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Meine Nase wurde angegriffen und ich konnte nichts dagegen tun. Es war das Mädchen vor mir, von dem der Angriff ausging, und wahrscheinlich merkte sie nicht mal was davon. Bestimmt fühlte sie sich einfach gepflegt. Dass ich auf dem Platz hinter ihr beinahe erstickte, weil sie ungefähr eine Tonne Haarfestiger, zehn Liter Sprühdeo und wahrscheinlich noch zwei oder drei Flaschen Parfüm verwendet hatte, war ihr bestimmt egal. Außer mir störte das wie üblich niemanden.
Flach atmen half nichts, Nase zuhalten und Fenster aufmachen nur vorübergehend. Vor uns an der Tafel erzählte der Lehrer unseres Geografiekurses irgendetwas über Längen- und Breitengrade, was nicht uninteressant war, aber schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf, murmelte irgendwas und wankte nach draußen in den stillen, leeren Flur meiner Highschool. Darin reihte sich ein Metallspind an den anderen, in gläsernen Schaukästen waren Sportpokale der Schule ausgestellt.
Dort konnte ich endlich durchatmen, obwohl ich lückenlos hätte aufzählen können, was sich im nahen, übervollen Mülleimer befand. Darunter waren ein vergammeltes Schinkensandwich, mehrere benutzte Taschentücher und irgendein Behälter, der mal Limo mit Kirschgeschmack enthalten hatte. Aber es war besser als im Klassenzimmer.
Manchmal ist es nicht leicht, in zweiter Gestalt ein Wolf zu sein.
Aber das gute Gehör ist schon praktisch. Obwohl er noch zwei Flure entfernt zu sein schien, nahm ich wahr, dass unser Schulleiter mal wieder durch die Gänge schlich. Er liebte es, Leute zu erwischen, die gerade schwänzten oder heimlich im Gebäude rauchten. Vielleicht hatte er irgendwelche Reste von Jagdinstinkt, obwohl er ein Mensch war und sein Gesicht mit den Glotzaugen und dem breiten Mund mich eher an ein Rind erinnerte.
Wenn er mich hier im Flur sah, konnte es unangenehm werden. Jetzt hatte ich drei Möglichkeiten. Entweder ich ging wieder rein und hängte mich während der restlichen Zeit halb aus dem Fenster (würde mein Lehrer nicht durchgehen lassen). Ich konnte auch versuchen, unseren Schulleiter zu bequatschen, was schwer werden würde (er hatte ein Herz aus rostfreiem Stahl). Oder aber ich machte mich davon. Nur fünf Minuten an der frischen Luft! Mehr brauchte ich gar nicht, um mich zu erholen. Im nächsten Kurs, der auf meinem Stundenplan stand, war das Haarfestiger-Girl nicht, nur ein Junge mit müffelnden Socken. Den konnte ich aushalten und danach war der Schultag überstanden.
Wölfe sind auch gut im Pirschen. Es war nicht mal nötig, mich teilzuverwandeln, schon war ich unterwegs und setzte meine Sneakers vorsichtig auf. In der Gegenrichtung unseres Schulleiters.
Kurz darauf hatte ich einen ordentlichen Vorsprung und nicht mal eine Eule hätte mich gehört, so leise war ich. Hier gab es kein dürres Gras oder raschelnde Blätter. Kein Mensch war so leise wie ein -
Ich stolperte über irgendwas, wohl ein herumliegender Rucksack, verfing mich darin und knallte auf den Boden. Au, verdammt! Bis ich es geschafft hatte, meinen Fuß aus den Trageriemen zu befreien und mich aufzurappeln, hatte unser Schulleiter mich eingeholt. Sein Blick war triumphierend. »Sierra Blackheart, soso. Was hattest du hier während der Unterrichtszeit zu suchen?«
»Mir war schlecht.« Das war nicht völlig gelogen. »Ich war gerade auf dem Weg zu den Toiletten.«
Uns beiden war klar, dass es hier entlang nicht zu den Toiletten ging. Ein Blick, der sich anfühlte wie eine rostige Lanze, wurde auf mich geschleudert. »Wieso hast du dich dafür verkleidet? Wir haben April, es ist noch längst nicht Halloween!«
»Halloween?«, fragte ich verständnislos. Dann dämmerte mir etwas Furchtbares. Ohne meine Ohren zu befühlen, wusste ich plötzlich, dass ich sie unbewusst teilverwandelt haben musste, um besser hören zu können.
