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In diesem Kapitel möchte ich dir die grundsätzlichen biologisch-anatomischen Mechanismen und Hintergründe beim Sport und beim Muskelaufbau vermitteln. Nach Lesen dieses Kapitels solltest du die allgemeinen Abläufe beim Training und beim Muskelaufbau besser verstehen. Das erworbene Wissen bildet das theoretische Fundament, auf das sich letztlich auch die gesamte Trainingsprogrammgestaltung (siehe Kapitel 3) stützt. Zuallererst beschreibe ich grob, wie ein Muskel generell aufgebaut ist, wie er zur Krafterzeugung innerviert (durch elektrische Impulse vom zentralen Nervensystem aktiviert) wird und was bei einer Kontraktion (Anspannung der Muskulatur) im Inneren der Muskulatur geschieht. Wichtig ist auch, das Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken sowie deren Funktionsweise zu verstehen, welchem ich ebenfalls ein Kapitel widme. Anschließend beschäftige ich mich mit den eigentlichen Mechanismen des Muskelaufbaus. Schließlich beantworte ich die Frage, durch welche Faktoren der Muskel zur Anpassung an das Krafttraining "gezwungen" wird und wie diese Anpassung abläuft. Auch einige grundsätzliche Begriffe aus den Trainingswissenschaften möchte ich dir nicht vorenthalten.
Zu Beginn dieses Kapitels möchte ich zunächst auf die anatomischen und physiologischen Zusammenhänge eingehen, welche die Basis für alle Muskelaktionsformen bilden. Genau genommen geht es zunächst um unterschiedliche Muskelfasertypen sowie deren neuronale Innervierung (elektrische Signalübertragung vom Gehirn/Rückenmark, welche zur Muskelkontraktion führt). Da der menschliche Körper aus über 650 verschiedenen Muskeln besteht, gehen wir hier nicht auf jeden der Muskeln separat ein. Von Interesse sind daher nur die großen Muskeln, auf deren Veränderung man durch gezieltes Training auch tatsächlichen Einfluss ausüben kann. Fachlich bezeichnet man diese Veränderbarkeit eines Muskels infolge von Trainingsreizen als Muskelplastizität. Bei den folgenden Ausführungen beziehe ich mich daher ausschließlich auf die plastische, sogenannte quergestreifte Skelettmuskulatur. Die (quergestreifte) Skelettmuskulatur steht als Sammelbegriff für alle Muskeln, welche durch neuronale Prozesse willentlich aktivierbar sind. Querstreifung deshalb, weil die Muskulatur bei näherem Hinsehen eine streifenartige Struktur aufweist. Diese Musterung ist unter dem Lichtmikroskop gut erkennbar. Sie ergibt sich aus dem Ineinandergreifen der einzelnen Muskelfilamente (siehe Kapitel 2.3). Die der eigenen willentlichen Kontrolle unterliegende Muskulatur zählt man zum sogenannten somatischen Nervensystem. Die Aktivierung des Herzmuskels, der Muskeln in den Blutgefäßen, der Verdauungsmuskeln oder der Atemmuskeln läuft dagegen autonom, also eigenständig ab und unterliegt somit unwillkürlichen Prozessen. Diese ordnet man dem autonomen bzw. vegetativen Nervensystem zu. Für den am Muskelaufbau interessierten Sportler ist aber vor allem die (trainierbare) Skelettmuskulatur von Interesse. Ein einzelner quergestreifter Skelettmuskel setzt sich aus vielen großen Muskelfaserbündeln zusammen, welche wiederum aus einer Vielzahl einzelner Muskelfasern - auch als Muskelzellen bezeichnet - bestehen. Bei den Muskelfasern unterscheidet man grob zwei Typen: Typ-1-Muskelfasern und Typ-2-Muskelfasern. Erstere werden auch als "rote Muskelfasern" bezeichnet, da sie einen höheren Anteil des Proteins Myoglobin aufweisen. Dieses Molekül übernimmt den Sauerstoff des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff, welcher Sauerstoff bindet und durch den Blutkreislauf transportiert) aus dem Blut und übermittelt das Hämoglobin an den jeweiligen Bestimmungsort. Aufgrund des höheren Sauerstoffgehalts sind Typ-1-Muskelfasern von allen Muskelfasertypen am ermüdungsresistentesten. Sie sind folglich deutlich länger belastbar als Typ-2-Muskelfasern. Das liegt unter anderem daran, dass sie eine größere Anzahl an Mitochondrien besitzen. Ein Mitochondrium ist ein kleines Zellorganell, welches mit Sauerstoff arbeitet und daraus Energie produziert. Deshalb bezeichnet man Mitochondrien auch als "Kraftwerke der Zelle". Eine weitere Bezeichnung für diesen Fasertypus lautet langsam zuckende Muskelfaser oder auf Englisch "slow-twitch muscle fiber" (ST). Dies hängt mit der biomechanischen Funktionsweise der Muskelfaser zusammen. Diese langsam zuckenden Muskelzellen können sich, wie deren Bezeichnung bereits vermuten lässt, in Relation gesehen, weniger schnell zusammenziehen und auch in der Höhe weniger Kraft produzieren. Das hängt insbesondere mit der Geschwindigkeit zusammen, mit der sie Adenosintriphosphat (ATP) spalten können.
