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Verflixt! Was hat Schwester Basil sich nur dabei gedacht, o Herr? Schwester Margaret blickte verzweifelt auf den Stapel unbezahlter Rechnungen und hingekritzelter Notizen, der auf ihrem Schreibtisch im Kloster St. Philomena, Fairbridge, England, lag.
Das Kassenbuch, das Schwester Basil als Schatzmeisterin des Klosters über Jahre hinweg unter den Stichworten »Einnahmen« und »Ausgaben« gewissenhaft mit langen Zahlenkolonnen gefüllt hatte, war nur noch ein mit Tinte bekleckstes Chaos, und in den letzten Monaten schien Basil ihre Bemühungen endgültig eingestellt zu haben. Hinter einer kleinen Plastikstatue >Unserer Lieben Frau von Lourdes< auf dem Fensterbrett steckte ein Stoß Rechnungen, und mehr davon lagen in einer Plastiktüte am Boden eines alten Aktenschranks.
»Was hat sie denn erwartet? Dass Unsere Liebe Frau sich der Rechnungen annehmen würde?«, murmelte Margaret gereizt, doch dann beruhigte sie sich wieder. »Verzeih, Herr. Schwester Basil ruhe in Frieden. Ich danke dir, dass die Buchführung erst vor Kurzem im Chaos versunken ist.« Margaret hatte Schuldgefühle, weil die letzten Monate von Schwester Basils Leben offensichtlich von Angst und Unruhe geprägt gewesen waren. Verzeih, dass ich nichts bemerkt habe, o Herr. Aber du weißt ja, dass ich nie etwas mit der Buchhaltung zu tun hatte, und außerdem hatte ich meine eigenen Probleme. Letztes Jahr hast du es uns nicht gerade leicht gemacht. Das letzte Jahr war, ehrlich gesagt . Doch bevor Margaret genau aufzählen konnte, was für die Schwestern von der Heiligen Philomena sonst noch alles schiefgelaufen war, ertönte aus der Küche ein lauter Knall, gefolgt von verzweifeltem Gejammer. Margaret rannte in einem Tempo aus dem Büro, das selbst bei einer weit jüngeren und schlankeren Nonne eindrucksvoll gewesen wäre.
Mit hämmerndem Herzen riss sie die Küchentür auf und entdeckte Schwester Bridget, die unglücklich auf ein paar verkohlte Objekte auf einem Teller schaute.
»Was ist passiert?«, fragte Margaret außer Atem.
»Ich hatte gehört, dass der Bischof Pavlova ganz besonders gern mag. Weil der Herd kaputt ist, wollte ich die Meringen in der Mikrowelle backen«, erklärte Schwester Bridget. »Aber es hat geknallt, Rauch stieg auf, und jetzt sind sie hinüber.«
Margaret lehnte sich leicht keuchend an die Wand. »Gott sei Dank! Ganz ehrlich, Schwester Bridget. Du hast mir einen Riesenschreck eingejagt. Ich dachte, es wäre etwas Furchtbares passiert.«
»Aber es ist furchtbar«, entgegnete Schwester Bridget, empört, dass die Tragödie so schnell abgetan wurde. »Heute Abend kommt der Bischof zum Essen, und wir brauchen einen extra leckeren Nachtisch. Father Hugh will ihn um Geld für die Reparatur des undichten Kirchendachs bitten und außerdem um einen Kaplan. Die Meringen sind notwendig.«
Herr, verleihe mir Geduld. Muss sie wirklich schreien? Wenn ich anfangen würde, wegen der Buchhaltung zu schreien, würde ich gar nicht mehr damit aufhören, und wo kämen wir dann hin?
»Kannst du nicht im Pfarrhaus kochen und backen?«, fragte Margaret, die mit ihrer jahrelangen Erfahrung als Lehrerin ruhiger wirkte, als ihr zumute war.
»Der Ofen dort ist schon mit dem Braten belegt«, jammerte Bridget in ganz untypischer Verzweiflung. »Ich wollte, dass das Essen perfekt wird. Wir müssen den Bischof weichkriegen.«
»Kannst du keinen anderen Nachtisch machen?«, fragte Margaret.
»Die Meringen werden in der Diözese mit Gold aufgewogen«, fuhr Bridget fort, die gar nicht hinhörte. »Wir wissen, dass Monsignor Wilson in St. Anna ebenfalls einen Kaplan haben möchte, und er spielt Golf mit dem Bischof. Father Hugh, der Gute, kann nicht Golf spielen. Diese Meringen könnten ihn den Kaplan kosten. Und das undichte Dach macht ihn ganz krank vor Sorge. Es ist kein Geld da.« Bei diesen Worten glänzten Bridgets blaue Augen beunruhigt.
Das weiß ich. Father Hugh ist nicht der Einzige mit diesen Sorgen. Ich weiß genau, wie das ist, wenn kein Geld da ist.
»Könnten wir die Meringen im Nachtisch nicht ersetzen? Vielleicht verkauft Mr Abidi ja welche in seinem Laden?«, hakte Margaret noch einmal nach.
»Ja, das geht«, antwortete Bridget betrübt. »Nur wollte ich eben alles selbst zubereiten. Es ist ein so wichtiges Essen. Ich bringe nicht gern fertig Gekauftes auf den Tisch. Hätte ich doch nur einen Kuchen gebacken.«
Sie klang so enttäuscht, dass Margaret das Herz blutete. Bridget führte Father Hugh mit viel Engagement den Haushalt, und ohne ihr Zutun würde so manches in der Gemeinde nicht laufen.
