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Die Entstehung der Heilberufe im Mittelalter7 war ein komplexer Prozess, der stark von sozialen, religiösen und wissenschaftlichen Entwicklungen geprägt wurde. Hier ein kurzer Überblick:
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches ging viel medizinisches Wissen verloren. Die antike Humoralpathologie (Vier-Säfte-Lehre) von Hippokrates8 und Galenos9 blieb jedoch ein zentraler Bestandteil der medizinischen Theorie. Dieses Wissen wurde in Klöstern bewahrt und weitergegeben.
Die arabische Welt spielte eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung und Weiterentwicklung antiken Wissens. Werke von Avicenna10 und anderen Gelehrten wurden ins Lateinische übersetzt und beeinflussten die europäische Medizin nachhaltig.
Ein weiterer arabischer Arzt ist Abu Zaid Hunain ibn Ishaq al-?Ibadi (* 808 in Hira im heutigen Irak; ┼ 873 in Bagdad). Er war ein christlich-arabischer Gelehrter, Übersetzer und Arzt. Sein latinisierter Name lautet Johannitius. Er verfasste das älteste arabische Lehrbuch der Augenheilkunde11.
Im Mittelalter war die Gesundheitsvorsorge stark von der christlichen Fürsorge geprägt, wobei Klöster als Zentren der Krankenpflege und Heilkunst fungierten. Mönche und Nonnen verfügten über grundlegende Kenntnisse zur Heilwirkung von Kräutern und Heilpflanzen. Klosterschulen wie die von Fulda, Reichenau oder St. Gallen waren für die medizinische Bildung von erheblicher Bedeutung12. Die medizinische Theorie basierte überwiegend auf der antiken Humoralpathologie, ergänzt durch lokale Volksmedizin. Die hygienischen Bedingungen waren jedoch schlecht, Seuchen wie die Pest13 und andere Infektionskrankheiten14 forderten regelmäßig zahlreiche Opfer.
Öffentliche Spitäler entstanden, in denen Arme, Kranke und Pilger unentgeltlich versorgt wurden, während wohlhabendere Bürger sich private Fürsorge leisten konnten.
Mit der Christianisierung Europas entstanden Spitäler, die oft von kirchlichen Institutionen betrieben wurden. Zu den ältesten noch bestehenden Spitälern in Deutschland zählen das 1267 erstmals erwähnte Hospital zum heiligen Geist in Frankfurt am Main, das 1308 gestiftete Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar15 sowie das 1316 gestiftete Bürgerspital zum Heiligen Geist in Würzburg.
Die Aufgaben der Spitäler waren mannigfaltig und basierten auf den Werken der Barmherzigkeit: Speisung, Aufnahme und Bekleidung der Armen, Beherbergung der Fremden, Pflege der Alten und Kranken sowie Bestattung der Toten. Kommunalisierung, Verpfründung (d. h., die Insassen kauften sich mit der Erwerbung von Pfründen ein) und Spezialisierung waren die Tendenzen, die das Spitalwesen seit dem 14. Jahrhundert in den Städten bestimmten16.
Im Hochmittelalter begann die Differenzierung der Heilberufe. Bader und Barbiere übernahmen einfache medizinische Aufgaben wie Aderlass, Schröpfen und Wundversorgung. Hebammen spezialisierten sich auf Geburtshilfe. Wundärzte führten chirurgische Eingriffe durch. Akademisch ausgebildete Ärzte (Medici) konzentrierten sich auf die Diagnose und Behandlung von Krankheiten, oft basierend auf der Humoralpathologie.
Ab dem 12. Jahrhundert entstanden in Europa Universitäten17, die eine formale medizinische Ausbildung anboten. Zentren wie Salerno und Montpellier wurden berühmt für ihre medizinischen Fakultäten. Hier wurden antike und arabische medizinische Texte studiert und weiterentwickelt.
Im Spätmittelalter wurden Heilberufe zunehmend reguliert. In Württemberg wurden die Heilberufe durch die Große Kirchenordnung Herzog Christophs von 1559 unter die Aufsicht behördlicher Gremien gestellt. Es dauerte aber noch fast 100 Jahre, bis auch die württembergische Handwerkerchirurgie eine eigene Zunft bildete (1658), mit Zunftmeistern, Gebührenordnung u.v.a.