»Ach so, das, haha.« Ich schlug die Kapuze meines Hoodies über meine schwarzen, pelzigen Lauscher hoch. »Die Aufsteckohren fand ich einfach lustig. Verkleidungen sind mein Hobby. Bitte entschuldigen Sie mich, ich muss wirklich dringend.«
»Ich dachte, dir ist schlecht?« Unser Schulleiter hatte ein besseres Gedächtnis als ich. »Du rufst jetzt deine Eltern an, damit sie dich abholen! Und morgen habe ich dein Attest auf dem Tisch, ist das klar? Sonst kannst du dir deinen dritten Verweis abholen, Blackheart. Mein Herz ist schwärzer als deins, klar?«
»Ja, Sir«, sagte ich und mir war jetzt wirklich nach Kotzen zumute. Ich hatte seit meiner Welpenzeit schon sämtliche Witze gehört, die man mit meinem Nachnamen nur irgendwie machen kann. Und zwar nicht nur einmal, sondern mindestens dreißigmal. Pro Stück.
Als mein Vater mich mit dem Auto vor der Schule abholte, war ich einfach nur froh, dort raus zu sein. Mein Dad Ben war auch ein Woodwalker und wusste, wie schwer es für uns in normalen Highschools sein konnte. Aber diesmal wirkte er irgendwie abwesend, nickte nur, als ich ihm erklärte, was passiert war, und sagte: »Ach so.«
»Das ist nicht alles . ich fürchte, ich habe mich versehentlich vor einem Menschen teilverwandelt«, gestand ich zerknirscht. Es war wichtig, das Geheimnis der Woodwalker zu wahren - niemand durfte wissen, dass es Gestaltwandler gab und manche von uns wie Menschen lebten. Oder es zumindest versuchten. »Musst du das dem Rat melden?«
»Gibt's Fotos davon? Oder Videos?«
»Nein. Er hat ein Handy aus der Steinzeit und nicht dran gedacht, es rauszuholen.«
»Dann ist es halb so schlimm, so was kann mal passieren«, meinte er und kratzte seinen dunklen Bart, der ihn ein bisschen wie einen Holzfäller aussehen ließ. Wenigstens hatte er heute kein kariertes Hemd an. »Hier in Kalifornien hat niemand Angst vor Werwölfen. Du würdest höchstens eine Einladung zum Casting bekommen.«
Einen Moment lang war ich erleichtert. Dann wurde mein Gefühl, dass etwas nicht stimmte, stärker.
»Was ist los?«, fragte ich ihn schließlich beunruhigt. »Wieso holst du mich überhaupt ab, ich dachte, du bist heute in der Klinik?« Wir sahen uns viel seltener, als ich mir wünschte, weil er als Arzt so eingespannt war. Es half nicht, dass er außerdem eine wichtige Position im Nordamerikanischen Rat hatte, dessen zehn Mitglieder so etwas wie unsere Regierung waren.
»Erzähle ich dir und deiner Mutter daheim.« Mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, halb grimmig, halb freudig, gab mein Vater Gas.
Meine Mutter Anjelica ist einfach toll. Sehr liebevoll und für mich da, wenn es mir schlecht geht oder ich Hilfe bei meinen Mathehausaufgaben brauche. Noch unordentlicher als ich, was praktisch ist, weil sie sich dann nicht darüber beschweren kann, wie mein Zimmer aussieht. Wenn sie etwas sucht, wühlt sie das halbe Haus durch und beschuldigt alle anderen, den Gegenstand verschlampt zu haben. Bis sie ihn schließlich findet und ihr einfällt, dass sie es selbst war.
Ach ja, und sie ist übrigens Wildschwein in zweiter Gestalt. Was man ihr nicht ansieht, man merkt es nur daran, dass ihr schulterlanges braunes Haar ein bisschen borstig ist, was sie manchmal zur Verzweiflung bringt und ihre Friseure gleich mit.
Anscheinend hatte mein Vater ihr schon Bescheid gegeben, denn als wir in unserem Häuschen in einer ruhigen Seitenstraße von San Francisco ankamen, war sie aus der Druckerei zurück und umarmte uns zur Begrüßung. Wölfe und Wildschweine sind Rudeltiere, das bedeutet, Leute, die wir mögen, werden gnadenlos durchgeknuddelt.
»Gab's Stress in der Klinik?«, fragte meine Mom und blickte dann mich an, ». und in der Schule?«
»Ja«, sagten mein Vater und ich gleichzeitig.
Oh. Besorgt blickte ich ihn an und bedeutete ihm anzufangen, worauf mein Dad beiläufig sagte: »Mein Chef hat mich unter Druck gesetzt, dass ich meine Stunden erhöhe und doppelt so viele Dienste übernehme wie bisher. Wir wurden beide ein bisschen laut. Da habe ich, tja . gekündigt.«
Mir blieb der Mund offen stehen. Meiner Mutter auch. San Francisco ist eine teure Gegend und mit nur einem Gehalt würde es schwer werden.
Meine Mom fing sich als Erste. »Du warst ja schon länger nicht ganz glücklich dort«, meinte sie ruhig, obwohl sie ein bisschen blass um die Nase war....
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