Schweitzer Fachinformationen
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Verdreckt, vom Schnee durchnässt und gehetzt, als sei die Äbtissin Salome ihm auf den Fersen, entdeckte Wolfhardt von Weitem die drei kegelförmigen Berge, in deren Mitte der Hohenstaufen in den grauen, schneeverhangenen Himmel ragte. Bei seinem Anblick überkam Wolfhardt ein ungeahntes Wohlgefühl. Möglicherweise hatte er dergleichen überhaupt noch nie erlebt, er fühlte sich vertraut mit der Burg dort oben, dem Dorf, durch das er ritt, dem schmalen Pfad, der sich zur Burg hinaufschlängelte. Je höher er kam, desto mehr war er mit seinen Sinnen bei einem heißen Eintopf, trockener Kleidung und möglichst einem Plausch mit Herzog Friedrich am Kamin. Die Wärme des Feuers erschien Wolfhardt allerdings dabei besonders verlockend.
Da hörte er zwei Reiter den Berg hinunterkommen, ziemlich schnell näherten sie sich ihm, ritten geradewegs auf ihn zu. Rasch wich Wolfhardt ihnen aus. Schon waren sie an ihm vorüber. Verdutzt sah er ihnen mit gerunzelter Stirn nach. Boten des Königs waren sie, das konnte nichts Gutes heißen.
Die Freude war mit einem Male dahin. Nachdenklich ritt Wolfhardt durch das Burgtor, hielt jedoch ob des ungewohnten Anblicks in gebührendem Abstand sein Pferd an. Da standen Herzog Friedrich und die Herzogin Judith dicht nebeneinander im Schneegestöber. Um sie herum wuselte der kleine Rotschopf Friedrich. Er zupfte seinen Vater am Mantel. Die Herzogin nahm ihren Sohn auf den Arm und sagte ihm etwas und strich ihm zärtlich über seine Wange. Der Kleine aber zappelte, wollte runtergelassen werden, hüpfte durch den Schnee, klatschte in die Hände und rief freudig: »Es gibt Krieg. Es gibt Krieg.«
»Wolfhardt!«, rief Herzog Friedrich ihm zu. »Kommt. Wir sind in Eile. Ich habe Euch zu diktieren.«
Ehrerbietig grüßte Wolfhardt die Herzogin, die nun ihren Sprössling an die Hand nahm und ihnen langsam zum Palas nachkam. Dort prasselte tatsächlich in der Halle ein Feuer im Kamin. Wolfhardt spürte Nässe und Müdigkeit und gleichzeitig Aufregung. Herzog Friedrich öffnete die Tür zur Schreibstube. Kalt war es hier. Der Kachelofen in der Ecke, eine gänzlich neuartige Erfindung, die sollte es auch auf Graf Bernhards Burg geben, hatte Wolfhardt gehört, war leider nicht beheizt. Offenbar hatte Herzog Friedrich nicht damit gerechnet, dass in nächster Zeit ein Schriftstück verfasst werden müsste. Mit klammen Fingern stellte sich Wolfhardt an das Pult, spitzte die Feder, mischte das Tintenpulver mit Wein und Eisenvitriol in dem abgeschliffenen Rinderhorn und blickte Herzog Friedrich erwartungsvoll an.
»Wir nehmen ausnahmsweise Papier«, beschloss Herzog Friedrich und drehte sich vom Fenster weg und Wolfhardt zu. »Es kann nicht gefälscht werden. Also schreibt:
Seinem Bruder Konrad / Bruder Friedrich
Selig sind die Friedliebenden, denn sie werden Gottes Kinder heißen, spricht unser Herr Jesus Christus.
Bruder Konrad, uns, die wir den Frieden lieben, steht ein Krieg bevor. Wir sind in höchster Not.