Adenosintriphosphat, kurz ATP, wird als universeller Energieträger bezeichnet. Innerhalb von Zellen, darunter Muskelzellen, ist ATP der wichtigste Energielieferant. Da der muskuläre ATP-Vorrat recht klein ist, wird das Molekül auf verschiedenen Wegen wieder bereitgestellt. Einerseits erfolgt die Bereitstellung von ATP durch erneute Wiederzusammensetzung (Resynthese) nach vorheriger Abspaltung von ADP (Adenosindiphosphat) und P (Phosphat). Ein anderer Weg ist die Zerlegung der aus der Nahrung stammenden Nährstoffe (siehe Kapitel 2.3).
Andererseits können ST-Fasern auf dem entsprechenden Kraftniveau über längere Zeit hinweg Kraft produzieren. Sie ermüden daher auch langsamer. Typ-2-Muskelfasern (weiße Muskelfasern) sind schnell zuckende Muskelfasern bzw. auf Englisch "fast twitch muscle fibers" (FT). Sie lassen sich untergliedern in Typ-2a-Muskelfasern und Typ-2x-Muskelfasern. Beide Subtypen sind bei der ATP-Spaltung pro Zeiteinheit deutlich schneller als Typ-1-Fasern, wobei die ATPase (ATP-Spaltung) bei Typ-2x-Fasern am schnellsten geschieht. Folglich sind Typ-2x-Fasern die schnellkräftigsten Muskelfasern im menschlichen Körper. Im Gegensatz zu den ST-Fasern besitzen FT-Fasern wesentlich weniger vom roten Muskelfarbstoff Myoglobin, verstoffwechseln somit auch weniger Sauerstoff. In der Folge ermüden sie auch wesentlich schneller. Andererseits besitzen sie einen höheren Anteil glykolytischer Enzyme. Sie sind also effizienter in der Verstoffwechslung von Glukose (Traubenzucker), welches über die Nahrung sowie die körpereigenen Glykogenspeicher gewonnen werden kann (siehe Kapitel 2.7). Bei der Unterscheidung von Muskelfasertypen gilt es jedoch zu beachten, dass dieses Klassifizierungsschema keineswegs als starr zu verstehen ist, sondern durchaus Mischformen zwischen den einzelnen Fasertypen existieren. Der Einfachheit halber orientiere ich mich jedoch an den genannten drei Haupttypen. Die meisten Menschen besitzen ungefähr gleich viele Typ-1- wie Typ-2- Muskelfasern. Allerdings spielen auch genetische Faktoren eine Rolle, wodurch manche Menschen vom jeweiligen Fasertypus in Relation mehr oder weniger besitzen. Aus den Eigenschaften der einzelnen Muskelfasern lässt sich die sportliche Leistungsfähigkeit teilweise (aber nicht vollständig, siehe dazu Kapitel 2.8) herleiten. So besitzen Weltklassesprinter häufig mehr schnell zuckende Muskelfasern, wohingegen bei Ausdauerathleten auf Weltniveau eher das Gegenteil der Fall ist. Bei diesen sind dann eben tendenziell langsam zuckende Muskelfasern in der Überzahl vorhanden. Andererseits könnten lang andauernde sportliche Höchstleistungen wie die eines "Ironman"-Triathleten oder eines "Tour de France"-Radfahrers nicht durchgehalten werden. Inwiefern sich Muskelfasertypen durch Training in Richtung eines anderen Fasertypus verschieben lassen, ist in der Forschung noch nicht eindeutig geklärt. Es scheint jedoch so zu sein, dass durch Training (egal in welcher Form) eine Verschiebung von Typ-2x-Fasern zu Typ-2a-Fasern geschieht. "Moment mal, wirst du dir denken. Sind Typ-2x-Fasern nicht die schnellsten Muskelfasern im menschlichen Körper? Das würde ja bedeuten, dass explosives, schnellkräftiges Training langsamer macht!" Auch wenn es komisch klingt, aber das ist in der Tat so. Krafttraining macht dich auf intramuskulärer Ebene langsamer. Das Gegenteil tritt bei Inaktivität oder längerer Trainingspause ein. Hier geschieht wiederum eine Verschiebung von Typ-2a-Fasern zu Typ-2x-Fasern. Dies ließe sich potenziell für das sogenannte "Peaking" zur Leistungsmaximierung für den Wettkampftag in Schnellkraftsportarten nutzen (Hypothese). Dabei wird der Trainingsumfang kurz vor dem Wettkampf stark reduziert, sodass es zur Leistungsexplosion am Wettkampftag kommt. Die intramuskuläre Verlangsamung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Muskulatur durch Training aufgrund von motorischem Lernen und gesteigertem Muskelwachstum dennoch nach außen betrachtet schneller wird und folglich die Leistungsfähigkeit steigt. Ganz im Gegensatz zur körperlichen Inaktivität, bei der sie stattdessen auf Dauer sinkt. Andernfalls wäre...
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