BEGRIFFSDEFINITIONEN
Zunächst zum Begriff »Wissen«
Wissen heißt, sagen können, dass man sagen kann, was der Fall ist. (Prof. Splett)
In dieser Definition bleibt offen, auf welchem Wege man zum Wissen gekommen ist.
Wissen gliedert sich in die Grade:
Wissen, dass
Wissen, wie
Wissen, warum
Wissen besteht zumeist aus Faktenwissen. Es bedeutet nicht in erster Linie, dass man etwas verstanden hat.
Das Wissen, das wir haben, ist ein sehr geringer Teil der Gesamtrealität.
Die Gesamtwirklichkeit ist prinzipiell für den Menschen nicht erkennbar.
Gebildet sein bedeutet, möglichst viel von dem Wissbaren zu wissen. Aber vor allen Dingen immer zu wissen, dass all unser Wissen nur unendlich klein ist und auch nur klein sein kann in Bezug auf die gesamte Wirklichkeit.
Nur wer viel weiß, weiß auch wie wenig er weiß.
Wissen bedeutet zunächst unmittelbare, persönliche Erfahrung. nicht mittelbar durch Glauben.
Ich gehe nach draußen und stelle fest, dass es regnet, da ich nass werde. Ich weiß es. Es ist unmittelbare, mich selbst direkt treffende Erfahrung.
Wissen ist Erfahrenes oder Vernommenes.
Dem Wissenden ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass seine Aussage zutrifft.
Wissen ist, was man nicht bezweifelt.
Das, was wir sicher wissen, woran wir auf gar keinen Fall zweifeln, ist, dass wir sind.
Das sicherste Wissen ist das aus eigener Erfahrung. Es ist das Erleben einer Wirklichkeit, die einem nahe gekommen ist, »hier und jetzt«, hautnah. Wir sind uns selbst am nächsten. Daher sind wir und wissen es.
Nach Descartes ist unser denkendes Zweifeln selbst der sicherste Nachweis unseres Seins.
Wenn wir also in unserem Suchen nach Erkenntnis auf alles Zweifelhafte zugehen, so gehen wir von einem gesicherten Standpunkt aus, nämlich von uns selbst, ein jeder von sich.
Wir sind jetzt. Dies ist unzweifelhaft. Ob wir immer sein können, führt zu der Frage nach der Transzendenz.
Denn wir kommen alsbald zu einem wesentlichen, uns einschränkenden Phänomen, der Zeit. Alles Sein ist in der Zeit. Die Zeit ist Vorübergang, beständiger und stetiger Übergang von einem Zustand in einen nächsten.
Der Vorübergang ist kontinuierlich, deshalb gibt es nie den »Zustand«.
Denn ein Zustand würde, wenn auch ein winziges, Verweilen bedeuten.
Das ewige Leben, das wir erhoffen und glaubend erwarten, müsste ein Leben außerhalb der Zeit sein.
Wir wissen aber, dass wir endlich sind.
Der Glaubensbegriff.
Der Glaubensbegriff ist leider mehrdeutig (äquivok) und gibt Anlass zu Fehldeutungen und Missverständnissen und erschwert die Kommunikation.
Meistens benutzen wir das Verb »glauben« im Sinne von »meinen«, »vermuten«.
Dies ist eine umgangssprachliche Reduzierung des ursprünglichen Begriffsinhalts.
Glauben heißt Wissen ohne die eigene Sinneserfahrung.
Wissen aus eigener Erfahrung: Ich weiß, das Buch liegt auf dem Tisch, weil ich es sehe.
Wissen aus Glauben: Ich sage meinem Freund, der blind ist: Das Buch liegt auf dem Tisch.
Mein Freund antwortet: Ich weiß, das Buch liegt auf dem Tisch.
Er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Er vertraut mir, er glaubt mir.
Er glaubt meiner Aussage. Er glaubt mir immer, weil ich ihn nie enttäuscht habe. Er glaubt an mich.
Glaube ist Wissen durch Vermittlung im Vertrauen auf die Person, die vermittelt hat. Glaube in dieser Beschreibung ist also eine andere Form von Wissen. In dieser Hinsicht ist das meiste von dem, was wir als unser Wissen ausgeben, ein Glaube.
Wer weiß schon aus eigener Erfahrung, dass die Erde eine Kugel ist? Fast die ganze Technik, die wir benutzen, beruht auf Glauben in die Funktionsweise, andernfalls wären wir behindert, wirkungslos.
