Schweitzer Fachinformationen
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Mir läuft eine Schweißperle den Nacken hinunter, als ich noch mal auf alle viere gehe, um nachzuzählen. Vielleicht habe ich mich ja die ersten drei Male vertan.
»Achtundvierzig, neunundvierzig, fünfzig, einundfünfzig.« Wie eine Lehrerin, die ihre Schüler im Bus durchzählt und betet, keinen im Clara-Lara-Vergnügungspark vergessen zu haben, rattere ich die Zahlen runter. Vielleicht bleibe ich einfach unter dem Weihnachtsbaum sitzen und komme nie wieder raus. Oder zumindest erst, wenn dieser Nachmittag vorbei ist.
Einundfünfzig Geschenke. Dreiundfünfzig Leute, und nur einundfünfzig Wichtelgeschenke. Zwei nichtsnutzige Idioten haben es offenbar nicht für nötig befunden, heute ihren Hintern ins Büro zu bewegen, um etwas unter den Baum zu legen. Sie haben sich wahrscheinlich einen Tag zu Hause gegönnt, da die heutige Weihnachtsfeier allgemein als Ausrede dient, es im Büro eher langsam angehen zu lassen. Außer man leitet die Projektgruppe Weihnachtsfeier und hat die Aufgabe übernommen, das Wichteln zu organisieren. Früher hat Donna das gemacht. Und obwohl ich es bestimmt nicht vermisse, wie sie morgens immer bei jedem Bissen Haferbrei mit ihren Zähnen am Löffel entlangscharrte, fehlt sie mir gerade jetzt doch sehr. Anstatt es einfach »Wichteln« zu nennen, ist sie immer zwischen »Christeln«, »Wichten« und »Julklapp« wild hin- und hergewechselt, was mich beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Aber sie hat militant dafür gesorgt, dass alle, die beim Wichteln mitmachen wollten, ihr Geschenk auch rechtzeitig unter den Baum legten. Dass die Firma jetzt auf sie und ihr außergewöhnliches Festorganisationstalent verzichten muss, ist wohl der größte Verlust, zu dem der kürzliche Skandal bei RentenPlus geführt hat. Na ja, abgesehen von den Millionen von Euro, die bei der verfluchten Transaktion verschwunden sind. Aber mir fehlen gerade nicht Millionen von Euro, sondern zwei Geschenke. Und wenn nach der Mittagspause der große Päckchenaustausch stattfindet, werden alle Blicke auf mich gerichtet sein. Was soll ich bloß tun?
Ich stehe ganz lässig neben dem Baum wieder auf und schaue mich verstohlen im Büro um, ob irgendwas herumliegt, das ich als Ersatzgeschenk einpacken könnte. Eigentlich wollte ich mir in der Mittagspause für die Feier nachher die Haare stylen lassen. Ich habe ein wunderschönes Spitzenkleid von Dorothy Perkins, und gestern habe ich noch daran gedacht, mir passend zu meinen Stöckelschuhen eine hautfarbene, zehenfreie Feinstrumpfhose zu besorgen. (Acht Euro für eine Strumpfhose! Wenn nicht Weihnachten wäre, hätte ich mich geweigert, sie zu kaufen.) Jetzt muss ich wohl meinen Friseurtermin sausen lassen, um noch zwei Geschenke zu besorgen, damit niemand mit leeren Händen dasteht. Taugt vielleicht irgendetwas, das hier rumliegt?
Mein Blick fällt auf ein Basecap mit einem Werbeschriftzug auf einem der IT-Schreibtische. Würde das als Geschenk durchgehen? Wenn ich mit Tipp-Ex den Schriftzug überpinsele? Und was ist mit der Flasche Ouzo, die einer aus der Buchhaltung von einer Woche Urlaub auf Mykonos mitgebracht hat? Warum man nicht einfach diese riesigen Milka-Tafeln mitbringt, ist mir übrigens schleierhaft. Meine Toblerone- und Milka-Mitbringsel besorge ich immer hier im Supermarkt. Ich zahle doch nicht die horrenden Preise am Flughafen! Eine klebrige Flasche mit untrinkbarem Gift würde ich allerdings nie mitbringen. Dann wenigstens Pinot Gris oder Weinschorle im Doppelpack, wenn man keine Schokolade kaufen will. Jedenfalls geht die Flasche Ouzo wohl kaum als Weihnachtsgeschenk durch. Also muss ich gleich zur Mittagspause losrasen und panisch ein paar Sachen unter zehn Euro besorgen. Ich weiß ja noch nicht mal, wer die Beschenkten sind! Und ich habe keine Zeit, die Liste durchzugehen, um herauszufinden, welche Namen in der Ansammlung von eingepacktem Krimskrams unterm Baum fehlen. Was für ein Stress!
* *
Wenn mich nicht alles täuscht, trägt Declan Ryan tatsächlich seine riesige Weihnachtsmann-Krawatte. Drückt man hinten auf einen Knopf, klappt der Bart runter, und der Weihnachtsmann streckt einem sein nacktes Hinterteil entgegen - dazu ertönt eine blecherne Version von »Jingle Bells«. Nicht gerade mein stolzester Moment, was Geschenke angeht. Aber nachdem ich schwitzend durch die Lebensmittelabteilung von Dunnes geirrt und mit möglichst neutralen Sachen wieder herausgekommen war (einer Flasche Wein, einer abnormal großen Packung After Eight und einem Achterpack AAA-Batterien), bekam ich Panik. Auf dem Rückweg ins Büro kaufte ich daher die Krawatte als Beigabe zu den After Eight bei Datentyp, einem Handy- und Computerladen. Handy- und Computerladen trifft es nicht ganz, denn hier kann man alles Mögliche kaufen, während man auf die Reparatur seines gesprungenen Displays wartet. Und wenn einem danach ist, kann man auch ein Fax verschicken. Bei meinem Handy muss das Display natürlich nie repariert werden. Meine zuverlässige Schutzhülle sorgt dafür, dass es jederzeit sicher ist. Und bei einem dubiosen Händler würde ich es sowieso nicht reparieren lassen. Erlischt dadurch nicht sogar der Versicherungsschutz? Außerdem stehlen sie dann bestimmt deine Kontakte und schicken dir Nacktbilder und was weiß ich.
