Schweitzer Fachinformationen
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Im nördlichsten Teil von Schleswig-Holstein fegte ein flotter frischer Ostwind übers Land. Obwohl es bereits Ende Mai war, ließ der Frühling es dieses Jahr richtig langsam angehen. Nach einem warmen und relativ trockenen April war der Mai außergewöhnlich kalt und nass gewesen. Nachdem im April Tulpen und Osterglocken um die Wette geblüht hatten und man schon meinte, den nahenden Sommer zu spüren, schien Mutter Natur jetzt erst einmal eine Atempause eingelegt zu haben. Dezent hielt sie sich zurück, als hätte sie Angst, dass der vergangene Winter zurückkehren und noch einmal mit seinen kalten Nachtfrösten zuschlagen könnte. Doch die Menschen hier im hohen Norden ließen sich von niedrigen Temperaturen und zahlreichen Regenschauern nicht aus der Ruhe bringen. Es war kalt? Und? Dann wurden eben die warmen Jacken und Stiefel wieder herausgekramt. Schlechtes Wetter gab es für die Nordlichter nicht, nur die falsche Kleidung. Da war man sich einig, Mutter Natur würde sich schon wieder einkriegen, und das Wetter konnte einfach nur besser werden. Mit typisch norddeutscher Gelassenheit wartete man auf die irgendwann kommenden Sommertage. Auch in dem kleinen ruhigen und idyllisch gelegenen Dorf Hattlund dicht an der dänischen Grenze. Allerdings war es hier mit der Ruhe vorbei, denn in der dänischen Schule im Hattlund ging es hier gerade mal wieder hoch her. Die drei Reinigungsdamen lagen sich, wie so oft in letzter Zeit, gewaltig in den Haaren und beschimpften sich lautstark und äußerst wortreich. Ein Wort gab das andere, und die Luft knisterte wie elektrisch aufgeladen vor Spannung. Wieder war Margot Iwersen, die neue Eroberung des Hausmeisters Erwin Svenson, der Stein des Anstoßes. Erst seit Kurzem gehörte sie zum dreiköpfigen Reinigungsteam der Schule. Die anderen beiden Damen, Hanne Molzen und Lene Nydam, waren ein gut eingeschworenes Zweierteam und verstanden sich ohne große Worte, schließlich arbeiteten sie schon über 20 Jahre zusammen. Aber seit sich Margot und Erwin »nähergekommen« waren und sie als dritte Putzkraft dazugestoßen war, war es vorbei mit der Ruhe. War man sich früher aus dem Weg gegangen, ging man sich jetzt an den Kragen. Seit ihrer Anstellung hatte Margot sich über Nacht um 180 Grad gewandelt. Vom ersten Tag an meinte sie, die Chefin spielen zu können, obwohl sie lediglich als Hilfskraft eingestellt war. »Von der fleißigen Putze zur Chefin hochgearbeitet«, wie sie es nicht müde wurde, selbstgefällig lächelnd zu betonen. Eine Behauptung, die völlig an den Haaren herbeigezogen war, denn das Wort »Fleiß« war für Margot ein großes Fremdwort. Von früh bis spät spielte sie sich auf und gab zu allem ungefragt ihren Kommentar ab. Auch sparte sie nicht an Kritik, wenn es um die Putzqualitäten ihrer Kolleginnen ging. Immer fand sie etwas zu beanstanden. Selbst die Kollegen ihres Mannes, welche bei größeren Reparaturen auf dem Grundstück der Schule aus Flensburg vorbeikamen, versuchte sie herumzukommandieren und meinte, ihnen ihre Arbeit erklären zu müssen. Und Erwin? Der stand dann nur blöd grinsend in der Gegend herum und war einfach nur stolz darauf, so eine »patente« Frau an seiner Seite zu haben. »Hochgearbeitet? Ach, nennt man dat nu so? De het sik doch Erwin anne Hals schmeten! De is doch veel to fuul om to arbeiden!«1, ereiferte sich gerade Hanne Molzen lauthals und vor Empörung hochrot im Gesicht. Margot hatte ihr soeben unmissverständlich unterbreitet, dass ihrer Meinung nach das Lehrerzimmer nicht ordentlich gewischt war. Hanne stapfte mit großen Schritten energisch die Treppe zum besagten Lehrerzimmer herauf. Dort angekommen, riss sie die Tür auf und traute ihren Augen nicht. Quer durch den frisch gewischten Raum waren etliche Fußspuren zu erkennen und diese, da war sie sich zu 100 Prozent sicher, konnten nur von Margots Schuhen stammen. Das war doch wieder wie so oft nur reine Schikane von Margot! Jetzt war es in Hannes Augen aber genug, das hier ließ sie sich nicht länger bieten. Den Wischmopp unter den Arm geklemmt, rauschte sie wie ein Orkan wild entschlossen in den Keller. Dort unten vermutete sie Erwin bei der Arbeit. Wie erwartet saß dieser auch im Heizungskeller, allerdings nicht, wie vermutet, bei der Arbeit. Er saß dort auf einem Stuhl, mit den Füßen auf einem kleinen Tisch, und rauchte genüsslich eine Zigarette, obwohl dieses auf dem Schulgelände strikt verboten war. Hanne erschien vor Wut bebend im Türrahmen zum Keller. »So, nu langt mi dat!«,2 knallte sie ihm ohne Vorwarnung um die Ohren. »Ik lat mi nich länger von Margot triezen.«3 Erwin schoss vor Schreck einen halben Meter von seinem Hocker hoch und drückte hastig seine Zigarette hinter sich aus. