Schweitzer Fachinformationen
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Die enge Straße ist ein besserer Feldweg - und eine Zumutung. Zu allem Überfluss hat scheinbar jedes Polizeiauto der Umgebung, ob als solches erkennbar oder zivil, hier geparkt.
Demski steuert seinen Mondeo in die Lücke zwischen einem Streifenwagen und dem rubinroten Audi von Frank Theißen. Demskis Kollege und Partner ist schon vor Ort. Natürlich. Und vermutlich hat er furchtbar gute Laune.
Theißen war nicht immer so. Das fing erst vor zwei Jahren an, als er seine zweite Frau kennenlernte. Seither versucht er stets, allem etwas Positives abzugewinnen, was mit der Zeit anstrengend ist.
Demski schaltet den Motor aus, zieht den Zündschlüssel ab. Einen Atemzug lang hält er inne. Demski schaut in den Rückspiegel und fährt sich hastig mit den Fingern durch das Haar.
Es ist dieser eine letzte Moment, der ihm bleibt, bevor er sich in dieses kontrollierte Chaos draußen stürzt. Ein neuer Fall. Spuren, Indizien und vor allem eine Leiche.
Ein Mensch, der nicht mehr lebt, weil es ein anderer so entschieden hat und niemand zur Stelle war, der ihn aufhalten konnte.
Schließlich stößt Demski die Tür auf und steigt aus seinem Auto.
Es ist inzwischen fast hell, aber das Tageslicht versteckt sich zwischen bleigrauen Wolken, die eine dichte Decke bilden. Fast scheint es, als wollten sie herabfallen und alles unter sich erdrücken. Das Gras ist feucht und noch welk vom Winter. Die Wiese neben der Straße sieht aus wie ein gelblich grüner Flickenteppich. Hier und da sprießen ein paar zähe Schneeglöckchen hervor.
Kalter Nieselregen hinterlässt feine Tropfen auf dem dunkelblauen Lack des Fords und findet einen Weg in Demskis Kragen.
Wenigstens passt das Wetter zum Anlass.
»Guten Morgen, Toto«, hört Demski eine bekannte Stimme hinter sich.
Langsam dreht er sich herum. »Morgen, Frank.«
Frank Theißen lächelt ihn breit an. Da ist sie, die erdrückend gute Laune, die Demski erwartet hat.
Der Kollege ist hochgewachsen, schlaksig. Das fortwährend spärlicher werdende braune Haar auf seinem Kopf ist kurz geschoren. Er trägt einen graublauen Anzug von der Stange, und das blaue Regencape, das Theißen übergezogen hat, passt nicht dazu.
Dennoch und obwohl der Tag grau und trostlos wirkt, lächelt Theißen, verzieht das Gesicht schließlich aber zu einer Grimasse.
»Mann, Demski, so schnell, wie du am Tatort bist, das ist schon nicht schlecht«, sagt Theißen, »aber du siehst aus wie ein ungemachtes Bett.«
Demskis Mundwinkel zucken. »Und du wie ein Gebrauchtwagenhändler.«
»Haha«, sagt Theißen. »Aber ernsthaft, Toto. Du hättest dir ruhig noch die Zeit nehmen können, dich zu rasieren. Der Chef kommt auch gleich.«
»Es ging nicht«, entgegnet Demski.
»Habt ihr keinen Strom zu Hause? Wasser abgestellt oder so?«
Demski schüttelt den Kopf und schiebt die Hände tief in die Hosentaschen. »Ich war nicht zu Hause.«
»Aha«, sagt Theißen, und für einen Moment passt seine Miene zum Regenwetter. »Ich hatte gedacht .«
»Was?«, fragt Demski. Er ahnt, was Theißen meint, und so sehr Demski ihn auch als Freund und Partner schätzt, ist Theißen doch der Letzte, den er in Beziehungsfragen konsultieren würde. Ein Umstand, den Theißen jedoch herzlich ignoriert.
Theißen neigt den Kopf etwas, kratzt sich mit einem Zeigefinger am Auge. »Es ist ja nicht meine Sache. Geht mich nichts an.«
Und da hat er recht.
Demski nickt. »Aber?«
»Kathrin und du . ihr seid schon ewig zusammen. Verständlich, dass .«
Es ist das immer gleiche Thema zwischen ihnen, seit Theißen etwas von der Sache zwischen Demski und Bine weiß. Er schließt von sich auf seinen Kollegen. Menschlich, verständlich, aber falsch. Sicher, Theißen meint es gut. Aber das allein macht es nicht besser.
»Dass was?«, fragt Demski erregt. Sein Herz schlägt ein wenig schneller. Wärme steigt in seine Ohren. Er spricht schneller, als er denkt. »Machst du jetzt den Moralapostel?«
»Ich verstehe dich echt gut, Toto. Die Situation und alles«, sagt Theißen. »Ich meine, als ich und .«
»Du hast dich scheiden lassen, Frank. Nicht ich. Und ich habe das auch nicht vor. Du hast eine Entscheidung getroffen, und das ist okay. Ich, also Kathrin und ich, wir treffen eine andere.«
Daran erinnert sich Demski noch viel zu gut. Als Theißen vor fünf, sechs Jahren erst im Trennungsjahr, dann in der Scheidungsphase so aussah, als könne er es nicht erwarten, sich am nächstbesten Baum aufzuhängen.
Ausgemergelt und blass. Es war herzzerreißend, den Freund so zu sehen. Außerdem ein Mahnmal. Dort will Demski nicht enden. Kathrin und er werden nicht so enden.
