, der nach den Reaktionen der Männer vom Roten Kreuz etwas auf Distanz gegangen war, sah auf der Straße hintereinander einen Notarztwagen und ein Polizeifahrzeug kommen.
Winkend wies er die Fahrer beider Wagen in Parkmöglichkeiten am Wegesrand ein. Ein junger, sportlicher Mann mit weißer Hose und einer roten Jacke entstieg dem ersten Fahrzeug und stürmte auf ihn zu. "Wo ist das?"
"Vor dem Harvester links", rief der Forstunternehmer und schickte dem Notarzt gleich die beiden ersten Polizisten hinterher. Der eine, ein richtiges Milchgesicht, drehte sich um und fragte spitz: "Haben Sie das Fahrzeug...
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