Höre: Auf dem Hoftag in Regensburg wurde von König Lothar und den Fürsten beschlossen, dass wir unser salisches Erbgut König Lothar zu übergeben hätten, da es angeblich Reichsgut sei. Unmittelbar darauf wurde ich aufgefordert, vor König Lothar zu erscheinen, was ich selbstredend nicht tat. Ich schrieb dir davon, bin mir jedoch nicht gewiss, ob du mein Schreiben im Heiligen Land erhalten hast.
Vom Fest der Geburt des Herrn an bis Anfang Januar fand in Straßburg ein Hoftag statt, zu dem Erzbischof Adalbert von Mainz und Pfalzgraf Gottfried bei Rhein den König von Regensburg aus begleitet haben. Die weltlichen und geistlichen Fürsten, die sich zum Hoftag einfanden, kamen vornehmlich aus den westlichen Gebieten des Reiches. Dort in Straßburg wurde die Acht in einem gegen die Regel vorschnellen Verfahren gegen mich verhängt. Der Grund sei Ungehorsam. Eine weitere Frist wurde mir nicht eingeräumt. Infolge der Verhängung der Acht bin ich rechtlos und jeder darf Krieg gegen mich führen. Die Fürsten haben es denn auch kurz darauf in Goslar nicht versäumt, ja, das ist der Zweck der Acht, mir den Krieg zu erklären!
Der Angriff soll von drei Seiten geführt werden: von Baiern, Franken und Lothringen. Schwaben soll eingekesselt werden.
Bruder Konrad. Eile, lass alles stehen und liegen, mach dich auf den Weg und komme mir zu Hilfe. Ich weiß, es lag dir viel daran, ins Heilige Land zu pilgern. Doch die Not des bevorstehenden Krieges zwingt mich dazu, dich um deinen Beistand zu bitten.
Um allerdings etwas von dem Schrecken und der Sorge zu nehmen, in die du durch die Kriegserklärung versetzt sein magst, kann ich dir mitteilen, dass König Lothar zuvor in Böhmen Krieg führt, wir also eine Frist bis Pfingsten haben. Zu mir ist jedenfalls die Kunde gedrungen, dass erst nach dem Böhmenfeldzug der Angriff auf uns erfolgen soll.
Bruder Konrad, wir können gemeinsam viel bewirken. Seit unserer Kindheit, seit unser Vater gestorben ist und du elf Jahre alt warst, ich mit fünfzehn Jahren Herzog geworden bin und unsere Mutter unmittelbar nach dem Tode unseres Vaters Markgraf Leopold geheiratet hat, haben wir zusammengestanden. Darum lass uns diese schwierige Zeit gemeinsam bestehen und unseren Feinden Widerstand leisten. Das Schmerzliche ist, dass unsere Feinde größtenteils einstmals unsere Freunde waren, ja unsere nächsten Verwandten sind: der Vater meiner Gemahlin Judith, Herzog Heinrich der Schwarze, ihr Bruder und unser Schwäher Heinrich der Stolze sowie der Gatte unserer Mutter, Markgraf Leopold. Graf Berengar von Sulzbach, er ist allerdings Anfang Dezember gestorben. Meine Gemahlin schmerzt es, dass nun ihre eigene engste Familie gegen sie, die Tochter, die Schwester Krieg führen wird.
Darum, du und ich, seit unserer frühen Jugend haben wir immer zusammengehalten. Mach dich auf, mein Bruder!
»Und wie steht es bei Euch, Wolfhardt? Seid Ihr bereit zum Krieg?«
»Ja, Herr, ich bin es.«
*
Luitger zog im Februar übers Erzgebirge nach Böhmen in den Krieg. Hatte er anfangs König Lothars Plan aufregend gefunden, heimlich Böhmen zu überfallen, und hatten die Waffen, die Rüstungen in Luitger zunächst ungeduldige Spannung und freudige Erwartung auf die bevorstehende Schlacht erweckt, so wich dieses Hochgefühl zunehmend einem nicht zu unterdrückenden Unbehagen.
