Schweitzer Fachinformationen
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Sie wollen die Wahrheit selbst auslöschen, jegliches Zeugnis der grausamsten Menschheitsverbrechen der Geschichte. Berühmte Bibliotheken gehen in Flammen auf, Historiker werden ermordet und Zeitzeugen verschwinden spurlos. Maggie Costello, Ex-Mitarbeiterin des Weißen Hauses, hatte sich eigentlich eine Auszeit verordnet. Doch dann stolpert sie über Hinweise auf die Hintermänner. Sie gräbt tiefer und begibt sich damit direkt ins Visier der Verschwörer.
Maggie Costello wand sich zum fünften Mal in ebenso vielen Minuten auf ihrem Sitz und versuchte angestrengt, sich zu konzentrieren. Es war nicht so, dass das Spektakel, das sich auf der Bühne entfaltete, nicht fesselnd gewesen wäre. Das war es durchaus. Die Argumente, die in diesem voll besetzten Hörsaal der Universität auf dem Parkett hin und her gingen, waren überzeugend. Aber es fiel ihr trotzdem schwer, konzentriert zu bleiben. Der Lärm draußen war einfach zu groß.
Sie konnte die Sprechgesänge hören; wie alle. Sie hatten sie gehört, als sie hereingekommen waren: zwei Armeen von Demonstranten, die sich einander gegenüberstanden, von einer dünnen, überforderten Reihe von Campuspolizisten, verstärkt durch Beamte des MPD, Washingtons eigener Metropolitan Police, in zwei Blöcke zu beiden Seiten des Zugangs zum Auditorium getrennt.
Auf der einen Seite waren die Studenten, unterstützt von Freunden, die aus New York, Philadelphia und von noch weiter her angereist waren. Sie waren jung und unübersehbar vielfältig: Latino-Frauen, schwarze Männer - einer von ihnen trug falsche Handschellen um die Gelenke, durch eine Kette mit einem Kragen um den Hals verbunden - und viele weiße Demonstranten, in Regenbogenfahnen gehüllt, mit tätowierten Armen und mehrfach gepiercten Gesichtern. Ihr lautester, hartnäckigster Kampfruf: »Keine Plattform für Rassisten« und, passend für den heutigen Tag, »Sklaverei ist Realität!«.
Ihnen gegenüber standen Reihen weißer Männer in einer inoffiziellen Uniform aus beigefarbenen Chinos und weißen (manchmal auch schwarzen) Poloshirts. Die meisten trugen Schilde, einige rechteckig, geformt wie die von der Bereitschaftspolizei, andere rund wie die von Comic-Helden favorisierten. Sie waren mit einer Vielzahl von Mustern verziert, die Maggie nur schwer identifizieren konnte. Natürlich erkannte sie das Eiserne Kreuz, übernommen und adaptiert vom Dritten Reich, und die Konföderiertenflagge des alten Südens. Aber der Rest der Dreiecke und Kreuze war ihr neu: Es schien sich um Varianten des Swastika-Motivs zu handeln, die auf ein altes nordisches Muster hindeuteten. Mehrere waren in einem ausgeprägten Weiß-Rot gehalten, den Farben der christlichen Kreuzzüge. Zuerst hatte Maggie, die aus nur wenigen Metern Entfernung zusah, versucht, jedes einzelne zu entschlüsseln; einige hatte sie auf ihrem Handy nachgeschlagen. Aber es gab so viele, dass sie nach einer Weile zu einem verschwommenen Bild verschmolzen.
