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Wenn «Traumwandeln» bedeutet, die Grenzen des eigenen Geistes im Schlaf zu übertreten, müssen wir in einer neuen Realität aufwachen und unseren Horizont erweitern, um den Lauf der Geschichte zu ändern - und dabei hellwach bleiben. Wir müssen aufpassen, dass unser Traum nicht zu einem Albtraum wird, weil wir die Augen vor der Realität verschließen. Die Rückkehr der globalen Machtpolitik hat den westlichen Traum vom «Ende der Geschichte»[1] und dem «ewigen Frieden»[2] beendet. Gleichwohl haben sich die letzten drei Jahrzehnte für uns und andere als Segen erwiesen. Eine völlige Abkehr von der Globalisierung hin zur Konfrontation mit all jenen, die unsere Werte nicht teilen, etwa China, mag unsere moralische Integrität sichern, aber nicht den materiellen Erfolg beziehungsweise das Überleben unserer Zivilisation für zukünftige Generationen. Wenn wir von diesem neuen Kalten Krieg, der uns bereits beeinflusst, in einen heißen Krieg abdriften, riskieren wir, die Grundlagen der historischen Erfolgsgeschichte des Westens und der Welt der letzten drei Jahrzehnte zu zerstören.
Nach zwei verheerenden Weltkriegen schuf die amerikanische Führungsmacht eine liberale westliche Weltordnung, die auf zwei Kant'schen Annahmen beruhte: Demokratien würden sich tendenziell friedlicher verhalten als Autokratien. Darüber hinaus würden Länder, die - ungeachtet ihrer politischen Regime - für beide Seiten vorteilhafte Handelsbeziehungen unterhalten, starke Anreize haben, nicht gegeneinander in den Krieg zu ziehen, da in einer solchen Konfrontation beide verlieren würden. Obwohl die zweite Annahme durch Russlands wiederholte Angriffskriege gegen die Ukraine unter Druck steht, hat sie mit Blick auf die Vorteile, die sich aus dem Handel miteinander ergeben, immer noch Gültigkeit und hilft Ländern aus der Armut, die sonst weniger Chancen hätten.
Das heute schon fast inflationär vorgebrachte Argument, der Handel habe keinen Frieden mit Russland gebracht, ist nicht stichhaltig. Interdependenz verringert die Wahrscheinlichkeit eines Krieges, sichert aber nicht automatisch den Frieden. Das wussten wir bereits, seit die Geschütze im August 1914 abgefeuert wurden. Der Erste Weltkrieg beendete drei Jahrzehnte wirtschaftlicher Integration. Gemeinsame Geschäfte zu machen ist keine hinreichende Bedingung für Frieden, aber eine notwendige. Das sogenannte «Friend-Shoring», ein Euphemismus für «Entkopplung» oder «Deglobalisierung», ist noch weniger geeignet, den Frieden zu sichern, da diejenigen, die ausgeschlossen werden, wahrscheinlich mehr Anreize für gewalttätige Konflikte haben - ein hässliches Kriegsszenario, auf das noch detaillierter eingegangen werden wird, um zu zeigen, wie leicht wir in solche Szenarien hineinschlittern oder «traumwandeln» können, wenn wir unseren derzeitigen Kurs, die schlechte Option des Kalten Krieges, weiterverfolgen.
Während die Vereinigten Staaten nach 1945 den Freihandel befürworteten - auch zur Befriedung des europäischen Kontinents - und alle anderen dazu drängten, ihre Märkte zu öffnen, lässt sich derzeit eine Kehrtwende beobachten. Die amerikanischen Mittelschichten konnten nicht die Früchte der Globalisierung ernten, die sie erwartet hatten. Amerikas westliche Verbündete empfinden diese Wende als heuchlerisch, sie sind nicht bereit, wirtschaftliche Einbußen zu erleiden, indem sie den Handel mit China und anderen aufstrebenden Wirtschaftsmächten aufgeben.
Politische Entscheidungsträger, sei es ein «anti-globalistischer» Donald Trump oder ein «friend-shoring» Joe Biden, sollten einen Blick in den Spiegel werfen. Warum gab es beispielsweise nicht mehr Unterstützung für die Verlierer der Globalisierung, um sie umzuschulen und ihnen neue Erwerbsmöglichkeiten zu eröffnen? Die Staatsausgaben für Umschulungen erreichten in den Vereinigten Staaten 2008 mit nur 0,17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ihren Höhepunkt, und seitdem sind die Finanzierungsmittel noch weniger geworden.[3]
Der liberalisierte Handel hat sich - kongruent mit Winston Churchills Ausspruch, die Demokratie sei die schlechteste Regierungsform, abgesehen von all den anderen, die ausprobiert wurden - als der beste Weg erwiesen, um durch Wettbewerb bessere und billigere Produkte und Dienstleistungen zu fördern, die Verbraucher und wachsende Volkswirtschaften begünstigen.