Durch das Zunftwesen wurde ein Dreiklassensystem festgelegt, bei welchem zur niedersten Klasse (Chirurgi impuri18) die Bader, Schröpfer (= Skarifikanten), Scherer und Zahnextrahierer zählten. Diese waren nicht befugt, Lehrlinge auszubilden. Zur mittleren Klasse gehörten die Barbiere (Chirurgi puri) und die Rasierer. Zur oberen Klasse zählten die Operateure, Stein- und Bruchschneider, die "als Meister mit dem Wundmesser besonders umgehen können", sowie die Geburtshelfer (Accoucheure).
Nach der neunjährigen Lehr-, Gesellen- und Wanderzeit wurde das Examen abgelegt. Aber nicht etwa vor Zunftgremien, sondern vor dem staatlich verordneten Prüfungsausschuss, besetzt von Stuttgarter Leibärzten, verstärkt durch einen Chirurgus juratus. 1814 wurde in Württemberg das Zunftwesen der Chirurgen wieder aufgehoben.
Aus den Kirchenbüchern und den woellwarthschen Akten ist leider nicht ersichtlich, welche Ausbildung die hier tätigen Heilkundigen hatten. Der akademische Arzt wurde in den meisten Fällen als Physicus oder Medicus bezeichnet. Aber auch mancher Wundarzt bezeichnete sich als Medicus, für die es eine besondere Gebührenordnung mit 15 Leistungspositionen gab.
Erwahnt sei schließlich noch die
Wasenmeister oder Abdecker war jahrhundertelang eine Berufsbezeichnung für Personen, die in einem bestimmten Bezirk für die Beseitigung von Tierkadavern und die Tierkörperverwertung zuständig und damit im weiten Sinn auch im Gesundheitsbereich tätig waren. Andere Bezeichnungen des Berufs waren Feld- oder Fallmeister, Luderführer, Schinder oder Kleemeister. Scharfrichter und Wasenmeister waren, da erstere von den seltenen Hinrichtungen nicht leben konnten, oft dieselbe Person. Die Herrschaft von Woellwarth hatte jedoch keinen eigenen Scharfrichter, sondern zog im Bedarfsfalle einen solchen aus Gmünd oder Aalen herbei.
In Essingen ist um 1700 der Wasenmeister oder Schinder Peter Kaufman bekannt, als er wegen Ehebruchs mit Maria Schwarz aus Lauterburg und Beihilfe zur Abtreibung von der Herrschaft Woellwarth inhaftiert wurde19.
Der Scharfrichter nahm am 16. Juni 1699 auf dem Richtplatz beim Blümle die letzte Hinrichtung in Essingen vor. Im Kirchenbuch ist zu der Hinrichtung folgendes eingetragen: "Maria Elisabetha Holtzin, Jerg Ammons, Schultheiß und Wirths eheliche Tochter zu Neubronn, ist mit dem Schwert gerichtet und darauf in der Stille ohne Ceremonia an einem besonderen Orth auf hiesigem Friedhof begraben worden. Musste dieses Todes sterben, weil sie ihren Mann, Hanns Jerg Holtz, angehenden Bauers auf dem Oberkolbenhof, da sie kaum fünf Wochen beisammen gewesen, des Nachts im Bett erwürget."
Die Gattenmörderin wurde übrigens von Meister Andreas Kauffmann, Scharfrichter aus Schwäbisch Gmünd, mit dem Schwert hingerichtet, wie aus dem Verzeichnis vom 16. Juni 1699 über erlassene Malefizkosten zu entnehmen ist.
Einige Gebührenpositionen für Wasenmeister und Scharfrichter:
Hans Halm, Stadtschreiber in Aalen und Amtsvogt bei Wilhelm von Woellwarth zu Hohenroden von 1520 bis 1530, führte ein Doppelleben als angesehener Beamter. Er war jedoch ein berüchtigter Räuber, Entführer und Mörder. Wurde 1531 in Villingen hingerichtet (gerädert).
6 Siehe dazu auch: Mittelalter-Lexikon https://www.mittelalter-lexikon.de.
7 Das Mittelalter ist eine Epoche der europäischen Geschichte, die...
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