Der Aufstieg über das Gebirge war mühsam. Die Kälte setzte ihm zu. Hart war dieser Winter, und es hob auch nicht seine Laune, dass die vom Hunger ausgezehrten Leute in den Dörfern beteuerten, der Schneefall sei stärker als seit Menschengedenken. Jedenfalls war er froh, als Graf und Ritter nicht wie die 200 Fußsoldaten dem Heereszug vorangehen zu müssen, um mit Axt und Schaufel die Wege vom Schnee zu befreien. Er litt auch so schon unter Frostbeulen an seinen Händen und Füßen. Sie brannten und juckten fürchterlich. Warum nur hatte er diese roten Haare und diese bleiche, zartporige Haut geerbt? Wolfhardt, der bekam bestimmt keine Frostbeulen und eiskalten Finger, dachte er grimmig.
Seine Leiden allerdings ließ Luitger sich nicht anmerken, sondern setzte eine tatenfrohe, unerschrockene Miene auf. Schon gar nicht wollte er Ritter Hartung seinen Missmut zu erkennen geben, der oftmals neben ihm ritt oder durch den Schnee stapfte. Hartung war beneidenswert groß und kräftig, ihm war immer warm, er prahlte, dass er wie Kaiser Heinrich damals in Canossa barfuß drei Tage im Schnee stehen könnte, und trotz aller Unbill hatte er stets gute Laune. Vor allem, Ritter Hartung war der älteste Sohn des ruhmreichen Grafen Adolph von Holstein. Wer aber war er selbst? Illegitimer Sohn Graf Bernhards von Baerheim. Das wusste zum Glück keiner, beschwichtigte Luitger sich selbst.
»Macht Euch keine Sorgen«, betonte Ritter Hartung, obgleich Luitger nichts dergleichen geäußert hatte, »König Lothar ist ein begnadeter Kriegsherr. Ein kleines Heer wie dieses von dreitausend Mann ist durchaus ausreichend. König Lothar war als Herzog auf seinen Feldzügen im Osten immer siegreich. Mein Vater hat ihn oftmals begleitet, und ich kann Euch versichern, mit glänzender Beute kam er heim. Das war ein Fest!«
Hartung schwieg, und Luitger sah es Hartung an, wie vor seinen Augen Berge von Gold und Silber aufstiegen. Hartung räusperte sich.
»Das muss bei Euch ebenso gewesen sein. Ich hörte, Ihr wäret bei Graf Bernhard von Baerheim aufgewachsen, der Graf hat sicher auch viel Beute von seinen Feldzügen im Osten mitgebracht.«
»Davon kann ich wenig erzählen. Graf Bernhard sprach eigentlich nie über den Krieg und von Beute habe ich nichts gesehen. Ich weiß nur, dass bei dem Polenfeldzug König Heinrichs V. anno 1109 viele Krieger von höherer Geburt zur Bestattung nach Baiern und nach Sachsen gebracht werden mussten. Der böhmische Herzog Suatopluk wurde von einem Meuchelmörder getötet, der ihm im Wald einen Wurfspieß zwischen die Schultern stieß. Es erfolgte ein Vergeltungsschlag in Böhmen. Der Mörder und seine Anhänger verloren Augen und Nase. Graf Bernhard pflegte zu sagen, die böhmischen Verhältnisse sind genauso undurchdringlich wie die böhmischen Wälder. Am undurchschaubarsten seien die ständigen böhmischen Erbstreitigkeiten.«
»Ihr bezieht dies doch wohl nicht auf unseren Feldzug gegen Sobeslaw?«, fragte Hartung scharf.
Luitger schwieg darauf. Es war verzwickt. Es war ein Verwandtschaftskrieg, der hier geführt wurde. Sobeslaw war zwar Herzog von Böhmen, aber sein naher Verwandter Markgraf Otto von Mähren machte ihm dies...
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