Schweitzer Fachinformationen
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Einleitung 1 Gute Nacht 2 Die Wetterfahne 3 Gefrorne Tränen 4 Erstarrung 5 Der Lindenbaum 6 Wasserflut 7 Auf dem Flusse 8 Rückblick 9 Irrlicht 10 Rast 11 Frühlingstraum 12 Einsamkeit 13 Die Post 14 Der greise Kopf 15 Die Krähe 16 Letzte Hoffnung 17 Im Dorfe 18 Der stürmische Morgen 19 Täuschung 20 Der Wegweiser 21 Das Wirtshaus 22 Mut 23 Die Nebensonnen 24 Der Leiermann Nachklang Literatur
«Mit einem Herzen voll unendlicher Liebe für die, welche sie verschmähten, wanderte ich . in ferne Gegend. Lieder sang ich nun lange, lange Jahre. Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe.»
Schubert, «Mein Traum», Manuskript, 3. Juli 1822
Winterreise - ein Zyklus von 24 Liedern für Gesang und Klavier, den Franz Schubert gegen Ende seines kurzen Lebens komponierte. Er starb 1828 mit nur 31 Jahren in Wien.
Als Liedkomponist von unvergleichlicher Produktivität und Meister berückend schöner Melodien war Schubert bereits zu Lebzeiten berühmt, die Winterreise aber, so scheint es, sorgte bei seinen Freunden für Verwirrung. Einer seiner engsten Gefährten, Joseph von Spaun, erinnerte sich 30 Jahre später daran zurück, wie der Zyklus im Schubert-Kreis aufgenommen worden war:
Schubert wurde durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er nur: «Nun, ihr werdet es bald hören und begreifen.» Eines Tages sagte er zu mir: «Komme heute zu Schober, ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses bei anderen Liedern der Fall war.» Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch. Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, «Der Lindenbaum», gefallen. Schubert sagte hierauf nur: «Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen; .»
Ein anderer enger Freund, mit dem Schubert einige Jahre zuvor ein Zimmer geteilt hatte, war Johann Mayrhofer, Regierungsbeamter und Poet (Schubert vertonte 47 seiner Gedichte). Für Mayrhofer war die Winterreise Ausdruck persönlicher Erschütterung:
Er war lange und schwer krank gewesen [Ende 1822 hatte er sich mit Syphilis infiziert], er hatte niederschlagende Erfahrungen gemacht, dem Leben war die Rosenfarbe abgestreift; für ihn war Winter eingetreten. Die Ironie des Dichters, wurzelnd in Trostlosigkeit, hatte ihm zugesagt; er drückte sie in schneidenden Tönen aus.
Auf noch dramatischere Weise vermischte Spaun in seinem Bericht über die Entstehung des Zyklus Persönliches und Künstlerisches. «Ich halte es für unzweifelhaft, dass die Aufregung, in der er seine schönsten Lieder dichtete, dass insbesondere seine Winterreise seinen frühen Tod mit veranlassten.»
Diesen Schilderungen ist etwas zutiefst Mythologisierendes eigen, insbesondere jener von Spaun, die an Christus im Garten Gethsemane erinnert - die Düsternis, die Freunde, die das Wesentliche nicht erkennen, und der Schleier des Mysteriums, der erst nach dem Tod seines Urhebers gelüftet werden kann. Entgegen der hartnäckigen Legende des «armen Schubert» - verkannt, ungeliebt, erfolglos zu Lebzeiten - sollte nicht vergessen werden, dass er mit seiner Musik beträchtliche Summen verdiente, in den Salons der guten Gesellschaft (wenn nicht sogar des Adels) willkommen war und sowohl großen Beifall als auch seinen gerechten Anteil an scharfer Kritik erntete. Schubert war womöglich der erste große Komponist, der als freischaffender Künstler außerhalb der Sicherheit und Beschränkung einer kirchlichen Anstellung oder eines adligen Patronats tätig war, und trotz einer gewissen jugendlichen Leichtfertigkeit schlug er sich letztlich gut durch. Nur Rossinis Musik war in den Konzertprogrammen Wiens noch besser vertreten als seine eigene; die meisten der großen Interpreten seiner Zeit spielten Schuberts Stücke, und er erhielt üppige Honorare. Die Winterreise selbst blieb von der Presse nicht unbeachtet - hier ein zeitgenössischer Bericht der Theaterzeitung vom 29. März 1828:
Schuberts Geist hat überall einen kühnen Schwung, in dem er alle mit sich fortreißt, die sich ihm nahen, und der sie durch die unermesslichen Tiefen des Menschenherzens in weite Ferne trägt, wo ihnen die Ahndung des Unendlichen in dämmerndem Rosenlicht sehnsüchtig aufgeht, wo aber auch zur schaurigen Wonne eines unaussprechlichen Vorgefühles der sanfte Schmerz beschränkender Gegenwart sich gesellet, der die Grenze des menschlichen Seins umstellt.