Nach Jahrzehnten zunehmender globaler wirtschaftlicher Integration droht die Welt nun den entgegengesetzten Weg einzuschlagen. Die Kosten dieser politisch getriebenen Umkehrung, ein multidimensionaler Prozess, den die Autoren einer IWF-Studie von Januar 2023 als «geoökonomische Fragmentierung» bezeichnen, rangieren zwischen «0,2 Prozent (ein Szenario mit begrenzter Fragmentierung/kostengünstiger Anpassung) und 7 Prozent des BIP (in einem Szenario mit starker Fragmentierung/kostenintensiver Anpassung). Mit der technologischen Entkopplung könnte der Produktionsverlust in einigen Ländern 8 bis 12 Prozent erreichen.» Darüber hinaus könnte die Globalisierung der Finanzmärkte einer «Finanzregionalisierung» weichen, mit einem «fragmentierten globalen Zahlungssystem», einer «höheren makroökonomischen Volatilität», «schwereren Krisen» und einer «Komplizierung bei der Lösung künftiger Staatsschuldenkrisen».[4]
Ja, die Global Player sollten ihre Lehren aus dem alten Kalten Krieg gezogen haben, und niemand will zu einem weiteren zurückkehren, aber die Absicherungen gegen eine neue Bipolarität und Deglobalisierung erodieren. Von den drei hier skizzierten Szenarien ist diese neue Bipolarität - gekennzeichnet durch eine Rivalität des Westens mit China und Russland - ein Szenario, das bereits eingetreten ist. Im Kern geht es um die zunehmenden Barrieren und den Protektionismus, der sich auf der ganzen Welt etabliert.
Es ist zweifellos ratsam, wie die Pandemie gezeigt hat, essentielle Dinge wie Masken und chirurgische Geräte zu horten und sich nicht auf andere zu verlassen, egal ob sie freundlich gesinnt sind oder nicht. Es gab in der Tat hässliche Beispiele für ein Tauziehen zwischen «Freunden» um medizinische Ausrüstung, wobei China am Ende die fehlenden Materialien lieferte. Und es sei unbestritten, dass Ausnahmen vom freien Handel mit Waffen, illegalen Materialien und sogar sensibler Technologie als eine Form des Selbstschutzes gerechtfertigt sind, obwohl dies auch hier schädliche Auswirkungen haben kann, wenn es im Grunde getan wird, um die Entwicklung eines Konkurrenten zu hemmen, wie es Washington mit seinen Beschränkungen für Halbleiter (Chips) beabsichtigt.
Doch das heutige «Friend-Shoring» geht über die Sicherung der eigenen Resilienz hinaus und wird zu einer neuen Form des Merkantilismus, einer Nullsummenmentalität, für die es viele historische Beispiele gibt, die sich am Ende alle als selbstzerstörerisch erwiesen haben. Im Falle der USA hat der Rückzug aus der Weltwirtschaft, der durch die Finanzkrise 2007/2008 ausgelöst wurde, die wirtschaftliche Dynamik verringert und die Ungleichheit im eigenen Land erhöht.[5]
Selbst die Vorstellung eines «wertebasierten» freien Welthandelsblocks, der Verbündete und Partner der USA zusammenfasst, die die demokratischen Normen teilen, kann kein Ersatz sein, wenn China, andere Teile Asiens und die Entwicklungsländer zunehmend die größten Motoren der Weltwirtschaft sind. Werden die Vereinigten Staaten den Fehler Großbritanniens in den 1930er Jahren wiederholen und sich hinter eine neue «Imperial Preference» zurückziehen - auf die London zurückgriff, um den Binnenhandel innerhalb des weltweiten britischen Empire zu verbessern und den aufstrebenden Wirtschaftsmächten USA und Deutschland etwas entgegenzusetzen? Die «Imperial Preference» trug wenig dazu bei, den Niedergang Großbritanniens aufzuhalten. Schon im Vorfeld des Ersten Weltkriegs war die schwindende Macht Großbritanniens auf die Bestrebungen des Deutschen Reiches getroffen, nach «einem Platz an der Sonne» zu greifen, was zur «Urkatastrophe» führte, die den Niedergang Europas als dominierender Kontinent in der Weltpolitik beschleunigte. Es legte auch den Grundstein für die anhaltende Gewalt im heutigen Mittleren Osten, der Nachbarschaft Europas, wo man es den «Nahen Osten» nennt.
Der Historiker David Fromkin schrieb ein berühmtes Buch über den Nahen Osten (A Peace to End All Peace. The Fall...
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