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Auf gute Nachbarschaft - Was ich rechtlich als Nachbar wissen muss
1 Vorwort
»Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.« Ob sich allerdings Friedrich von Schiller beim Verfassen dieser berühmten Worte in seinem Drama Wilhelm Tell des Umfangs möglicher Konflikte zwischen Nachbarn bewusst war, darf mit Recht bezweifelt werden. Schließlich gab es zu seiner Zeit noch keine Grillpartys und lauten Rasenmäher oder Laubbläser. Und auch der Komposthaufen des Nachbarn oder vom Nachbargrundstück überhängende Äste dürften kaum Streit unter den Nachbarn ausgelöst haben.
Ruhestörender Lärm ist heute der häufigste Grund, warum unter Nachbarn die »Fetzen fliegen«. Und unter den »Top Ten« für Nachbarstreit finden sich Haustiere, Gerüche, lästiger Zigarettenrauch, Schmutz und Unfreundlichkeit, die für Ärger sorgen. Zwischen Nachbarn stoßen nicht nur die Grundstücks- oder Wohnungsgrenzen, sondern auch eine Reihe widerstreitender Interessen aufeinander. Zudem haben Nachbarn kaum die Möglichkeit, einander ohne größere Umstände aus dem Weg zu gehen - denn wegen der Immobilität von Grundstück oder Eigentumswohnung lässt sich diese Enge nicht so leicht lösen. Gesteigerter Egoismus und zunehmende Rücksichtslosigkeit sind heutzutage das Grundproblem in unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen auf einem kleineren Raum leben. Die Zunahme von Ruhestörungen ist nicht zuletzt auch auf die wachsende Zahl elektrischer und motorgetriebener Geräte und die zunehmende Eventkultur zurückzuführen, wenn immer häufiger und immer länger bis spät in die Nacht gefeiert wird.
Eigentlich müsste es das oberste Ziel jedes Menschen sein, das Zusammenleben mit dem Nachbarn möglichst erträglich zu gestalten. Leider steht allerdings gegenseitige Rücksichtnahme nicht immer auf der Tagesordnung. Vielmehr werden bereits bei der geringsten Konfliktsituation Anwälte eingeschaltet. Dabei sollten sich doch eigentlich viele nachbarschaftliche Konflikte bereits durch ein einfaches Gespräch aus der Welt schaffen lassen. Soziale Ignoranz steht dem allerdings in vielen Fällen entgegen.
Nachbarrecht ist bundesrechtlich und in weiten Teilen durch Landesrecht geregelt. Die unübersichtliche Gesetzeslage bringt für die Beteiligten das Dilemma mit sich, ihre Rechte realistisch einzuschätzen. Aber nur, wer seine Rechte kennt, kann auch beurteilen, ob er von seinem Nachbarn verlangen kann, die eine oder andere Störung zu unterlassen, oder ob unter Umständen auch eine Störung hingenommen werden muss. Dieser Ratgeber möchte über die Rechtslage bei den verschiedenen nachbarlichen Streitigkeiten informieren.
Allen an einem Nachbarstreit Beteiligten sollte allerdings Folgendes bewusst sein: Juristisch gibt es zwar immer einen Gewinner und einen Verlierer, bei einem Nachbarstreit verlieren de facto jedoch beide Parteien. Schließlich müssen sie ja weiterhin nebeneinander wohnen.
Dr. iur. Otto N. Bretzinger
2 1 Grundsätzliches vorab
In einer Nachbarschaft treffen häufig völlig unterschiedliche Interessen der Nachbarn aufeinander. Die verschiedenen Anliegen der Beteiligten sollen durch die gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts ausgeglichen und so das nachbarschaftliche Zusammenleben gewährleistet werden. Grundlage des Nachbarrechts ist § 903 BGB. Danach kann der Eigentümer einer Sache mit dieser nach seinem Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Diese Einschränkung des Eigentümerrechts ist die Grundlage für den Gesetzgeber, nachbarrechtliche Regelungen zu schaffen. In der Praxis werden die Eigentümerbefugnisse durch zahlreiche Vorschriften des privaten und des öffentlichen Rechts beschränkt. Und dort, wo der gerechte Ausgleich widerstreitender Interessen der Nachbarn über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht, gilt das sogenannte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, aus dem die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme für Eigentümer und Nutzungsberechtigte folgt.
2.1 Nachbarschaft
Die Anwendung nachbarrechtlicher Regelungen setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten Nachbarschaft besteht. In diesem Zusammenhang müssen sowohl räumliche als auch persönliche Voraussetzungen erfüllt werden.
