Schweitzer Fachinformationen
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Die vier Mann standen an der Luke und warteten auf die Erlaubnis, nach draußen zu gehen. Unter den Fischern, die auf der Beringsee arbeiteten, herrschte brüderliche Kameradschaft, obwohl Schlafmangel und ständig drohende Gefahren die Gemüter oft erhitzten. Mit einer Sterberate von 25 Prozent unter denjenigen, die mutig oder verrückt genug waren, ihren Lebensunterhalt auf dem Meer bestreiten zu wollen, stand jeder Neuling innerhalb der Mannschaft vor einer schwierigen Aufgabe. Man verdiente sich einzig dadurch Anerkennung, dass man an der Knochenarbeit teilnahm und sowohl dem Kapitän als auch den Kameraden in der Crew gegenüber körperliche wie geistige Stärke bewies.
»Hey, Rainwater, was hältst du von deinem ersten Eindruck der Beringsee?«, höhnte Mackay, als er sich seinen gelben Regenmantel überstreifte.
»Ich fische nicht zum ersten Mal, weißt du? Nur hier draußen war ich noch nicht.«
»Erfahrung hin oder her, auf einen solchen Höllenritt kann man sich nicht gefasst machen. Frag nur Grimshaw, der hat sich schon ausgeklinkt, obwohl wir noch gar nicht losgelegt haben.«
»Ich bin kein Drückeberger.«
»Das sagen sie alle. Ich gehe davon aus, dass Grimshaw jetzt ganz anders daherreden würde - wenn er den Kopf lange genug aus seinem Arsch ziehen könnte, um es zu tun.«
Rainwater stellte seine Nervosität hintan, um dem Schotten den Stinkefinger zu zeigen, und schaffte es sogar, breit zu grinsen.
»Wenn du alter Sack das noch hinkriegst, kann ich es auch.«
»Was du bisher gesehen hast, war harmlos, Junge. Warte, bis das Wasser gefriert oder einige der hohen Wellen über uns hereinbrechen. Vielleicht kannst du dich dann gemeinsam mit Grimshaw verkriechen.«
»Hohe Wellen?«, hakte Rainwater nach, weil er sich fragte, um wie vieles höher jene noch schlagen mochten, von denen das Schiff momentan schon bedrängt wurde.
»Ich hab hier draußen schon welche von 40, 50 Fuß erlebt.«
»Unfug«, behauptete Rainwater, erkannte dann aber mit Entsetzen, dass Morales nicht scherzte.
»Vor ein paar Jahren, als wir in der Gegend um Kiska auf Fischfang waren, brachte uns eine von 40 Fuß zum Kentern. Wir bemerkten überhaupt nichts davon, bis wir uns im Wasser wiederfanden. Sie traf uns von der Seite und rollte über uns hinweg, als ob wir nicht dort gewesen wären. Wir konnten von Glück reden, dass wir es überlebten.«
»Und dann geht dieser Trottel hin und beschließt, wieder in See zu stechen«, warf Mackay ein.
»Was soll ich sagen? Ich liebe es hier draußen. Vielleicht sind wir alle ein bisschen bescheuert, hm? Was ist mit dir, Frischling, bist du dem Leben auf dem Beringmeer gewachsen, was meinst du?«
»Als könnte er es sich aussuchen«, versetzte Mackay. »Schließlich gehört das Schiff seinem Daddy. War von vornherein klar, dass es einmal so kommt, nicht wahr, Junge?«
Rainwater hätte gern gewusst, weshalb ihn der Kommentar so verärgerte. Ihm war klar: Dass sie ihn aus der Reserve locken und ihm als Neuling - Grünschnabel eben, wie man seinesgleichen nannte - das Leben schwermachen wollten, gehörte zur Einführung in den Alltag an Bord eines Krabbenkutters. Egal, wo der Grund lag, er wollte sich nicht unterstellen lassen, eine Sonderbehandlung zu bekommen.
»Ich erwarte nicht, dass es hier draußen eine Extrawurst für mich gibt.«
»Hast du deinen Nachnamen deswegen zu Rainwater geändert - weil du nicht als Harris' Spross abgekanzelt werden wolltest?«, fragte Mackay und wartete auf eine Reaktion.
»Ich habe meine Gründe, ja. Man sollte mich anhand meiner Leistungen beurteilen, nicht aufgrund meiner Herkunft.«
»Ach, mach dir darum keine Gedanken«, erwiderte Mackay. »Du wirst schneller an die Köderbox kommen, als dir lieb ist, und knietief im Matsch und Fischgekröse stehen.«
»Kann's kaum erwarten«, murmelte Rainwater, was seine beiden Gefährten anscheinend lustig fanden.
»Keine Sorge, Junge«, sprach Morales. »Denk einfach an die Kohle, die bei dieser Fahrt herumkommt. Diese Arbeit gilt nicht umsonst als härteste auf der Welt. Dann hoffen wir mal, dass uns Daddy nicht untergehen lässt, was?«
Joey kam zu ihnen, woraufhin sie sich aufmachten, um durch die Luke zu gehen.
»Jetzt wird's ernst, Männer, lasst uns ein paar Krabben hochholen«, sagte er, indem er sie öffnete und hinaus aufs Deck trat, woraufhin eine Bö einen Schwall Regen hereinwehte.
»Komm, Frischling, packen wir's«, fuhr er fort und zog den Kopf ein, ging los und beugte sich gegen den Wind nach vorne.
Rainwater zog sich die Kapuze seines Mantels über den Kopf und folgten den beiden hinaus.