»Der Bischof wird das gar nicht merken«, sagte Margaret. »Komm, Bridget, lass uns schauen, ob wir im Laden Meringen bekommen.« Sie umarmte die Nonne rasch.
Sie marschierten so schnell sie konnten über die lange Zufahrt, die von dem großen viktorianischen Haus wegführte. Eine Amsel flog mit erschrecktem Rufen auf. Ohne das Problem anzusprechen, bemühten sie sich, die schrecklichen Schlaglöcher und Risse im Asphalt gleichzeitig zu ignorieren und zu umgehen und das wuchernde Unkraut am Wegesrand zu übersehen. Nein, sagte Margaret sich wieder einmal, so ging es nicht weiter. Der Garten wuchs ihnen über den Kopf, und dasselbe galt für das Haus. Im Obergeschoss des Klosters gab es zu viele leer stehende, kalte Schlafzimmer mit schwerem, gegen den Staub abgedecktem Mobiliar; und auch unten hatten sie mehr Zimmer, als sie benutzen konnten. Das alles war einfach zu viel. Das Kloster St. Philomena hatte über viele Jahre hinweg zwölf Nonnen beherbergt, sowie eine Anzahl junger Frauen, die erprobten, ob sie fürs Klosterleben berufen waren. Viele von ihnen waren abgesprungen, manche aber, wie Margaret selbst, geblieben. Doch trotz der Neuzugänge hatten die Jahre ihren Tribut gefordert, auf dem Friedhof waren neue Kreuze hinzugekommen, und die Gesamtzahl der Bewohnerinnen war auf sechs zusammengeschrumpft. Im Verlauf eines einzigen Jahres, des letzten, schrecklichen Jahres, waren dann Helen, Frances und Basil gestorben, und nur drei Nonnen - Margaret, Bridget und Cecilia - waren übrig geblieben. Und da sonst niemand dafür in Frage kam, hatte Margaret widerstrebend das Amt der Oberin und der Buchhalterin in Personalunion übernommen.
Sie bogen nach rechts in die London Road ein, gingen an weiteren großen Häusern vorbei, die ebenfalls aus der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts stammten und inzwischen überwiegend in Wohnungen unterteilt oder zimmerweise an Studenten vermietet waren, und kamen schließlich zu Mr Abidis Laden. Dort fanden sie Schwester Cecilia vor, das dritte verbliebene Mitglied der Gemeinschaft, die wie jeden Freitag betend für die Lotterie anstand. Seit Schwester Cecilia im vergangenen November mit der Teilnahme begonnen hatte, war sie überzeugt, dass Gott einen Spielschein benutzen würde, um ihnen zu helfen, und fünf Monate, in denen sie keinen Penny gewonnen hatte, hatten ihren Glauben nicht erschüttert. Sie stand hinter Thomas Amis, der seinerseits hinter einem Studenten anstand, der gerade bedient wurde. Thomas, früher Postbote und seit Neuestem in Rente, war mit den Nonnen von St. Philomena befreundet und kam seit einiger Zeit regelmäßig zum Kloster. Dieses Jahr tat er sein Bestes, um den Garten wieder in Schuss zu bringen, doch so sehr er auch schuftete, eine einzige Person konnte die viele Arbeit nicht bewältigen, und ein großer Teil des Grundstücks, das früher von den vielen Schwestern gepflegt worden war, war inzwischen verwildert.
»Hallo Thomas, noch einmal tausend Dank für die Gartenarbeit heute«, begrüßte Schwester Bridget ihn. »Die Mikrowelle ist kaputt, und ich kaufe Meringen für den Nachtisch des Bischofs«, erklärte sie Schwester Cecilia, die ehrlich gesagt nicht besonders interessiert wirkte und sich so weit vorn in der Schlange nicht gern bei ihren Gebeten stören ließ.
»Tut mir schrecklich leid, Schwester«, sagte Mr Abidi, der die Bemerkung mit angehört hatte, »wir haben keine Meringen da, aber soll ich Ihnen welche besorgen?«
»Danke, Mr Abidi, aber ich brauche sie leider schon heute Abend«, antwortete Schwester Bridget.
Mr Abidi nahm das Geld des Studenten entgegen und prüfte den Betrag mit leichtem Stirnrunzeln. Der Student wartete ab. Mit Mr Abidi stritt man sich nicht.
»Ich verstehe das nicht. Warum kaufst du nicht einfach ein paar Joghurts?«, fragte Cecilia, die sich mit der Tatsache abgefunden hatte, dass nun keine Zeit mehr blieb, ein weiteres Ave Maria hinzuzufügen, bevor sie an die Reihe kam. Sie hatte schon die ganze Woche intensiv gebetet, und so würde es nun wohl reichen müssen.
Margaret zuckte unwillkürlich zusammen, als Bridget empört zu einer Antwort ansetzte. Doch als Mr Abidi ihm seine Einkaufstüte reichte, drehte Thomas Amis sich in der Schlange um und mischte sich mit seinem weichen Newcastle-Akzent ein, bevor Schwester Bridget etwas entgegnen konnte.
»Ich habe noch den Schokoladenkuchen, den Sie mir heute Morgen geschenkt haben, Schwester Bridget. Es ist ein wunderbarer Kuchen. Bestimmt ist er gut genug für den Bischof?« Er wandte sich Schwester...
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