Schweitzer Fachinformationen
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Die ersten drei Wochen eines extrem kalten Oktobers sind vorbei, und in ganz London dürfte es niemanden mehr geben, der keine Kopie meines Lebenslaufs bekommen hat. Selbst Ahmet, der Besitzer des Kebab House, will an mich denken, sollte bei ihm irgendeine Position frei werden. Ich könnte natürlich Auslieferungen machen oder für Uber fahren, aber dafür braucht man wenigstens ein Auto, und mir fehlt selbst für die letzte Rostbeule das Geld.
Wie es aussieht, bin ich für McDonald's überqualifiziert, wohingegen es mir an den nötigen Fähigkeiten für Debbie's Hundesalon mangelt, denn »ein Jurastudium hilft dir nicht die Bohne, wenn du einen verängstigten Hund vor dir hast, der sich nicht die Krallen stutzen lassen will, Nick«. Auch wenn ich Debbies Urteil ein wenig zu hart fand, so hat es mir doch vor Augen geführt, wie wenig echte Fähigkeiten ich tatsächlich besitze.
Ja, ich kann Firmenzusammenschlüsse abwickeln und millionenschwere Verträge aushandeln, aber ich habe keine Ahnung davon, eine Kasse zu bedienen, einen Cocktail zu mixen oder einer dieser riesigen brodelnden Maschinen einen trinkbaren Kaffee zu entlocken. Mir gehen langsam die Optionen aus. Hoffentlich wird es heute besser. Lieber Gott, bitte, lass es heute besser werden.
Auf meinem Weg durch Covent Garden beschleunige ich meinen Schritt und ziehe die dünne Jacke fest um den Körper. Mein Ziel ist GL Recruitment, eine Personalvermittlung, die jener Greta Lang gehört, die mir vor fünf Jahren den Laufpass gegeben hat. Drei Monate waren wir zusammen gewesen. Während ich mich in dieser Zeit ständig daran zu erinnern versucht hatte, wie sie ihren Tee am liebsten mochte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass die Sache mit uns beiden null Zukunft besaß und sie besser die Finger von mir lassen sollte. Rückblickend betrachtet, lag sie damit nicht ganz falsch. Wahrscheinlich bin ich in der Tat unfähig zu einer dauerhaften Beziehung mit jemandem, der koffeinfreien Kaffee trinkt. Unabhängig davon, dass ich »nicht der Richtige für sie« war, sind wir jedoch gute Freunde geblieben, und bei ihrer Vermittlungsagentur klingele ich nun schon in der Hoffnung, dass sie mich aus diesem tiefen Sumpf der Verzweiflung ziehen kann.
Gretas Büro ist klein, elegant und höchst energiegeladen, was exakt ihrer Person entspricht.
»Nimm doch Platz, Nick«, begrüßt sie mich und wischt rasch einige winzige Baguettekrümel von ihrer Bluse auf den Boden. Offenbar habe ich sie beim Mittagessen erwischt. »Kann ich dir etwas anbieten?«
»Abgesehen von einem Job?«, frage ich zurück, ziehe mir einen Stuhl heran und schüttele den Kopf. »Nee, alles gut.«
Sie lächelt und schiebt sich die Brille auf den Kopf. Ein Brotkrümel, der ihr entgangen ist, hängt nun in ihrem braunen Haar. Früher, zu unseren gemeinsamen Zeiten, war Greta noch blond gewesen, genau wie Angela, aber mir gefällt sie so brünett viel besser. Es bringt ihre grünen Augen besser zur Geltung. Verdammt, ich glaube, mir ist bislang noch nie aufgefallen, dass sie grüne Augen hat. Sie hat mich völlig zu Recht in die Wüste geschickt.
Greta tippt kurz auf ihrem Laptop und räuspert sich dann. Das Geräusch kommt mir bekannt vor. Genau so hat sie auch geklungen, bevor sie mir auf sehr taktvolle Weise mitteilte, dass es aus sei zwischen uns. Es ist das Geräusch, das unmittelbar vor dem Überbringen einer schlechten Nachricht kommt.
»Ich will ganz ehrlich sein, Nick. Es sieht nicht besonders gut aus.«
Hab ich's doch gewusst!
»Um diese Zeit im Jahr haben wir in den Wirtschaftskanzleien einfach kaum offene Stellen. Derzeit beherrschen Saisonjobs zu Weihnachten den Markt, und die haben sich Studenten meist schon vor Monaten geschnappt. Nach den Feiertagen stehen die Chancen sicherlich besser .«
»Dass ich noch immer arbeitslos bin?«
Eine Freundin in einer Personalvermittlung zu haben bringt natürlich nur etwas, wenn Firmen auch tatsächlich einstellen. Je länger ich arbeitslos bleibe, desto schlechter sieht das in meinem Lebenslauf aus. Gretas mitleidiges Lächeln ist nicht unbedingt das, wonach mir gerade der Sinn steht, aber sie schenkt es mir trotzdem.
