Schweitzer Fachinformationen
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Zuerst hörte er nur ein unheimliches Zischen, als zöge ein riesiger Drache aus seiner ganzen Umgebung die Luft ab, um dann fauchend und unvermittelt alles wieder auszuspeien. In einer gewaltigen Explosion brachen die Flammen durch das Reetdach von Olsens Scheune und spuckten glühende Strohfäden in den Abendhimmel. Sie sanken in verglimmender Pracht um ihn herum zu Boden, wie Sternschnuppen die großen, tanzenden Glühwürmchen gleich die kleinen. Die Luft schien zu brennen, alles war rot und gelb und flackerte wild. Fasziniert betrachtete er das Inferno, das sich da vor ihm entwickelte und dessen Phasen er im Einzelnen vorhersagen konnte. Wie immer stieg ein Kribbeln in seinem Bauch auf wie Funken an der Zündschnur einer Feuerwerksrakete.
Obwohl er in sicherem Abstand hinter einem Anhänger stand, brannte die Hitze auf seinem Gesicht und trieb den Schweiß in Strömen an seinem Körper hinab. Einige Glutfäden landeten auf seinem weißen Hemd, auf seiner Ringreiter-Mütze, doch er achtete nicht darauf. Zu großartig war das Schauspiel, das sich ihm da bot, der Feuersturm, der keine zwanzig Meter entfernt seinen zerstörerischen Lauf nahm. Die Flammen leckten nun gleichmäßig aus dem Dachstuhl hoch in die Luft, züngelten und schienen sich nie wieder zurückziehen zu wollen. Die Kühe im benachbarten Stall brüllten gegen das Rauschen an. Sie spürten die Gefahr, die Hitze, die von der brennenden Scheune ausging, und gerieten in Panik.
Falk sah auf die Uhr: zwölf nach neun. Vor nicht einmal zwei Minuten hatte das Feuer das Scheunendach durchstoßen und schon begann die unaufhaltsame Phase - das wusste er aus der Erfahrung zahlreicher Versuche, die er in den letzten Jahren mit kleinen und mittelgroßen Feldscheunen angestellt hatte. Von der Feuerwehr war weit und breit noch nichts zu sehen. Sie würde zu spät kommen. Der Brandmeister würde nur noch den Befehl geben können, das alte Gebäude kontrolliert abbrennen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Flammen nicht auf das Wohnhaus und die Ställe übergriffen.
Falks Blick folgte dem Funkenregen am Himmel, der um diese Jahreszeit noch hell war und doch den Wettkampf gegen den grellen Schein des Feuers verlieren musste. Föhr on fire, dachte er. Ach was, das alljährliche Feuerwerk am Hafen war ein Dreck gegen dieses Fanal! Und wie als Auftakt eines grandiosen Finales bogen sich nun die Dachbalken in den Flammen auf, knackten wie unter einer schweren Last, als die alles verzehrende Feuerhölle sie wie Zunderstäbchen in flutender Lava binnen Minuten auffraß. Das Gebälk schien schwerelos zu werden. Die aufströmende Hitze trug es hoch, ließ es dann krachend und mit einem höllischen Getöse in sich zusammenstürzen, während das Feuer rauschte und fauchte und Funken spie.
Auf diesen Moment hatte Falk gewartet. Das war für ihn immer der schönste Teil des Infernos. Die Rakete unter seinem Solarplexus explodierte, ein Funkenregen verteilte sich in seinem ganzen Körper und steigerte sich zu einem Gefühl höchster Lust. Und wie in einer Art Trance fing er leise zu singen an, keinen Text, Töne nur gab er von sich, auf- und abschwellende Tonfolgen. Immer lauter drängten sie aus ihm heraus, während er den Oberkörper wiegte. Immer melodischer verbanden sie sich mit dem Heulen des Flammenmeeres, das sich jetzt, da auch die Holzwände in sich zusammenstürzten, ausbreitete, wogte und wallte wie die Wellen bei Sturmflut vor dem Grevelinger Deich.
Sirenen zerrissen plötzlich von rechts die Harmonie. Falk hörte sie erst, als der erste Löschzug schon vom Zufahrtsweg auf den Hof fuhr und in sicherem Abstand zwischen Scheune und Bauernhaus zum Stehen kam. Feuerwehrleute in schweren Uniformen sprangen heraus, rissen die Schlauchrollen aus den Klappen, koppelten C-Strahlrohre an die Druckschläuche und drangen so weit wie möglich gegen die Hitze vor. Die Flammen schienen nach ihnen zu greifen, so nah kamen die Männer dem Feuer. Kommandos wurden gebrüllt, der Brandmeister stand wie ein General inmitten seiner Truppen, die Mühe hatten, nach dem Befehl »Wasser marsch!« die Schläuche festzuhalten und die Strahlrohre zielsicher in die aufstiebenden Flammen zu richten. Leif Olsen, der Besitzer des Hofes, sprang panisch zwischen ihnen herum, bis der Brandmeister ihn schließlich von einem seiner Männer wegführen ließ. Die Mannschaften dreier Löschzüge waren bald im Einsatz - alles, was Föhr aufzubieten hatte. Eine war allein damit beschäftigt, das Wohnhaus und die angrenzenden Stallungen mit Wasser zu kühlen, damit das Feuer nicht übergriff. Die anderen beiden hegten das Inferno ein und ließen die Scheune, wie Falk schon vermutet hatte, nur noch kontrolliert herunterbrennen. Inzwischen hatten Männer aus dem Dorf die Stalltore aufgerissen und trieben das brüllende Vieh, das immer wieder versuchte, panisch vor dem Feuer auszubrechen, auf die angrenzende Weide.