Eine allgemeingültige Definition des Nachbarn findet sich weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) noch im öffentlichen Nachbarrecht. Teilweise enthalten die Nachbarrechtsgesetze der Länder eine entsprechende Begriffsbestimmung. Danach wird als Nachbar der Eigentümer des an ein Grundstück angrenzenden Grundstücks definiert. Diese Begriffsbestimmung beschränkt sich allerdings auf den Anwendungsbereich des jeweiligen Landesnachbarrechts. Grundsätzlich ist für die Bestimmung des Begriffs »Nachbarschaft« letztlich maßgebend, welchen Zweck das jeweilige Gesetz verfolgt und in welchem Umfang Menschen damit geschützt werden sollen.
2.1.1 Räumlicher Bereich der Nachbarschaft
Der räumliche Schutzbereich des Nachbarrechts kann sich auf den unmittelbar angrenzenden Grundstückseigentümer beschränken, er kann sich allerdings auch (insbesondere beim öffentlichen Nachbarrecht) auf alle Grundstückseigentümer erstrecken, die durch die Errichtung, den Betrieb oder die Nutzung einer baulichen oder sonstigen Einrichtung in ihren Rechten beeinträchtigt werden.
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Beispiel: Wird von einem Grundstückseigentümer der für eine Hecke vorgeschriebene Pflanzabstand nicht eingehalten, ist nur der unmittelbar angrenzende Eigentümer in seinen Rechten berührt. Gleiches gilt, wenn Äste von einem auf dem Grundstück stehenden Baum auf das Nachbargrundstück überhängen. Bei von einem Grundstück ausgehenden Immissionen (z.B. Lärm, Schmutz, Strahlungen) können auch räumlich entferntere Grundstückseigentümer beeinträchtigt sein. So gehören alle Personen, die Eigentümer eines Grundstücks sind, das in der Einflugschneise eines Flughafens liegt, zur Nachbarschaft des Flughafens, dem der Lärm der anfliegenden Flugzeuge zuzurechnen ist.
2.1.2 Persönlicher Bereich der Nachbarschaft
Die Frage, welche Personen als Nachbar in Betracht kommen, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, weil dies unterschiedlich gesetzlich geregelt ist.
Nach dem Landesnachbarrecht ist Nachbar regelmäßig der Eigentümer des an ein Grundstück angrenzenden Grundstücks. Mit »Eigentümer« sind der Allein-, Mit- und der Wohnungseigentümer gemeint. Im Falle der Belastung des Grundstücks mit einem Erbbaurecht tritt der Erbbauberechtigte an die Stelle des Eigentümers.
Achtung: Soweit ausnahmsweise auch Nutzungsberechtigten wie Mietern oder Pächtern nachbarliche Rechte eingeräumt werden, ist dies in den Landesnachbarrechtsgesetzen ausdrücklich festgelegt. Dies gilt beispielsweise für das Hammerschlags- und Leiterrecht oder die Höherführung von Schornsteinen, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen (vgl. dazu 2.13).
Im öffentlichen Baurecht ist Nachbar stets nur der Eigentümer, nicht auch der Mieter oder Pächter. Eine Klage gegen eine Baugenehmigung kann also nur vom im Grundbuch eingetragenen Grundstückseigentümer geführt werden. Nicht als Nachbar gelten Mieter oder Pächter. Diese müssen sich deshalb an den Eigentümer halten.
Zweck des Immissionsschutzrechts ist es, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Der Begriff »Nachbarschaft« wird in diesem Zusammenhang weiter gefasst als im Baurecht. Geschützt werden nicht nur Eigentümer und eigentumsähnlich dinglich Berechtigte (z.B. Erbbauberechtigte, Nießbraucher), sondern alle Personen, die ihren dauernden Aufenthalt oder sonstigen Lebensschwerpunkt im Einwirkungsbereich der Anlage haben und sich daher deren Auswirkungen nicht nachhaltig entziehen können. Dazu zählen auch Mieter von Wohnraum mit ihren dort wohnenden Familienangehörigen oder Arbeitnehmer, nicht jedoch Kunden eines Betriebs.
2.2 Grundeigentum - Umfang und Grenzen
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird regelmäßig nicht zwischen Eigentum und Besitz unterschieden. Gleichwohl ist diese Unterscheidung im Nachbarrecht von wesentlicher Bedeutung, weil dem Eigentümer wesentlich umfangreichere Rechte zustehen.
2.2.1 Befugnisse des...
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