Schweitzer Fachinformationen
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Seit Beginn der Demagogenverfolgung, die nach der Ermordung des Dichters August von Kotzebue - er galt als Gegner demokratischer Freiheiten - am 7. Juli 1819 eingesetzt hatte, stagnierte in Berlin das öffentliche Leben. Die wichtigste Behörde war das Polizeipräsidium. Seit den Befreiungskriegen, in denen man um die zweihunderttausend Menschen in Berlin gezählt hatte, wuchs die Bevölkerungszahl von Jahr zu Jahr, und hinter London, Paris und St. Petersburg stand die preußische Residenz in der Rangliste der europäischen Metropolen an vierter Stelle. Während im politischen Bereich die liberalen Ideen radikal unterdrückt wurden, kamen sie in der Gewerbe- und Wirtschaftspolitik voll zur Geltung. Trotz aller Unterdrückung erlebten Wissenschaft und Bildung, Kunst und Kultur eine ihrer glanzvollsten Epochen. Berlin entwickelte sich langsam zur Industriestadt. Damit wuchsen auch die sozialen Probleme, und 1820 waren vor den Stadtmauern die ersten Mietskasernen entstanden. Der Salon von Karl August und Rahel Varnhagen von Ense galt als geistiger Mittelpunkt der Stadt. Am 3. März 1821 hatte man das von Karl Friedrich Schinkel geschaffene Nationaldenkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg enthüllt. Am 18. Juni 1821 war Carl Maria von Webers romantische Oper Der Freischütz uraufgeführt worden. Im gleichen Jahr hatte Schinkel den Neubau des Schauspielhauses am Gensdarmen-Markt vollendet, und am Oranienburger Thor konnte die Eisengießerei und Maschinenfabrik von Franz Anton Egells ihren Betrieb aufnehmen.
Egells bedauerte zu keiner Zeit, dass er sich vor zwei Jahren mit staatlicher Unterstützung selbständig gemacht hatte. Gemessen an dem, was er in England gesehen hatte, war seine Maschinenanstalt nur eine kleine Klitsche und mehr Manufactur als Fabrik. In der Lindenstraße betrieb er eine kleine Eisengießerei und in der Mühlenstraße, der späteren Obentrautstraße, eine Schlosserwerkstatt. Viel warf das alles noch nicht ab, und immer wieder ging ihm ein Ausspruch seiner Mutter durch den Kopf: »Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.« Er baute alles, was irgendwie denkbar war, und erwarb sich schnell einen guten Ruf als Konstrukteur. Besonderen Erfolg hatte er mit einer gedrungenen und raumsparenden Dampfmaschine, einer sogenannten Bügelmaschine.
Bis der Unterricht in Beuths Institut begann, hatte August Borsig noch zwei Wochen Zeit, sich mit Preußens Residenz vertraut zu machen, und einige Male zog er auch mit Wilhelm Järschersky durch Berlin, das gerade einen wunderbaren Altweibersommer erlebte. Die Damen, die nachmittags Unter den Linden spazieren gingen, hatten zum Teil noch ihre bunten Sonnenschirme aufgespannt, und der Thiergarten zeigte weiterhin ein sattes Grün. Die wenigen Blätter, die von den Linden und Kastanien zu Boden schwebten, fielen nicht weiter ins Gewicht.
August Borsig litt unter Berlin, und er litt unter sich selbst. Die Stadt war ihm zu groß und zu abweisend. Er fand sich unerträglich, weil er Sehnsucht nach Breslau hatte, nach seiner Familie, nach Marie, und Angst vor dem Neuen, das da auf ihn zukam. Zimmermann, bleib bei deinen Balken! Wilhelm Järscherskys Warnung hatte er noch lange im Ohr. Er aber wollte nicht bei seinen Balken bleiben, sondern um alles in der Welt hin zum Eisen, hin zu den Maschinen aus Eisen. War das sein Glück, war das sein Untergang? Zu all den inneren Monologen und Qualen kam die Tatsache, dass er die Hohenzollernresidenz ziemlich langweilig fand. In die Oper und ins Theater zog es ihn nicht, und daneben gab es nichts, was ihn wirklich begeistert hätte - weder das Freischießen auf dem Berliner Schützenplatz noch eines der wenigen Volksfeste. Zur Schlachtfeier von Großbeeren wäre er schon gegangen, aber die hatte bereits am 23. August stattgefunden.
Am nächsten Morgen, kaum hatte es von den Kirchtürmen vier Uhr geschlagen, liefen sie zum Thiergarten, um sich in der Nähe des Brandenburger Thores im Gebüsch zu verstecken - vor sich die Lichtung, auf der das Duell stattfinden sollte. Järscherskys Informationen waren richtig gewesen: Pünktlich erschienen die beiden Duellanten mit ihren Sekundanten. Wie schwarze Krähen kamen sie vom Hauptweg her. Einer der Begleiter trug einen Mahagoni-Koffer mit den Waffen. Es wurden einige Worte gewechselt, die Järschersky und Borsig in ihrem Versteck aber nicht verstanden. Die Distanz, über die der Schusswechsel gehen sollte, wurde vermessen. Dies geschah dergestalt, dass die beiden Sekundanten Rücken an Rücken standen und sich dann jeweils fünfzehn Schritte voneinander wegbewegten. Als die Standpunkte der beiden Schützen mit zwei armdicken Ästen markiert waren, wurde aber noch gewartet.
