Schweitzer Fachinformationen
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Warum sagen wir »sich verlieben« und nicht »sich fallen lassen«? Denn wünschen wir uns nicht genau das, wenn wir auf der Suche nach einer Beziehung sind? Wir springen aus unserem sicheren, bequemen Alltag ins Ungewisse. Wir versinken in strahlenden Augen. Wir öffnen unser Herz wie einen Fallschirm, streifen alle Masken ab, lassen alle Kleidungsstücke zu Boden gleiten. Und wir fragen uns, wie hart der Aufprall diesmal sein wird. Wir spüren den Verlust unserer Kontrolle. Die Ungewissheit. Ein pochendes Herz. Angst. Die Hoffnung, dass diese Schwerelosigkeit für immer da ist. Den Wunsch, gehalten zu werden. Den Wunsch, gesehen zu werden. Von ebendiesen Augen, in die wir uns, tief und sanft und ohne dass wir damit gerechnet hätten, sinken lassen.
Wahrscheinlich hat sich Verlieben immer schon so angefühlt. Doch Dating im 21. Jahrhundert scheint ungleich schwieriger. Und weil die Liebe uns rätselhaft und wunderlich erscheint, springen wir mit tausend Sicherheitsmechanismen. Paradoxerweise machen erst unsere Schutzvorkehrungen Verlieben so gefährlich. Das, was uns schützt, bricht uns auch das Herz.
Wer mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springt, verspürt Angst und Herzklopfen, den Adrenalinstoß, wie beim Verlieben. Vor Angst und Anspannung wollen wir uns vielleicht ganz klein machen. Aber wenn wir uns zu sehr verbiegen und verkrümmen, wirbelt es uns im freien Fall viel mehr, als wenn wir unsere Haltung einigermaßen behalten. Natürlich müssen wir die Reißleine ziehen, damit der Fallschirm aufgeht. Aber lösen wir sie zu früh, kann es passieren, dass wir noch nicht genügend Abstand zum Flugzeug bekommen haben. Das Risiko ist dann, dass sich der Fallschirm nicht richtig öffnet oder verheddert.
Beim Landen dürfen wir uns weder zu steif machen, denn sonst brechen wir uns die Beine, noch dürfen wir uns spannungslos auf den Boden fallen lassen, weil wir uns sonst alle anderen Knochen brechen. Wir müssen unsere Knie eng zusammenpressen, aber der Rest unseres Körpers braucht die Lockerheit, um einfach abzurollen. Das, was uns schützt, kann uns also auch die Beine brechen. Das Gleiche gilt fürs Verlieben.
Es ist nicht immer die andere Person, die für unseren Liebeskummer verantwortlich ist. Manchmal zerbrechen wir an dem, was uns schützen soll.
Unsere Sicherheitsmechanismen zeigen sich als Zweifel an dem, was wir auf unseren Bildschirmen sehen. Sind die Augen wirklich so strahlend oder ist es nur ein Filter? Doch wenn wir von Anfang an zweifeln - und uns trotzdem darauf einlassen -, überkommen uns Scham und Wut und Resignation, wenn es wie erwartet nicht klappt. Wir hätten es doch besser wissen müssen, schimpfen wir uns selbst. Wir haben es uns selbst vorhergesagt.
Wir müssen so viel mehr Schichten abstreifen, weil wir uns zuvor so dick eingepackt haben: Auf unserem Profil perfektionierten wir uns mit schmeichelhaften Fotos; wir feilten an schlagfertigen Antworten; wir bewahrten emotionale Distanz, indem wir noch mit drei anderen schrieben. Aber dann sind wir uns natürlich unsicher, ob wir geliebt werden können, wenn wir nackt und so sind, wie wir sind.
Selbst wenn wir nackt und schutzlos sind, dann sind wir das so kurz, so betrunken, so unverbindlich, dass eigentlich niemand die Chance hat, uns wirklich zu sehen. Und würden wir es überhaupt aushalten, wenn uns jemand sieht? Denn wir zeigen oft nur einen kleinen Teil von uns. Den Teil, von dem wir meinen, dass er attraktiv und stark und so kratzfest wie Edelstahl ist.
Die Seiten, die so wichtig wären für eine authentische, lebendige Beziehung, verstecken wir hingegen, weil wir uns für sie schämen. Aber wie soll jemand dann wissen, dass wir auch eine andere, weichere, verletzlichere Seite haben und nicht nur stark sind? Bisweilen schmeißen wir unsere verletzlichen Seiten unserem Gegenüber im Streit vor die Füße. Dann, wenn unsere Schmerzen zu stark sind, um sie weiterhin verstecken zu können. Aber wenn wir in Rage unserem Gegenüber unser Innerstes hinwerfen - wie soll er dann wissen, dass er gerade etwas ganz Zerbrechliches, Fragiles, Besonderes geschenkt bekommt?
Unsere Schutzmechanismen verletzen uns manchmal mehr, als dass sie uns helfen. Die Schutzmechanismen, die in uns angelegt sind, sind überlebenswichtig und haben gute Gründe - aber wir müssen lernen, mit ihnen smart umzugehen. Wir müssen lernen, wie wir smart lieben.