Trotz der etwas aufgeblasenen romantischen Rhetorik hat der Verfasser klar erkannt und durchdrungen, was die heute allgemein anerkannte Erhabenheit des Zyklus ausmacht; diese transzendentale Qualität, die das, was man so leicht für eine ausschweifende Parade enttäuschter Liebeslyrik halten könnte, auf wundersame Weise verwandelt. Für den Eingeweihten ist die Winterreise eines der großen Feste des musikalischen Kalenders: ein ernstes Fest, aber auch eines, das eigentlich immer das Unaussprechliche streift und tief zu Herzen geht. Nach dem letzten Lied, «Der Leiermann», tritt eine besondere Stille ein, die Art von Stille, die sonst nur eine Bach-Passion heraufbeschwören kann.
Und doch lässt allein der Begriff des «Eingeweihten» einige Alarmglocken klingen. Das ist einer der Gründe, eine andere Art von Buch über dieses Werk zu schreiben: eines, das es erklärt, rechtfertigt, kontextualisiert und seine Feinheiten erläutert. Das klavierbegleitete Lied gehört heute nicht mehr zum häuslichen Leben und ist in den Konzertsälen nicht mehr so stark vertreten wie früher. Das Kunstlied (art song), wie die Amerikaner sagen - während die Deutschen von Liedern sprechen -, ist ein Nischenprodukt, und das sogar innerhalb der Nische, die wiederum die klassische Musik darstellt; aber die Winterreise ist unangefochten ein großartiges Kunstwerk, das ebenso Teil unserer gemeinsamen Erfahrungswelt sein sollte wie die Dichtung Shakespeares und Dantes, die Gemälde van Goghs und Pablo Picassos, die Romane der Brontë-Schwestern oder Marcel Prousts. Es ist bezeichnend, dass das Werk bis heute lebendig ist und sein Publikum in Konzertsälen auf der ganzen Welt in seinen Bann zieht, in Kulturen, die wenig mit seinen Ursprüngen im Wien der 1820er Jahre zu tun haben: Ich schreibe diese Einleitung in Tokio, wo die Winterreise ihre Wirkung ebenso entfaltet wie in Berlin, London oder New York.
In diesem Buch möchte ich die einzelnen Lieder als Plattform nutzen, um diese Ursprünge zu erkunden, das Werk in seinen historischen Kontext einordnen, aber zugleich neue und unerwartete Beziehungen aufspüren, sowohl zeitgenössische als auch solche, die in ferner Vergangenheit liegen - literarische, visuelle, psychologische, wissenschaftliche und politische. Musikalische Analysen werden unweigerlich eine Rolle spielen, aber sie sind lediglich die Grundausstattung von Anleitungen zur Winterreise, wie sie schon vielfach existieren. Dass ich nicht die fachliche Qualifikation habe, Musik in einem traditionellen, musikwissenschaftlichen Sinn zu analysieren - ich habe Musik nie an einer Universität oder Musikhochschule studiert -, hat seine Nachteile, aber vielleicht auch Vorteile. Ermutigt hat mich Nicholas Cooks Untersuchung der «Diskrepanz zwischen der Musikerfahrung des Zuhörers und der Art und Weise, auf die Musik theoretisch beschrieben und erklärt wird» (in seiner brillanten Studie Music, Imagination, Culture). Experimente haben gezeigt, dass selbst hochqualifizierte Musiker nicht dazu neigen, Musik auf formale, fachwissenschaftliche Weise zu hören; wir alle, es sei denn, wir gehen einer speziellen und zielgerichteten Analyse nach, nähern uns der Musik eher episodisch und ungezwungen, weniger streng theoretisch - auch dann, wenn wir ein sehr traditionsreiches Stück hören, das sich selbst als musikalische Auseinandersetzung präsentiert, eine Beethoven-Symphonie zum Beispiel oder eine Bach-Fuge. Innerhalb einer solch diffusen Struktur wie der Winterreise - mit einer Reihe von 24 Liedern das erste und großartigste Konzeptalbum - mag es wiederkehrende Muster oder harmonische Elemente geben, auf die hinzuweisen es sich lohnt; ich möchte das jedoch auf eine Weise tun, die man als phänomenologisch bezeichnen könnte, indem ich eher den subjektiven und kulturell aufgeladenen Entwicklungslinien von Zuhörern und Künstlern nachgehe, als Modulationen, Kadenzen und Oktavlagen zu katalogisieren.
Indem ich eine solch disparate Menge an Material zusammenbringe, hoffe ich, die uns prägenden Reaktionen zu erhellen, zu erklären und zu vertiefen, die Erfahrung derer, die das Werk bereits kennen, zu intensivieren und diejenigen zu erreichen, die es noch nie gehört oder auch nur darüber gehört haben. Der Dreh- und Angelpunkt ist immer das Werk selbst - wie musizieren wir es, wie sollten wir es hören? Aber indem wir es in einen viel breiteren Kontext setzen, werden sich ungewohnte, unerwartete Perspektiven ergeben und, so hoffe ich jedenfalls, ihre eigene Faszination entfalten.
Mein eigener Weg zur Winterreise wurde mir erleichtert durch großartige Lehrer und meine persönliche Wesensart. Meine erste Begegnung mit der Musik von Franz Schubert und der Dichtung von Wilhelm Müller (der die Texte...
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