»Anwälte werden in der Branche ständig gefeuert und geheuert«, versichert sie mir mit einem Gesichtsausdruck, der ganz anderes vermuten lässt. »Ich finde schon etwas für dich. In der Zwischenzeit musst du deine Ansprüche bloß ein wenig senken.«
»Ich habe überhaupt keine Ansprüche«, entgegne ich. »Hast du gewusst, dass man eine Ausbildung, Praxiserfahrung und ein Portfolio an Nachweisen braucht, um Hunde zu waschen?«
»Was? Ich hätte nie gedacht . Moment mal, du magst doch gar keine Hunde.«
»Schon richtig, aber .«
»Wie kannst du denn mit Kaninchen so?«, unterbricht sie mich und beginnt, in irgendwelchen Unterlagen zu blättern. »Ich hätte da möglicherweise etwas mit Kaninchen .«
»Ich dachte eigentlich eher an einen befristeten Aushilfsjob als Bürokraft«, bremse ich sie. »Datenerfassung vielleicht?«
Mir dreht sich zwar der Magen um bei der Vorstellung, acht Stunden am Tag stupide auf die Tastatur einzuhämmern und Daten abzuspeichern, aber immer noch besser als gar nichts.
»Wenn ich etwas in der Art hätte, würde ich es dir sofort anbieten, Nick«, antwortet Greta. »Es tut mir leid. Ich versuche wirklich mein Bestes, aber inzwischen bin ich so ziemlich alle Optionen durch, die ich habe. Ich habe mir den Einzelhandel angesehen, Callcenter und selbstverständlich auch die Variante Datenerfassung . es ist einfach eine schwierige Zeit im Jahr.«
»Schon klar«, sage ich und massiere mir die Stirn. Kopfschmerzen kündigen sich an. »Im Moment würde ich quasi alles machen.«
»Es wird sich bestimmt irgendwas ergeben«, erklärt sie, klingt dabei aber alles andere als optimistisch. Der Krümel löst sich endlich aus ihrem Haar und fällt auf den Schreibtisch. »Stellenangebote kommen ständig herein.«
Ich nicke und bemühe mich nach Kräften, eine zuversichtliche Miene aufzusetzen, glaube aber nicht, dass sie es mir abnimmt.
»Kopf hoch, Nick«, sagt sie leise. Offenbar möchte sie unserem Treffen unbedingt einen positiven Ausklang geben. »Sehen wir uns morgen Abend auf der Party? Könnte jetzt genau das Richtige für dich sein, meinst du nicht? Einfach mal auf andere Gedanken kommen. Allerdings bin ich mir gar nicht sicher, ob wir eure Zusage bekommen haben .«
»Sicher, darauf freuen wir uns doch schon die ganze Zeit!«, heuchele ich und zwinge meine Mundwinkel zu einem Lächeln. »Die Zusage habe ich Matt gegeben, wahrscheinlich hat er mal wieder vergessen, den Brief einzuwerfen. Du kennst ihn ja!«
Noch eine Lüge. In Wahrheit hatte ich die Party vollkommen vergessen. Die monochrom in Weiß und Silber gehaltene Einladungskarte zur Verlobungsparty liegt in diesem Augenblick auf unserem Couchtisch, wo sie mir als Untersetzer dient.
»Wunderbar, dann sehen wir dich morgen! Und Matt natürlich auch.« Greta strahlt wie jemand, der gerade alle meine Probleme gelöst hat. Sie strahlt allerdings auch wie jemand, der mit einem Geschenk rechnet. Hatten sie eine Geschenkliste angefügt? Wenn ich mir nicht mal anständige Untersetzer leisten kann, wie sollte ich dann an ein Verlobungsgeschenk kommen?
Ich beschließe, mich bei Matts Geschenk einzuklinken, was auch immer er für das glückliche Paar besorgt haben mag, danke Greta für ihre Hilfe und verdrücke mich schnell aus ihrem Büro, wobei ich etwas von meiner Bank murmele, deren Schalterzeiten ich noch erwischen muss. Draußen in der eisigen Luft bleibe ich erst einmal stehen und atme tief durch, um gegen den anwachsenden Kloß in meinem Hals anzukämpfen. Wie konnte mein Leben nur so aus den Fugen geraten? Kein Geld, keine Aussichten auf einen Job, eine den Temperaturen absolut unangemessene Jacke, und morgen muss ich es ertragen, in einem Raum voller erfolgreicher Menschen zu sein, die alle ihren Kram geregelt bekommen und die höflich nicken, wenn ich ihnen erzähle, dass ich von Kensington Fox weg bin, um mal etwas Neues auszuprobieren - als ob mein Lebenstraum darin bestünde, Hunde zu waschen . oder Kaninchen, sollte es nach Greta gehen.
Ich greife nach meinem Handy und schreibe Angela, ob sie Lust hat, zu dieser Party mitzugehen, dann informiere ich noch Matt darüber, dass er für die fehlende Zusage verantwortlich ist. Zitternd eile ich anschließend zur Station Charing Cross, um die U-Bahn zur London Bridge zu nehmen. Matt antwortet zuerst.
Null Problemo. Vom Sofa runter? Super!
Kurz darauf meldet sich auch Angela:
Sorry, Babe, bin verplant. Call u XOXO
Ich antworte »Alles gut«, obwohl ich doch ein wenig verstört bin. Angela lässt nie eine Party aus, daher muss sie bereits einen ähnlich attraktiven Termin haben. Einen attraktiveren. Einen, bei dem sie mich nicht dabeihaben will. Sonst nimmt sie mich immer mit. Ist es ihr etwa peinlich, sich jetzt mit mir sehen zu lassen? Sofort setzt Paranoia ein und quält mich den ganzen Weg bis nach Hause.
Als Matt kurz nach sieben von der Arbeit heimkommt, trifft er mich dabei an, wie ich all meine Sachen aus dem Kleiderschrank aufs Bett werfe. In meinem für gewöhnlich eher aufgeräumten Zimmer sieht es aus wie auf einem Flohmarkt.
»Suchst du was?«, erkundigt er sich amüsiert.
»Ich kann mein...
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