Wenns dann wird zum Saufa kumma, Do warn irscht die Bäuche brumma! Wein, dann warn ber wie Wosser scheppa, Saufa aus dan guldna Teppa. 's Duppelbier werd niemals sauer, Denn dirt sein de besta Brauer.
Es ging feuchtfröhlich zu, und gegen Mitternacht hatte Borsig alle Weinkeller und Kneipen kennengelernt. Plötzlich war Järschersky verschwunden. Panik erfasste Borsig, denn es war stockfinster - wie sollte er nun in der fremden Stadt allein nach Hause finden? Eine Straßenbeleuchtung gab es nicht, nur an wenigen Häusern hingen Laternen. Das Pflaster war grob, und in den Rinnsteinen flossen die Fäkalien Richtung Spree. Um in die Häuser zu gelangen, musste man über ausgelegte Bretter laufen. Er stürzte, rappelte sich wieder auf, taumelte erneut und schaffte es, ein paar Schritte zu gehen, indem er sich an einer Hauswand festhielt. Zum ersten Mal in seinem Leben war er richtig betrunken. »Der Borsig, der Borsig«, grölte er, »der hat das ganze Leben noch vor sich.« Dann schlug er lang hin. Das Letzte, was er wahrnahm, war die Singuhr der Parochialkirche mit ihren 37 Glocken.
Beuths Technische Schule war im Hause Klosterstraße 36 untergebracht, einem alten zweistöckigen Bau mit einer monotonen Fassade, und bestand im Grunde genommen nur aus zwei nicht eben großen Klassenräumen. Beuths Ziel war nicht eine Anstalt, in der die Massen ausgebildet wurden, sondern er setzte auf Qualität und wollte nur die Besten hier versammelt sehen. So hatte er dieses neue Lehrinstitut vor zwei Jahren mit nur dreizehn Schülern und vier Lehrern eröffnet und bestimmt, dass nie mehr als dreißig Schüler zugleich unterrichtet werden sollten.
Der Unterricht wird kostenfrei erteilt. Die Disziplin ist streng. Nachlässige Schüler und solche, die dem Unterricht nicht folgen können, werden in den ersten Monaten entlassen, damit sie die Lehrer nicht ermüden und andern kein schlechtes Beispiel geben. Über denselben wissenschaftlichen Gegenstand wird in zwei aufeinanderfolgenden Stunden gelehrt. In der einen werden die Schüler über das in der vorigen Stunde Gelernte geprüft. In der anderen wird mit dem Unterricht fortgefahren. Geübte Schüler sollen Vorschüler (Repetitoren unter Aufsicht des Lehrers) sein.
Der Schüler August Borsig, nunmehr neunzehn Jahre alt, saß mit nicht ganz zwei Dutzend Gefährten in einem Klassenzimmer, das nüchtern und sachlich war und voll preußischen Geistes. Das Bild des Königs hing an der Wand, und Friedrich Wilhelm III. blickte streng auf seine jungen Untertanen - alles begabte Handwerker. Sie kamen aus allen seinen Provinzen, Berliner gab es nur wenige. Borsig konnte sich über seine Gefühle nicht ganz klarwerden. Einerseits war er stolz darauf, dass er Schlesien in diesem illustren Kreis vertreten durfte, andererseits litt er darunter, schon wieder die Schulbank drücken zu müssen. Viel lieber hätte er draußen seine Kräfte erprobt und geholfen, etwas Bleibendes zu schaffen.
Für die Zöglinge des Königlichen Gewerbe-Instituts.
Es ist die Pflicht der Zöglinge des Königlichen Gewerbe-Instituts, sich der Wohltat wert zu zeigen, welche der Staat ihnen durch Aufnahme angedeihen lässt. Diese Anstalt ist nur für sehr fähige, fleißige, ordentliche und moralische Menschen bestimmt; andere werden daraus entfernt. Ihr anzugehören soll eine Auszeichnung sein. Wahrer Gewerbefleiß ist nicht ohne Tugend denkbar. Das Gewerbe-Institut kennt keine andre Strafe, als Entfernung aus der Anstalt.
Diese erfolgt zu jeder Zeit und ohne weiteres:
1. Wenn die Fortschritte eines Zöglings nicht hinreichend sind, um den folgenden Unterricht zu verstehen, oder zu gering für eine Versetzung in die obere Klasse;
2. wenn der Zögling sich nicht der größten Sittlichkeit und des größten Anstandes befleißigt;
3. wenn der Zögling den Unterricht unter dem Vorwande von Krankheit oder ohne vorgängige Einwilligung der Herren Lehrer versäumt;
4. wenn der Zögling, welcher verpflichtet ist, sich eine Viertelstunde vor dem Anfange des Unterrichts im Gewerbehause einzufinden, im Laufe eines Lehrgangs sechsmal zu spät gekommen ist, d. h. nachdem die Stunde geschlagen hat.
»Aber...
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