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen und rotem Kopf sah er ertappt zu Hanne, öffnete den Mund und wollte etwas sagen. Doch bevor er dazu kam, stand auch schon Margot wie eine angefressene Walküre hinter Hanne. »Anstatt hier so ein Theater zu machen und mich der Schikane zu beschuldigen, solltest du lieber deine Arbeit ordentlich machen«, fuhr sie Hanne barsch über den Mund. Erwin sah hektisch von einer Frau zur anderen und beschloss augenblicklich, sich aus diesem »Weiberkram« besser herauszuhalten. »Wenn Margot dat meent, sullst du man lever op se hörn«, murmelte er halblaut in Hannes Richtung.4 »Genau! Aber wenn es dir hier nicht mehr nicht passt, kannst du ja gehen. Gibt genug andere! Nun mach schon, du wirst schließlich nicht fürs Herumstehen bezahlt!«, wies sie ihre überrumpelte Kollegin von oben herab herrisch zurecht. Hanne rang sichtlich nach Worten. »Dorför warst du noch betalen!«,5 zischte sie ihre Kontrahentin giftig an und hielt ihren Wischmopp drohend in die Höhe. Auge in Auge standen sich die Frauen kurz gegenüber, dann ging Hanne betont langsam die Treppe hoch. »De olle mors is doch blind un beschürt!«,6 fasste sie kurz und knapp den verliebten Zustand von Erwin zusammen. Geladen stapfte sie die Treppe hoch und horchte auf. Oben angekommen, hörte sie leises Schluchzen. Was war denn jetzt schon wieder los? Suchend lief sie an den Klassenzimmern vorbei. Im Raum der 2b fand sie ihre völlig aufgelöste Kollegin Lene vor. »Lene, wat is los?«,7 sprach sie diese energisch an. »Margot, dat Beest, behauptet, dat ik Geld klaut hev. Dat stimmt nich, sowat mak ik nich. Ik bün nu över 20 johr dorbi un immer weer ik ehrlich. Rut schmieten laten will de mi, het se secht!«,8 klagte Lene noch immer fassungslos über diese unerhörte Anschuldigung. Hanne zog hörbar scharf die Luft ein. Wenn hier jemand lange Finger machte, dann ja wohl Margot. Noch heute Morgen hatten sich zwei Schüler darüber beschwert, dass ihnen Geld gestohlen worden war. Komischerweise genau zu dem Zeitpunkt, als Margot in den Gängen herumgeschlichen war. Hanne wurde nachdenklich, denn in letzter Zeit hatten solche Vorfälle erstaunlicherweise zugenommen. Mal war es Geld, dann war einer Lehrerin auf absonderliche Weise eine neue teure Jacke direkt aus dem Lehrerzimmer abhandengekommen. Und interessanterweise war immer Margot in der Nähe gewesen, was den Beklauten ebenfalls aufgefallen war. Darauf angesprochen, wies diese natürlich alles zutiefst empört weit von sich. In ihren Augen war das eine gemeine Intrige gegen ihre Person. Theatralisch heulend hatte sie sich in die Arme von Erwin geworfen. Dieser hatte selbstredend seine Hand für sie ins Feuer gelegt und die Bestohlenen als hinterhältige Lügner bezeichnet. Der Lehrerin, welcher die neue Jacke entwendet worden war, unterstellte Margot kurzerhand, dass diese doch bloß eifersüchtig auf sie wäre und deshalb aus Boshaftigkeit Lügen verbreitete. Die so angegriffene Lehrerin, Frau Mikkelsen, drohte ihr postwendend mit einer Anzeige wegen Verleumdung. Am nächsten Tag hatten Unbekannte mittels einer spitzen Klinge alle vier Reifen ihres VW Golf auf Felge gesetzt. Frau Mikkelsen war sich absolut sicher, dass dieses ein hinterhältiger Racheakt von Margot war, konnte es ihr aber leider nicht beweisen. »Man sieht sich im Leben immer zweimal!«, schleuderte sie daraufhin ihrer Widersacherin wütend entgegen. Diese warf den Kopf in den Nacken und ging hämisch grinsend an ihr vorbei. Dass Margot scheinbar rasend eifersüchtig auf alles und jeden war, war schon lange ein offenes Geheimnis. Wer ihr in die Quere oder ihrem Erwin zu nahe kam, bekam das gnadenlos zu spüren. Dann machte sie ihren vermeintlichen Widersacher eiskalt mit Worten oder Taten platt. Auch die Eltern der bestohlenen Kinder hatten ebenfalls Margot dringend in Verdacht gehabt, aber konnten auch keinen konkreten Beweis dafür vorbringen. Ihre Fahrzeuge wurden bei einer nächtlichen Attacke aus dem Hinterhalt mit Steinen beworfen, was diverse Beulen und Lackschäden mit sich brachte. Auch in diesem Fall war man sich sicher, dass der Anschlag von Margot kam, aber hier fanden sich wieder keine konkreten Beweise, und so zog Margot mal wieder mit einem triumphierenden Grinsen an ihnen vorbei. Die Liste der Leute, denen Margot ein Dorn im Auge war, wuchs stetig an.
Mittlerweile hatte Hanne die aufgelöste Lene soweit beruhigt, dass diese ihre Arbeit fortsetzen konnte. Schweigend wischten die beiden ein Klassenzimmer nach dem anderen. Hanne war tief in Gedanken versunken. Mechanisch schob sie ihren Wischmopp vor sich her. So konnte es nicht weitergehen. Hanne und Lene arbeiteten nun schon weit über 20 Jahre zusammen, und nie hatte es in irgendeiner Weise Ärger oder Anlass zu Beanstandungen ihrer Arbeit gegeben. Es half nichts, Lene und Hanne mussten gleich morgen früh ein ernstes Wort mit Rektor Truelsen reden. Mitten in ihren Gedanken wurde sie durch das Klappern eines umfallenden Eimers aufgeschreckt. Wasser...
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