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Nach einer Aufführung von Haydns »Schöpfung« in Weimar schrieb Carl Friedrich Zelter unter Goethes Augen einen Aufsatz, in dem er Haydn die Merkmale des wahren Genies bescheinigt, nämlich Naivität und Ironie. Ich werde später auf diese Behauptung zurückkommen. Die Frage, ob Goethe selbst musikalisch war und wie viel Musik er brauchte, ist oft gestellt worden. Der Anteil der Musik an Goethes Leben wird gewöhnlich unterschätzt.
Betrachten wir zunächst, was Goethe selbst über Musik gesagt und geschrieben hat. Ich zitiere:
Und hier noch ein paar Gedichtzeilen:
Wir sind hier in das Gebiet der Ironie geraten. Mit den Widersprüchen in Goethes Natur will ich mich später beschäftigen.
Trotz seiner enzyklopädischen Interessen, seiner riesigen Arbeitsleistung als Autor, seiner intensiven Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, seiner Belesenheit im Griechischen und Lateinischen, seiner Kenntnis englischer, französischer und italienischer Schriftsteller, seiner Verantwortung für die Universität von Jena und seinen Staatspflichten ist Goethes Verbindung mit der Musik kaum jemals unterbrochen worden. Seine Beschwörung, man solle nie lesen, immer singen, ist fast wörtlich zu nehmen. Schon ein frühes Gedicht, das er kaum 17-jährig in englischer Sprache schrieb, enthält die Zeilen: I hum no supportable tune / I can no poet be. (Ich summe keine geeignete Melodie, also kann ich kein Dichter sein.) Viele seiner Gedichte waren schon in der Vorstellung mit Musik verbunden. Gedichte mussten so schnell wie möglich komponiert werden, manche waren schon von vornherein auf bereits existierende Melodien zugeschnitten. Einige von Goethes oder Schillers Gedichten wurden gleich mit beigefügten Musiknoten publiziert. Die wunderbaren Gedichte, die in Goethes »Wilhelm Meister« mysteriös auftauchen, erschienen im Erstdruck des Romans schon in Reichardts Vertonung. Goethe nannte zahlreiche seiner Gedichte »Lieder« - in allen seinen Ausgaben der gesammelten Werke standen sie am Anfang. Nach Goethes Wunsch mussten die Kompositionen einfach bleiben, durften den Text nicht stören und mussten die Anfangsmelodie, ob es nun drei Strophen waren oder zehn, beibehalten, ein Schema, das vom Volkslied herrührte. Das hört sich heutzutage mühsam an und konnte schon damals nur den Vorteil haben, dass die Melodie sich dem Gedächtnis einprägte. Ferdinand Hiller nannte es eine »idealisierte Bänkelsänger-Manier«. Abwechslung schaffen musste der deutlich deklamierende Sänger. Nicht der Komponist sollte charakterisieren, sondern der Interpret. Dieses Schema entsprach den Grundsätzen der Ersten und Zweiten Berliner Liederschule, denen Reichardt bzw. Zelter als ihre bemerkenswertesten Mitglieder angehörten. Die hier geforderte Einfachheit war die Reaktion auf barocke Kompliziertheit und auf die Virtuosität italienischer Koloraturarien. Das Ziel war, mit Hilfe weniger Noten den Hörer unprätentiös ans Herz zu greifen.
Goethe liebte es, seinen Komponistenfreunden zu sagen, wie sie komponieren sollten, und zwar nicht nur seine Gedichte, sondern auch seine Opernlibretti. Mit der Oper hat Goethe sich nämlich die längste Zeit seines Lebens abgegeben. Aber es mussten leichte Opern sein, wie sie damals die Opera comique, Opera buffa und das Singspiel vor Augen führten. Goethe schätzte die Opera seria gar nicht und zog die Vergnügtheit Cimarosas bei weitem vor. Der Sänger Eduard Genast hat verzeichnet, dass Goethe mit seiner Bassstimme komische Texte unvergleichlich deklamierte, während sich im Tragischen manchmal falsches Pathos einschlich. Sein Freund Kayser bezeugte, dass in Goethes Libretti die Oper quasi schon vorauskomponiert war; die Anweisungen waren so detailliert, dass dem Komponisten wenig Bewegungsfreiheit übrig blieb. Eine ganze Reihe dieser Libretti wurde zu seinen Lebzeiten vertont und aufgeführt, und einige sogar in seine Gesammelten Werke aufgenommen. Unter den Komponisten waren Johann André, Philipp Christoph Kayser, Karl Siegmund von Seckendorff, die Sängerin und Schauspielerin Corona Schröter, die Herzogin Anna Amalia und Johann Friedrich Reichardt. Dreizehn verschiedene Versionen von »Claudine von Villa Bella« und sechzehn von »Jery und Bätely« sind bekannt. Noch im 20. Jahrhundert komponierte Othmar Schoeck »Erwin und Elmire« und der Schönberg-Schüler Egon Wellesz »Scherz, List und Rache«. Hofmannsthal studierte Goethes Operntexte und schrieb ein Vorwort für einen Sammelband. Keine der komponierten Fassungen machte allerdings einen bleibenden Eindruck, und der Triumph von Mozarts »Entführung« stellte alle anderen Versuche, ein deutsches Singspiel zu präsentieren, in den Schatten.
Goethe war geradezu besessen von Lied und Gesang. Im Lied musste die Musik unmittelbar dem Wort und der Wortmelodie entnommen werden und allen Verlockungen, das Gedicht zu illustrieren, aus dem Weg gehen. Wie sein Mentor Herder war er davon überzeugt, daß es die Musik sei, von der alle Dichtungen herkommen und wohin sie zurückkehren. Als Goethe in jungen Jahren auf Herders Wunsch elsässische Volkslieder und Balladen sammelte, sang er sie seiner Schwester Cornelia vor, die sie niederschrieb. »Des Knaben Wunderhorn«, die Sammlung von Volkspoesie Achim von Arnims und Clemens Brentanos, erschien 1806 mit einer Widmung an Goethe, der das Werk freundlichst aufnahm.
In der orientalischen Dichtung, die Goethe später so entzückte, spielt neben dem Lieben, Trinken und Beten das Singen eine wichtige Rolle. Marianne von Willemer, deren Gedichte im »West-östlichen Divan« Goethe mit seinen eigenen vereinigte, erfreute ihn durch die Fähigkeit, ihre Lieder zur Gitarre zu singen. Musik steht auch im Zentrum von Goethes letztem Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«. Für die Bewohner der pädagogischen Provinz ist Gesang der erste Schritt ihrer Erziehung, dem alles übrige nachfolgt und der alles weitere erreichbar macht. Wo in den Wanderjahren Menschen zusammenkommen, wird gesungen. Goethe selbst brauchte immer jemanden, der ihm vorsang. In Weimar waren es drei junge Frauen: Caroline Bardua, Dlle Brand und Ernestine Engels, die das besorgten. In späteren Jahren, als Goethe selten das Haus verließ, hielt er sich sein eigenes Collegium Musicum Vokale, das in Christianes Räumen seine Proben abhielt und mit einer einfachen Mahlzeit belohnt wurde. Manchmal griff er in die Proben ein und gab Ratschläge zu Tempo und Ausdruck....
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