Die Sprechchöre der zweiten Gruppe waren direkter. »Blut und Boden« war ein beliebter Refrain, genauso wie »Ihr werdet uns nicht verdrängen«, oft abgewandelt zu »Juden werden uns nicht verdrängen«. Aber der eine, den Maggie am deutlichsten vernahm und der speziell auf dieses Ereignis zugeschnitten zu sein schien, lautete: »Keine Ahnung, mir egal / Nichts passiert, nichts zu seh'n.«
Sie konnte sie selbst jetzt noch hören, auf ihrem Platz in der hintersten Reihe des Hörsaals. Sie waren gedämpft, aber unmissverständlich, obwohl sie aufeinanderprallten und sich gegenseitig überlagerten. Manchmal wurden die Worte durch das perkussive Trommeln von Stöcken gegen Schilde übertönt, und in Abständen verschmolzen die Sprechgesänge zu einem Crescendo, einem kollektiven, anschwellenden Geräusch, welches signalisierte, vermutete Maggie zumindest, dass die beiden Seiten aufeinandergeprallt waren.
Von den drei Rednern auf der Bühne, die improvisiert in einer Talkshowformation um einen niedrigen runden Tisch mit drei Gläsern Wasser saßen, schien nur einer vom Lärm draußen unbeeindruckt. Sein Name war Rob Staat, und er war der Grund für die Proteste. Er war zum Mediensprecher und Verteidiger von William Keane bestellt worden, dem berüchtigten, selbst ernannten Historiker, der zu einem Helden der amerikanischen und zunehmend globalen extremen Rechten geworden war. Keane stand derzeit im Mittelpunkt dessen, was die Medien unvermeidlich als den »Prozess des Jahrhunderts« feierten.
Keane, das mussten selbst seine Feinde einräumen, war eine schwülstig-charismatische Gestalt in seinen weißen Anzügen und seinem Beharren auf Südstaaten-Umgangsformen von gestern - alles »Ja, Ma'am« und »Nein, Sir'ee«. Der Mittdreißiger Rob Staat war nicht mehr als ein blasser Ersatz. Doch dank eines ständigen Beinahelächelns, das auf seinen Lippen spielte und sich jeden Moment zu einem ausgewachsenen Grinsen zu entwickeln drohte, schaffte er es mühelos, Maggies Abneigung zu wecken.
Gegenüber Staat saß Jonathan Baum, ein Wissenschaftler von der historischen Fakultät Georgetown. Normalerweise ein solider und methodischer Redner, war er im Augenblick sichtlich entnervt. Er griff häufig nach seinem Wasserglas, und das Mikrofon an seinem Revers fing das hörbare Schlucken auf, während er trank. Auf seinem Schoß lag ein dicker Ordner, den er durchstöberte, während Staat redete, als suche er nach einem Dokument, das die Angelegenheit ein für alle Mal regelte. Wann immer von draußen das rhythmische Schlagen der Stöcke gegen die Schilde wieder aufgenommen wurde, sah er erschrocken hoch.
Zwischen den beiden saß Pamela Bentham, Erbin jener Familie, die diesen Saal zusammen mit dem sich daran anschließenden neu gegründeten Bentham Center für Freie Rede gestiftet hatte. Abgesehen von ein paar einleitenden Bemerkungen hatte sie fast nichts gesagt und gab sich damit zufrieden, dass die beiden Antagonisten das Verfahren dominierten, während sie eine einstudierte Neutralität beibehielt. Maggie beobachtete die Frau - Mitte fünfzig, teure Frisur, mit einer Brille, deren Notwendigkeit Maggie infrage stellte -, wie sie sich jeweils dem Mann zuwandte, der gerade redete, und jeden Punkt mit einem aufmerksamen Nicken begleitete. Sie arbeitete hart daran, das Chaos draußen zu ignorieren, doch Maggie sah, dass eine Bentham-Hand die andere gepackt hielt, als müsste sie sie am Zittern hindern.
In gewisser Weise war es beeindruckend. Nicht so sehr der Vorsitz, sondern die Entschlossenheit. Diese Bentham-Frau hatte ihren Mund dort, wo ihr Geld war, sie tauchte persönlich auf, anstatt sich mit einer bloßen Spende zufriedenzugeben, um sicherzustellen, dass diese Debatte stattfand. Und das trotz des Drucks, den die Universität ausgeübt hatte, um sie zu verhindern. Alles, um das Recht auf freie Meinungsäußerung durchzusetzen.