Jetzt erst bemerkte Falk die vielen Menschen, die sich in seiner Nähe versammelt hatten. Sie mussten von der Festwiese aus herübergerannt sein, um nichts zu verpassen. Jan sah er unter ihnen stehen, seinen jüngeren Bruder. Unkontrolliert mit den Armen durch die Luft wedelnd brüllte der auf Meret ein, seine Freundin, die heftig den Kopf schüttelte. Und auch der Vater war da, stand am Zaun der Koppel und starrte fassungslos auf das zerstörerische Werk des Feuers. Die Mutter war nicht dabei. Falk zog sich weiter in den Schutz des Anhängers zurück. Sie mussten ihn hier nicht sehen. Sein schlechter Ruf als Feuerteufel war legendär. Sie würden ihn sofort in Verdacht haben, niemand würde ihm glauben, dass er nur ein Schaulustiger war wie sie selbst.
Nach zwanzig Minuten war das Feuer unter Kontrolle. Die Anspannung des Brandmeisters ließ merklich nach und auch Falk spürte, dass die Faszination verschwunden war. Der Reiz war weg, hier konnte nichts mehr passieren. Das Feuerwerk in seinen Eingeweiden war nur noch eine Erinnerung, nichts als Schall und Rauch.
Die Flammen waren immer noch heiß und gewaltig, aber sie konzentrierten sich auf den Grundriss der Scheune und würden schon bald keine Nahrung mehr finden. Irgendwann hatte Falk auch zu singen aufgehört - wann, hätte er selbst nicht sagen können. Nun begann die Phase der Ernüchterung. Als ließe sich doch noch etwas von dem Wunderbaren festhalten, suchte er in den flackernden Zungen nach der verheerenden, alles vernichtenden Urgewalt, die ihn eben noch fest im Griff gehabt hatte, aber da war nichts mehr, was ihn nun noch in seinen Bann zu ziehen vermochte. Enttäuscht richtete er sich auf, atmete tief durch, spürte dem brandigen Geschmack der Luft nach und löste seinen Blick von dem knackenden Gluthaufen.
Die Leute hatten sich beruhigt, standen nun schweigend da, als seien sie sich gerade erst bewusst geworden, was geschehen war. Falks Vater aber sah nicht dorthin, wohin alle schauten. Seine Augen waren schreckgeweitet auf ihn, auf Falk, gerichtet. Die Flammen spiegelten sich in diesen Augen, schienen von ihnen geradezu auszugehen und ihn, den älteren Sohn, wie ein Flammenwerfer versengen zu wollen. Auch Jan schwieg nun und hatte sein Gestikulieren eingestellt. Seine Augen folgten dem Blick des Vaters und verwandelten sich in einen Quell des Hasses, als er den Bruder erkannte. Im Bruchteil einer Sekunde wurde Falk klar, was das bedeutete: dass es nun kein Entrinnen mehr gab. Panik ergriff ihn, ließ ihn regelrecht vom Anhänger zurückprallen, ließ ihn stolpern, straucheln, sich auffangen und losrennen, um Zuflucht in der Marsch zu suchen. Weg hier, nur weg von all den Menschen, die sofort zu wissen glaubten, was an der Scheune geschehen war, sobald sie ihn sahen.
Falk rannte kopflos, als ginge es um sein Leben. Zuerst lief er zwischen Feldern und Weiden in die aufziehende Nacht und die Weiten der Marsch hinaus. Schließlich hielt er keuchend inne, mit dem Rücken an einen morschen Zaunpfahl gelehnt, schnappte nach Luft und begann nachzudenken. Wo sollte er hin? Wo konnte er jetzt noch hin, nachdem sie ihn gesehen hatten - Jan und der Vater? Nach Hause, dachte Falk, wohin denn sonst? Sie waren sich sicher, in ihm den Brandstifter erkannt zu haben. Er hatte es in ihren Blicken gelesen. Aber sie würden ihn nicht verraten. Wenn niemand sonst auf ihn aufmerksam geworden war, würden sie schweigen. Zu gewaltig wären die Folgen für sie alle!
Also atmete er durch und orientierte sich mit Hilfe eines entfernt liegenden Aussiedlerhofes, um dann den kürzesten Weg über die Weiden einzuschlagen.
Als Falk den elterlichen Hof betrat, stand die Tür zum Stall offen. Licht brannte drinnen bei den Kühen, er hörte die Forke über den Betonboden kratzen: Seine Mutter war kurz vom Fest nach Hause gegangen, um die Kühe zu füttern. Das erklärte, warum er sie nicht beim Brand auf dem Olsen-Hof gesehen hatte. Gleich anschließend würde sie wieder zurückkehren zu den Alkersumer Landfrauen und erst spät in der Nacht heimkehren. Und dann würde auch sie zu wissen glauben, was geschehen war: Falk, der Brandstifter, ihr Sohn, der Feuerteufel, hatte wieder zugeschlagen. - Würde er sie überzeugen können, dass er nichts damit zu tun hatte? Einmal noch? Nur dieses eine Mal?
Falk lief an der Scheune vorbei direkt ins Haus und zog die Tür hinter sich zu. Hier in der dämmerigen Kühle des Flures atmete er auf, stützte sich auf die Kommode und fühlte dem Zittern nach, das ganz entgegen seiner Gewohnheit Besitz von ihm ergriffen hatte. Als er den Kopf hob, fing er im Spiegel einen Blick aus einem rauchgeschwärzten Gesicht auf, das er nur mühsam als sein eigenes erkennen konnte. Auch das ehemals weiße Uniformhemd der Ringreiter war dunkelgrau mit schwarzen Flecken und...
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