Jedenfalls scheint Declan ganz begeistert von seiner Krawatte zu sein. Er schlenkert über die Tanzfläche und entblößt den Hintern vor jedem, der ihn auch nur anguckt. Siobhán von der Personalabteilung war genauso begeistert von der Flasche Wein, aber angesichts der Batterien verständlicherweise verdutzt. Sie ahnt wohl, dass die Geschenke von mir sind. Ich musste sie ihr überreichen, da ihr Wichtelpartner ja nicht da war. Mein »Hohoho, das hat wohl ein kleiner Weihnachtself extra für dich ausgesucht« überzeugte sie nicht. Ich wäre ja begeistert, wenn ich Batterien geschenkt bekommen würde. So praktisch für Fernbedienungen.
Donal von der IT und Marie vom Empfang glänzen durch Abwesenheit - die zwei, deren Geschenke mit ihrem Namen drauf unterm Baum liegen geblieben sind. Morgen werde ich ihnen die Belege für den Wein, die After Eight, die Batterien und die Hinternkrawatte präsentieren.
»Wollen wir tanzen, Ais?«
Sadhbh kommt auf mich zu, nimmt einen Schluck von ihrem Rotwein und streckt mir die Hand entgegen. Sie hat sich letzte Woche die Haare gefärbt. Obwohl sie meine Mitbewohnerin ist, zucke ich immer noch jedes Mal zusammen, wenn ich sie sehe, obwohl ich es bestimmt gut verberge. Grau. Welche Neunundzwanzigjährige färbt sich, bitte schön, die Haare grau? Manchmal glaube ich, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Aber seit sie nicht mehr nur die Kollegin oben aus der Personalabteilung ist, sondern meine beste Freundin hier in Dublin, habe ich mich an ihre Hipsterart gewöhnt. Sie hat sich für heute Abend die Spitzen lila gefärbt und sieht wie immer wunderschön aus. Das ist eben Sadhbh. Sie würde sogar in einer Plastiktüte gut aussehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie schon mal eine anhatte. Dem Augenschein nach würde man nicht denken, dass wir uns so gut verstehen, aber Gegensätze ziehen sich bekanntlich an.
Wir mussten dieses Jahr Getränkemarken ausgeben, da die offene Bar letztes Mal dafür gesorgt hat, dass drei Leute nach einer besonders heiseren Darbietung des Weihnachtsliedes »Fairytale of New York« von The Pogues im Krankenhaus gelandet sind. Wenn die Getränke umsonst sind, werden die Leute zu leichtsinnig und bestellen wie die Irren doppelte Brandys und Gin-Cocktails, um hektisch so viel wie möglich zu trinken, bevor die Bar schließt. Außerdem haben mir die höheren Mächte zu verstehen gegeben, dass das Budget nach dem Geldskandal begrenzt ist. Der Hotelsaal und das Abendessen waren schon gebucht, das konnten wir nicht mehr rückgängig machen. Die vier Getränkemarken pro Person dagegen wurden am frühen Abend mit nicht gerade wenig Gemecker entgegengenommen. Das hat die gesamte Wertsicherungsabteilung allerdings nicht davon abgehalten, zu den Klängen von »All I want for Christmas is you« in einer ziemlich gefährlich aussehenden Polonaise über die Tanzfläche zu ziehen, während der arme alte Des, ihr langmütiger Teamleiter, sich verzweifelt am Ende festklammerte.
Sadhbh hatte gemeint, ob es nicht besser für mich gewesen wäre, die Organisation an jemand anderen abzugeben, weil ich doch in letzter Zeit viel durchgemacht habe: Daddys Tod, mich um Mammy kümmern und obendrein in letzter Minute auch noch Elaines Junggesellinnenabschied organisieren. Ich war aber froh über die Ablenkung und bin gern beschäftigt und tatsächlich nie so ausgeglichen, wie wenn ich einen JGA plane. Nur vor Weihnachten graut mir. Und wie!
Elaine hat versucht, sich vor dem Junggesellinnenabschied zu drücken, aber ich war fest entschlossen, ihn noch vor ihrer Hochzeit an Silvester reinzuquetschen. Ich kann noch immer nicht fassen, dass Ruby und sie direkt vor meinen Augen eine Beziehung hatten und ich es nicht gemerkt habe. Monatelang habe ich in Elaines Wohnung gewohnt und mich nie wirklich gefragt, warum Ruby fünfmal die Woche zum Frühstück da war. Ich dachte, sie wären einfach enge Freundinnen, die sich einen Netflix-Account teilen. Im Nachhinein ist es ziemlich offensichtlich, dass sie zusammen waren. Majella, meine beste Freundin von zu Hause, die in Phibsboro wohnt, macht sich noch immer deswegen über mich lustig. Dabei hat sie es auch nicht kapiert, obwohl sie regelmäßig bei unseren Freitagabend-Weingelagen dabei war. So viel zu ihrem berühmten Gaydar. Jedenfalls kommen sie um den Junggesellinnenabschied nicht herum. Nur über meine Leiche! Ich war natürlich überhaupt nicht überrascht, dass Elaine keinen wollte. Enttäuscht schon, aber nicht überrascht. In dem Jahr, das ich sie...
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