Die meisten Institutionen würden - und hatten es auch getan - vor dem Keane-Prozess davonlaufen. Er konnte nur Ärger bringen. Maggie war überzeugt, dass den Granden der Universität das Herz in die Hose gerutscht war, als Bentham vorgeschlagen hatte, auf dem Campus darüber zu diskutieren. Der Ort war einfach zu unsicher.
Und doch gab es keinen Zweifel an der Wichtigkeit dieser Auseinandersetzung. Die Amerikaner waren von dem Prozess gepackt, und viele der Kabelnetze brachten lange Strecken des Verfahrens live. Das war zum Teil Keane und seinen Possen im Gerichtssaal zu verdanken, doch es lag auch an dem, was auf dem Spiel stand.
Keane hatte die afroamerikanische Schriftstellerin Susan Liston wegen Verleumdung verklagt, weil sie ihn in einem Buch über die Alt-Rights, eine rechtsextreme Gruppe in den USA, als »Sklavereileugner« bezeichnet hatte. Sein Fall, der vor dem Bundesgericht in Richmond verhandelt wurde, war eigentlich ganz einfach. Er konnte kein Sklavereileugner sein, weil es nichts zu leugnen gab. Schwarze waren in den Vereinigten Staaten nie Sklaven gewesen.
Staat wiederholte wie ein Papagei die Argumente Keanes, die gleichen, die alle Anwesenden hundertmal zuvor aus dessen Mund über sich ergehen lassen hatten. Die Aussagen der Sklaven wären unzuverlässig; die Aussagen der Sklavenhalter wären unzuverlässig. Er benutzte oft das Wort »Mythos«, bemerkte Maggie, als wäre es eine Ein-Wort-Widerlegung oder gar ein Schimpfwort. »Mythos«, sagte auch Staat jetzt erneut, zum x-ten Mal.
Maggie blickte sich im Hörsaal um. Die ersten Reihen waren voller Journalisten, ebenso wie die Sitze im hinteren Teil, wo auch sie saß. Die gesamte rückwärtige Wand des Saals war ein Dickicht von Stativen und Fernsehkameras. Was den Rest des Publikums betraf, so war es eine Mischung aus hochkarätigen Persönlichkeiten der Universität, insbesondere jenen, die mit dem Bentham Center in Verbindung standen und zweifellos daran interessiert waren, sich bei ihrer Schirmherrin dankbar zu zeigen, sowie handverlesenen Doktoranden. Es schien, dass die Verantwortlichen nicht das Risiko eingehen wollten, Studenten einzulassen, bei denen die Gefahr bestand, dass sie Transparente hochhielten, Staat mit aggressiven Zwischenrufen störten oder die Bühne stürmten. (Offensichtlich hatte das Center für Freie Rede entschieden, dass die freie Rede ihre Grenzen hatte.)
Während Staat sich auf einen Streit über die Natur der Verleumdung einließ, wunderte sich Maggie über den Grund ihres Hierseins: War sie als Doktorandin eingeladen oder als wichtige Persönlichkeit? Sie hatte nie wirklich über ihren Status an dieser Institution nachgedacht. Nun, es reichte, dass sie hier war.
Nach dem Weißen Haus und allem, was passiert war, brauchte sie eine Chance zum Nachdenken - und das, so hatte sie sich gesagt, war schließlich das, wofür Universitäten da waren. Liz hatte Maggie angebettelt, zu ihr nach Atlanta zu kommen und bei ihr, ihrem Mann und ihren Kindern zu leben - »Wenn du wirklich einen sauberen Schnitt machen willst, musst du diesen Sumpf von einer Stadt hinter dir lassen!« -, und Maggie hatte es in Betracht gezogen, das hatte sie wirklich. Doch sieben Tage bei ihrer Schwester hatten...
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