Drinnen war ihm schon flau im Magen gewesen, doch das ließ sich nicht annähernd mit den fürchterlichen Bedingungen an Deck vergleichen. Der Regen prasselte so heftig, dass es wehtat, und der Sturm brüllte fast so laut wie die aufgewühlte See, welche den Kutter schaukelte, als hätte sie ihre helle Freude daran.
Normalerweise holte man Krabben an Bord der Red Gold zu fünft ein, doch da sich Grimshaw schon aus der Affäre gezogen hatte und die restliche Zeit dieses Abstechers unter Deck absitzen würde, oblag es ihnen allein, die Körbe aus dem Wasser zu hieven und nachzuschauen, ob ihnen etwas in die Falle gegangen war. Dem nicht nachzukommen bedeutete, dass niemand entlohnt wurde und das ganze Unterfangen fehlschlagen konnte. Umgekehrt standen ihnen, so die Kästen voll waren, über 30.000 Dollar pro Kopf für ihre Bemühungen zu. Wie immer bediente Joey als Vorarbeiter an Deck den Hebekran mit Seilzug, den man brauchte, um die je 90 Pfund schweren Krabbenkörbe aus dem Ozean zu ziehen. Mackay hielt den Haken fest, den er auf die an der Oberfläche treibenden Baken der Körbe werfen würde, um sie einzuholen. Wenn die (hoffentlich gefüllten) Behälter aus Stahlstreben und Draht aus dem Wasser kamen, sollten er und Morales sie freischwebend hinüber zum Sortiertisch schwenken. Darüber leerte man sie dann, damit die Crew den Fang sichten konnte, wobei sie alle Jungtiere oder Weibchen zurück ins Meer werfen musste, um die Nachhaltigkeit dieses Gebiets auch in Zukunft zu gewährleisten, und die kostbare Ausbeute in die Sammeltanks unter Deck bringen lassen sollte.
Die Aufgabe an sich war schon anstrengend genug, doch weil das Boot in den Wirren des Unwetters schlingerte und schwankte, stieg die Gefahr ernsthafter oder gar tödlicher Verletzungen in bedenklichem Maße. Wie üblich für Anfänger war Rainwater am Ködertisch zugeteilt. Seine Pflicht bestand darin, den eingefrorenen Fisch zu schneiden und abzupacken, damit man die Krabbenkörbe damit bestücken konnte. Da er schon eine erhebliche Menge Kabeljau so präpariert hatte, spürte er seine Hände nicht mehr. Es handelte sich um eine Art Ritual zur Einweisung, und er machte ohne Murren weiter. Jedermann begann seine Laufbahn als Fischer genau dort, wo er jetzt stand - beim Herrichten von Ködern, bevor er über kurz oder lang in der Hierarchie aufsteigen würde.
»Erster Korb kommt hoch«, rief Joey, der seine Augen gegen Wind und Graupel zusammenkneifen musste.
Mackay setzte seine Füße hinter die vier Fuß hohe Reling und ignorierte den sicheren Tod, der im schäumenden Ozean unterhalb harrte, während das wankende Schiff durch die Wellen pflügte. Er warf den Haken aus.
Die Leine trudelte im hohen Bogen und dank seiner Erfahrung zielgenau durch die Luft, denn sie landete trotz des turbulenten Seegangs und Sturms exakt dort, wo der bewanderte Fischer sie haben wollte. Der Haken zog an den Tauen der Baken, die an dem in der Tiefe des Meeres stehenden Krabbenkorb befestigt waren.
Mackay holte die Leine ein, während Morales hinter ihm stand und sie aufwickelte, um sicherzugehen, dass sie sich nicht um die Beine seines Kameraden wickelte.
Als Mackay die Bake an der Bordwand hochgezogen hatte, nahm Morales sie. Sobald er sie an der Seilwinde einhakte, begann Joey mit der Bergung des Korbes. Rainwater kam nicht umhin, die gute Koordination der drei zu bewundern. Sie bewegten sich wie eine einzelne, bestens eingearbeitete Maschine, weil sie ihre jeweiligen Handgriffe beängstigend effizient erledigten, obwohl sie mit einem Mann weniger arbeiten mussten, obendrein bei einem furchteinflößend schweren Unwetter, wie es der 23-Jährige selten erlebt hatte.
Im Lauf der nächsten zwei Stunden hievte die Besatzung ihre Körbe an Deck und stapelte sie, so wie man sie um die wertvollen Königskrabben erleichterte. Ihr Ertrag war stattlich, wenn nicht gar spektakulär. Obwohl er schon seit über einer Stunde taube Hände hatte, bereitete Rainwater weiter Köder vor und unterbrach sich dabei nur, wenn der Sortiertisch voller Krabben lag, um beim Herauspicken derer zu helfen, die nicht verkauft werden konnten, und sie ins Meer zurückzuwerfen.
Der Sturm war stärker geworden, und jetzt klatschten imposante Wellen von der Seite gegen das Schiff, nicht ohne das Deck zu fluten.
»Wie viele müssen wir noch hochholen?«, rief Mackay gegen das Brausen an.
»Drei«, antwortete Joey hinterm Seilzug.
Mackay suchte Rainwaters Blick.
»Was ist, Frischling: Bock drauf, den Haken auf die nächste Bake zu werfen?«
Der junge Mann schaute seinen Onkel an, den Zwillingsbruder seines Vaters.
»Steht dir frei«, schrie Joey lauter als der Wind. »Bau nur keinen Mist, sonst müssen wir 'ne Ehrenrunde drehen.«
Als Rainwater an die Reling trat, beugte er seine Hände, um sie ein wenig zu wärmen beziehungsweise überhaupt wieder zu spüren. Er bemerkte, dass die Bordwand nur bis knapp über seine Knie reichte, also mochte er, wenn er nur kurz sein Gleichgewicht verlor oder ein...
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