Theißen seufzt. »Mann, Demski, ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Demski fährt sich mit dem Daumen über die Nase, wendet den Blick ab. Das ist wirklich kein Gespräch, das er führen will. Nicht jetzt, nicht hier. Nicht mit Theißen. »Das hoffe ich auch. Aber dafür sind wir nicht hier.«
»Richtig«, sagt Theißen. »Komm, sie ist da hinten.« Theißen geht voraus, stakst, einem Storch nicht unähnlich, durch das Gras. Wenn der Anlass weniger mies wäre, könnte man über den Anblick lachen.
Aber Demski ist nicht zum Lachen zumute.
Er folgt Theißen über die Wiese. Sie steuern auf eine Baumgruppe zu. Demski hört das Rauschen und Plätschern des Baches. In einiger Entfernung stehen vereinzelte Häuser. Eine kleine Siedlung am Rand der Stadt.
Ein nettes Viertel, denkt Demski. Aber als er über die Schulter schaut, entdeckt er bereits das nächste Industriegebiet und dahinter aufragende Wohnsilos. Man darf sich halt nur nicht umdrehen.
»Es ist kein schöner Anblick«, sagt Theißen. »Fast glaubt man, ihren Schmerz noch fühlen zu können.«
Demski zieht den rechten Mundwinkel nach unten. »Du meinst, du kannst ihn fühlen, oder wie? Hör auf mit diesem Mist, Frank. Ich bin echt nicht in der Stimmung. Niemand außer dieser Frau hat ihren Schmerz gefühlt. Und, hey, ich habe keinen Bock, hier und jetzt über deine seltsamen Ansichten zu diskutieren.«
Demski weiß, dass er zu schroff reagiert, und im nächsten Augenblick tut es ihm leid. Aber was gesagt ist, ist gesagt. Theißen bleibt mitten auf der Wiese stehen.
»Sei nicht so ätzend, Toto«, sagt er. »Du bist ein verdammter Zyniker.«
Das Gras ist feucht. Nässe dringt durch die Nähte in Demskis Schuhe. Langsam werden seine Socken unangenehm nass.
»Hey, es tut mir leid, in Ordnung? Ich will deine Gefühle nicht verletzen«, sagt Demski. »Ich wäre dir nur dankbar, wenn du dich hier auf die Fakten konzentrierst und deinen Fimmel zu Hause auslebst.«
Theißen seufzt. »Es ist kein Fimmel. Aber .«
»Es ist ein Fimmel, und den hat Yoko mitgebracht«, sagt Demski - und es stimmt. Theißens zweite Frau, die sich eigentlich Melissa nennt, ist ein Fall von Birkenstock und Aluhut der härtesten Kategorie. Sie hat diesen Kram eingeschleppt. Zen und Energiebalance und hinter jedem Ereignis eine Verschwörungstheorie. Am Anfang haben Demski und Kathrin versucht, mit der Frau zurechtzukommen. Sie haben versucht, weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Theißen zuliebe. Vor der Scheidung waren beide Paare oft zusammen unterwegs gewesen. Aber mit Yoko geht das einfach nicht. Mit ihren Ansichten könnte Demski sich vielleicht noch arrangieren, aber ihre militante Art, andere zu bekehren, ist einfach zu viel.
Es ist Theißen gegenüber nicht fair, aber ist es Demskis Schuld, dass sein Partner auf dem einen Auge blind erscheint?
Theißen verlagert sein Gewicht von einem Bein auf das andere und zerrt am Kragen seiner Jacke. »Nenn sie nicht Yoko, sie .« Er hält inne, sein Blick schweift über Demskis Schulter hinweg. »Wie auch immer. Der Chef ist da.«
Gabriel Ruggiero joggt ihnen über die Wiese entgegen. Sein blauer Trainingsanzug und das leuchtende Gelb seiner Sportschuhe sind kaum zu übersehen. Ruggiero ist nicht außer Atem. Er schnauft nicht einmal, als er Demski und Theißen erreicht.
»Morgen, Chef«, sagt Theißen.
Demski nickt seinem Vorgesetzten zu.
Ruggiero reicht erst ihm, dann Theißen die Hand. Sein Händedruck ist trocken und fest.
»Gut, dass ich Sie noch erwische, meine Herren«, sagt Ruggiero. Er ist Leiter des Mordkommissariats, so alt wie Theißen und damit nur zwei Jahre älter als Demski. Er stammt aus München und ist unmittelbar nach seinem Schulabschluss und Studium Kriminalpolizist geworden. Das und die Mitarbeit an einigen aufsehenerregenden Fällen dort haben seiner Karriere einen ordentlichen Schub verpasst, sodass seine Versetzung hierher einer Beförderung gleichkam.
Der Mann ist ohne Frage fähig, versprüht aber auch Energie und unbedingten Ehrgeiz, und es fällt nicht leicht, sich dem zu entziehen. »Ich war gerade auf meiner Laufrunde«, sagt er, und das sieht man ihm wirklich nicht an, wenn man von seiner Aufmachung absieht.
Er ist schlank und groß. Breite Schultern füllen die Trainingsjacke aus. Seine Haut hat nicht die Winterbleiche wie Theißens oder Demskis. Vielleicht sind es die guten Gene seines italienischen Vaters. Vielleicht hilft er nach.
»Entschuldigen Sie also bitte meinen Aufzug«, sagt Ruggiero, und gefühlt sieht er Demski ein wenig länger als unbedingt nötig an. »Mir scheint, der Anruf kam für alle überraschend. Waren Sie schon bei der Leiche?«
Demski schüttelt den Kopf.
»Ja, kurz«, sagt Theißen. »Aber dann kam schon Toto an, und wir wollten gerade hingehen.«
Ruggiero nickt. »Gut, in Ordnung. Ich begleite Sie, kann aber nicht lang bleiben. Ich wollte mir nur rasch ein Bild machen, ehe ich mit der...
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