Schweitzer Fachinformationen
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Eine halbe Stunde später
»Hallöchen«, sagt Faruk Maliki, als Sophie die Wohnung betritt. Das ist kein Scherz. Er sagt das wirklich.
Pirlo verdreht die Augen. Er hat den dritten Kaffee im System. Langsam fühlt er sich wieder nüchtern. Und genervt. Je mehr er von Faruk Maliki mitbekommt, desto stärker sinkt die Laune.
»Hallöchen wie in: Hallöchen, schöne Frau.« Maliki grinst.
Sophie starrt ihn entgeistert an. »Mein Name ist Sophie Mahler. Ich arbeite mit Herrn Dr. Pirlo zusammen. Ich bin Rechtsanwältin für Strafrecht.«
»Das mit dem Strafrecht liegt bei dir sicher in der Familie.«
»Warum?«, fragt Sophie so instinktiv wie irritiert.
»Na, weil dein Vater ein Dieb sein muss.« Maliki strahlt. »Immerhin hat er die Sterne vom Himmel gestohlen und dir in die Augen gesetzt, babe.«
»Ich heiße nicht babe«, antwortet Sophie ruhig, »sondern Sophie Mahler. Für einen Schluck Wasser in der Kurve wie dich auch gern Frau Mahler. Noch besser: Frau Rechtsanwältin Mahler. Die übrigens langsam mal wissen will, was hier los ist.«
Pirlo schaltet sich ein. »Das ist Faruk Maliki, ein Sprössling der Maliki-Familie. Gestern Nacht gab es Streit mit einer rechten Rockergang. Etwas später wurde deren Anführer erstochen. Faruk hat von einem Spitzel bei den Rockern erfahren, dass sie ihn verdächtigen und ihm die Polizei auf den Hals hetzen wollen. Deshalb ist er hier. Er braucht einen Verteidiger.«
»Und warum kommt er zu uns?«
»Er kennt uns aus dem Fernsehen«, sagt Pirlo. Glücklich sieht er dabei nicht aus. Er ist es auch nicht. »Er sagt, er brauche Hilfe. Und er geht nicht mehr weg.«
»Jetzt erst recht nicht mehr«, nuschelt Maliki und zwinkert Sophie zu.
Pirlo beschließt, dass er noch mehr Kaffee braucht. Aus der Küche hört er, wie Sophie die weiteren Fragen stellt.
»Hast du ein Alibi?«
»Warum dürfen Sie mich duzen, und ich muss Sie siezen?«, fragt Maliki.
»Weil wir erwachsen sind und uns auch so verhalten. Wohingegen es bei dir wirkt, als seist du ungefähr zwölf.«
»Ich bin zweiundzwanzig«, protestiert Maliki.
»Und damit voll strafmündig«, ergänzt Sophie. »Herzlichen Glückwunsch«. Maliki verstummt sofort. Sie nutzt die Gelegenheit. »Also, was ist jetzt mit dem Alibi? Wo warst du gestern Nacht?«
»Im Casino«, murmelt Maliki. »Genau wie Pirlo.«
»Dr. Pirlo.«
Maliki zieht die Schultern hoch. »Genau wie Dr. Pirlo.«
»Gut. Und danach?«
»Danach gab es Stress auf dem Parkplatz des Casinos. Gegenseitige Provokationen.« So wie Maliki das ausspricht, klingt es wie eine Regierungserklärung. Er ist auch sichtlich stolz auf seine Formulierungskünste.
»Und dann?«
»Danach ging jeder seiner Wege. Normal.«
»Wohin führte deiner?«
»Nach Düsseldorf.«
»Wohin genau?« Maliki zögert. »Wohin genau?«, wiederholt Sophie. Sie wirkt geduldig, ist es aber nicht. Pirlo weiß das.
Maliki kann es spüren. Er drückt die Lippen aufeinander und schmatzt dann genervt. »Ich bin halt noch nach Eller gefahren.«
Pirlo sieht, wie Sophie den Blick Malikis einfängt. »Du erwartest jetzt nicht ernsthaft von mir, dass ich dich noch einmal frage, wohin genau?«
Maliki überlegt kurz. Dann blickt er auf seine Hände und murmelt. »Zu Aphrodite.«
»Was bedeutet das? Ist das ein Mensch? Eine Frau?«
»Es ist ein Club.«
Pirlo bekommt mit, dass Sophie mit den Schultern zuckt. Ein bisschen ist er erleichtert. Auch wenn er das natürlich nicht zugeben würde. Der Altersunterschied ist zwar nicht allzu groß. Bei der Frage, wer welche Clubs kennt, aber eben doch. Zumindest manchmal. Hier jetzt gerade zum Beispiel nicht. Wobei Aphrodite auch nicht nach einem konventionellen Tanztempel klingt. Um das mal so auszudrücken. Sophie muss allerdings auch nicht mehr nachhaken. Malikis Widerstand ist erlahmt. Er ergänzt seinen Satz von ganz allein. »Es ist ein Saunaclub, wenn ihr es unbedingt wissen müsst.«
»Natürlich müssen wir das unbedingt wissen«, brummt Pirlo. »Zumindest, wenn wir dich verteidigen sollen. Also, komm in die Gänge und erzähl uns, was los ist.«
Maliki sieht ihn entgeistert an. »Was soll ich denn da noch erzählen?«
»Warum jemand denken könnte, dass du Waßmer auf dem Gewissen hast, zum Beispiel.«
Maliki zuckt mit den Schultern. »Ja was weiß denn ich, Mann?« Er fängt Pirlos Blick. Das genügt. Maliki fasst sich kurz. »Ich weiß es wirklich nicht, Herr Dr. Pirlo. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich nach dem Casino zu Aphrodite gefahren bin. Wenn Sie es genau wissen müssen: Ich war noch nicht mal lang dort.« »Warum?«
»Warum ich nur kurz geblieben bin?«
»Ja.«
Maliki zuckt wieder mit den Schultern. Diesmal sogar noch heftiger. »Keine Ahnung. Irgendwie hat es dann doch nicht richtig gepasst.«
Pirlo dreht an seinen Haaren. »Lass uns mal langsam konkret werden: Wie lang warst du tatsächlich dort?«
»Keine halbe Stunde, denke ich.«
»Denkst du?«
»Was weiß ich, Mann. Ich hab mir da jetzt keinen Wecker gestellt oder so.«
»Keine Stoppuhr«, murmelt Pirlo. Einfach so. Er ist müde. Außerdem ist es auch nur so richtig.