Wir haben also gute Gründe, für uns zu bleiben, nicht zu springen und gar nicht auf die Suche zu gehen. Die Welt ist wild. Trotzdem sind wir mutig. Trotzdem hoffen wir. Immer wieder. Sonst hättest du wahrscheinlich nicht dieses Buch in der Hand. Wir meinen oft, dass Liebe großen Mut bräuchte. Aber eigentlich ist es andersherum.
Wir sind mutig, weil wir Liebe in uns haben.
Mut beginnt in unserem Herzen. Nicht umsonst enthält das Wort »Courage« das lateinische Wort für »Herz«: cor, und lässt sich auch mit »Beherztheit« umschreiben. Und das sage ich nicht nur als Paartherapeutin. Oder weil ich ein Faible für Sprache habe. Oder weil ich zu viele romantische Komödien in meinem Leben gesehen habe. Ich sage das als Wissenschaftlerin. Liebe ist kein Kitsch und keine Erfindung von Hollywood. Liebe ist ein in uns vorprogrammierter Überlebensmechanismus. Unser ganzer Organismus ist darauf ausgelegt, sich verbunden zu fühlen.
Erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts erkannte John Bowlby die Bedeutung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Er sah als Kinderarzt und -psychiater tagtäglich, wie Kinder im Krankenhaus allein gelassen wurden, und erkannte, wie essenziell die Präsenz ihrer Bezugspersonen für die Heilung war. Kinder werden mit dem Bedürfnis nach engen, vertrauensvollen Beziehungen geboren. Sie brauchen diese, um sich gut zu entwickeln. Bowlby identifizierte dabei drei Bindungstypen.
Die Bindungstheorie auch auf Erwachsene anzuwenden, hat fast weitere 30 Jahre gedauert. Bis dahin lautete der Tenor: Erwachsene sind irgendwann selbstständige Individuen. Irgendwann können wir auch ohne andere Menschen überleben. Irgendwann sind wir autark und unabhängig. Und vielleicht glauben manche von uns das auch heute noch. Schließlich sind »Generation Beziehungsunfähig«, »Ghosting« oder »Relation-Shop« geflügelte Wörter unserer Zeit. Unsere Eltern sind mit dem Schweigen ihrer Eltern aufgewachsen. Unsere Großeltern hatten keine Zeit, um sich ihren Kriegstraumata zu widmen. Wie hätten wir kollektiv erleben können, was es bedeutet, »sicher gebunden« zu sein?
Unzählige Studien bestätigen, wie heilsam und lebensnotwendig authentische Beziehungen sind.
Doch die Studien zur Bindungstheorie zeigen eben andere Ergebnisse. Auch wenn wir so tun, als würden wir niemanden brauchen, empfinden wir bei sozialem Verlust Stress und Unsicherheit. Sue Johnson sagt: »Wir werden nie zu dem Punkt erwachsen werden, dass wir andere Menschen nicht bräuchten.« In ihrer Arbeit als Paartherapeutin bemerkte Sue Johnson immer wieder ähnliche Streitmuster bei den Paaren, die zu ihr kamen. Muster, die sie an Erkenntnisse aus der Bindungstheorie erinnerten. Also übertrug sie die Bindungstheorie auf Beziehungen zwischen Erwachsenen und erforschte außerdem, was es für stabile Paarbeziehungen braucht. Während Sue Johnson vor allem mit Paaren arbeitete, wendete Les Greenberg die Bindungstheorie auf die Arbeit mit Einzelpersonen an.
Wenn wir uns verbunden fühlen, gehen wir mit Schmerzen leichter um, erscheinen uns Herausforderungen als leichter zu bewältigen, wir werden seltener krank, wir leben länger. Erst wenn Hypothesen den Test der Zeit bestanden haben, nennen wir sie Theorie - und das gilt auch für die Bindungstheorie. (Mehr zur Bindungstheorie findest du in Kapitel 3.)
Wir alle wünschen uns Partner*innen, mit denen wir uns unterhalten und auf die wir uns verlassen können, denen wir vertrauen können, die uns vertrauen. Wir möchten eine Beziehung, die echt ist und in der wir wachsen können. Eine Beziehung, in der wir wir selbst sind. In der die Chemie stimmt. In der wir uns gegenseitig glücklich machen. In der wir nicht verletzt werden - oder zumindest davon ausgehen, dass die andere Person ihr Bestes dafür tut, es zu verhindern. In der wir akzeptiert werden. Und in der jemand interessiert nachfragt, was uns in diesem Buch berührt, anstatt uns dafür zu verurteilen.
Vielleicht war dir das bereits klar. Aber darf ich dir Fragen stellen und du gibst dir selbst eine ehrliche Antwort darauf? Ich stelle dir diese Fragen nicht, damit du jetzt nächtelang wach liegst und sie alleine in deinem Kopf wälzt - denn dazu neigen wir manchmal, nicht wahr? Ich stelle dir diese Fragen, um dich mit auf eine Reise zu nehmen. Lerne, die Beziehungswelt aus einer neuen Perspektive zu sehen, nutze die wissenschaftlich untersuchten Zusammenhänge für dein Glück, erfahre, was es bedeutet, sich sicher verbunden zu fühlen. Date smart.
SELBSTREFLEXION
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