»Was?«
»Vergiss es.«
Sophie übernimmt. Sie scheint zu bemerken, dass Pirlo nur halb am Denken ist. Oder am Schlafen. Beides bringt die Sache hier zu wenig voran. »Was ist dann passiert?«
Maliki starrt wieder auf seine Hände, diesmal aber anders als vorhin. Nicht genervt, sondern bedrückt. Sophie wiederholt die Frage. Ihr Ton hat sich allerdings verändert. Sie spricht weicher. Vorsichtiger. »Was ist dann passiert, Faruk?«
Malikis Kinn zittert kurz. Dann hat er sich gefangen. Er antwortet zwar leise. Verständlich ist es aber trotzdem. »Als ich rauskam, lag jemand auf dem Parkplatz. Ein Mann. Er lag da einfach so auf dem Rücken.«
»Wie hast du darauf reagiert? Was hast du gemacht?«
»Keine Ahnung.« Maliki fährt sich über die Nase. So wie wenn jemand schniefen will. Oder trockenkoksen. Bei Maliki trifft wahrscheinlich beides zu. Pirlo und Sophie warten einen Moment. Schließlich fährt Maliki fort. Noch bedrückter. Noch leiser. »Ich bin ganz langsam hin.« Er zögert.
»Ich hab geschaut, was los ist. Erst in dem Moment hab ich gesehen, dass es Waßmer ist.«
»Und?«
»Er hat überall geblutet. In seiner Brust .« Er unterbricht sich. Räuspert sich. Fängt sich. Was alles seine Zeit braucht. Die sie ihm allerdings auch lassen. »In seiner Brust steckte ein Messer. Auch da war alles voller Blut. Und ich, na ja, ich dachte, er sei tot.« Wieder zögert er. »Ich war mir aber irgendwie nicht sicher.«
Pirlo ahnt, was kommt. »Was hast du dann gemacht?« Maliki antwortet nicht. Jetzt ist es Pirlo, der vorsichtig spricht. Wenn auch nicht so sanft wie Sophie. »Was hast du dann gemacht, Faruk?«
Maliki zittert jetzt nicht mehr. Er schwankt. Was immer er sich reingepfiffen hat, verdichtet sich mit der Anspannung zu einem deftigen Crescendo. Allerdings keinem besonders guten. »Ich wusste einfach nicht, was los war. Wirklich nicht. Mir war das voll nicht klar.«
»Dann wollte ich schauen, ob er wirklich tot ist.«
Pirlo hat sich vor Maliki gesetzt. Beide, Sophie und er, sind ihm jetzt nahe. Beide achten auf alles. Gestik. Mimik. Körperhaltung. Und alles andere, was es eben sonst noch so gibt. »Was hast du getan?«
Maliki bäumt sich noch einmal kurz auf. Mehr als ein Flackern ist es allerdings nicht. Mehr ist einfach nicht mehr drin. Einen Wimpernschlag später sinkt er erschlafft zurück auf das Sofa. »Ich habe getastet, ob er noch lebt. Und ich habe das Messer rausgezogen.«
»Scheiße«, murmelt Pirlo. Aus den Augenwinkeln kann er sehen, dass Sophie dasselbe denkt. Wobei er dafür genau genommen gar nicht erst hinsehen muss. Er weiß, dass es so ist. Weil das, was Maliki da erzählt, einfach auch wirklich scheiße ist.
»Wo ist das Messer jetzt?«, fragt Sophie.
Maliki schnieft. Diesmal kommt er sogar ganz ohne Koksfinger aus. »Dort.«
»Was meinst du damit?«
»Als ich das Messer rausgezogen habe, da .« Bei Maliki brechen die Dämme. Er atmet tief durch. Schnieft. Heult. Dann nimmt er Tempo auf. Auch die aufgesetzte Coolness ist weg. Vorhin hat sie schon niemand gebrauchen können. Jetzt erst recht nicht mehr. »Da war...
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