Glaube in dieser Hinsicht ist alltäglich.
Wir vertrauen auch der Wissenschaft und der Technik, wenn sich ihre Aussagen bewährt haben, wenn wir vertrauensvoll damit umgehen können.
Allerdings geht es hier nicht mehr um Personen, sondern um bewährte Theorien.
Glaube ist ein personaler Akt, von Person zu Person.
Ausgangspunkt des persönlichen Glaubens ist eine glaubwürdige, vertrauenswürdige Person. Die Glaubwürdigkeit einer Person beruht auf entsprechenden Erfahrungen, die man mit dieser Person gemacht hat.
Es ist unmöglich zu lernen, ohne zu glauben. Umfangreicheres Wissen als durch eigene Erfahrung erhält man nur durch Glauben.
Wer nicht glaubt, weiß wenig.
Wissen ist Macht. Glauben ist Macht. Glauben ist mehr als Wissen.
Glauben ist engagiertes Wissen: Wissen mit Empathie, Wissen mit Ausstrahlung, Wissen mit Überzeugungskraft.
Glauben ist eine Sache des Geistes.
Jedes Wissen ist letztlich Glaubenswissen.
Jede Person besitzt Selbstbewusstsein. Das heißt, sie hat ein Ich, welches sich (in selbstreflektorischer Rücksicht) seiner selbst bewusst ist und sich selbst aus einer geistigen Distanz heraus beobachtet.
Selbst die eigene Sinneserfahrung muss in mir selbst geglaubt werden, um zu wissen, dass ich weiß.
Ich muss mir selbst glauben können. Ich muss zu mir ein Vertrauensverhältnis haben. Dies kann gestört sein und kann zum Kontrollverlust führen.
Also: Wissen heißt in jedem Fall glauben. Wir brauchen den personalen Bezug zu uns oder zum Mitmenschen, um Erkenntnisse zu gewinnen.
Ich glaube mir, meinem Ich, als unmittelbarem Zeugen, oder ich glaube jemandes anderen Ich als mittelbaren Zeugen.
Alles Wissen muss durch Glauben bestätigt werden, damit es zur Überzeugung wird. Dass dies meist unbemerkt geschieht, zeigt, dass der Mensch im Grunde sich selbst und anderen gegenüber vertrauensvoll ist.
Daraus folgt, dass wir letzten Endes nicht aus dem Wissen, sondern aus dem Glauben leben.
Alles, was ich nicht weiß, erschließt sich mir nicht, auch wenn es ist. Erst dann, wenn ich es glaubend weiß, erschließt sich mir ein Wirkpotential. Ich bin ein anderer Mensch geworden, einer, der mehr weiß.
Glaube und Wissen zusammengefasst:
Ich weiß heißt, ich kann sagen, was Sache ist.
Wir wissen einerseits durch eigene Erfahrung, und wir wissen andererseits dadurch, dass wir jemandem glauben, der diese Erfahrung gemacht hat.
Glaube allgemein ist eine Form des Wissens auf Grund des Vertrauens in eine Person, die etwas weiß und es uns übermittelt.
Glauben ist Person-bezogen. Man kann nur einer Person glauben.
Glaube baut auf Vertrauen, und ist notwendige Voraussetzung einer jeden Gemeinschaft.
Glaube wird zu Wissen aufgrund von Vertrauen.
Ich weiß mehr, da ich glaube.
Ich glaube jemandem heißt: Ich spreche jemandem mein volles Vertrauen aus. Ich bin sicher, dass er mir immer »seine Wahrheit« sagt, nach seinem besten Wissen und Gewissen.
Das meiste wissen wir nicht aus eigener Erfahrung.
Insbesondere betrifft dies das Faktenwissen, die Lehren der Schulen und Hochschulen, Informationen, Wissen ist nicht nur Faktenwissen, sondern auch Können, wissen wie etwas zu machen ist.
Das Wissen aus eigener Erfahrung ist äußerst beschränkt.
Umso wichtiger ist der Glaube, welcher unseren Wissensschatz enorm erweitern kann. Wer nicht glaubt, viel zweifelt und skeptisch ist, verhindert weitestgehend seine Möglichkeit belehrt und gelehrt zu sein.
Glaube setzt zuallererst voraus, dass wir uns selbst glauben.
Wir können keine eigenen Erfahrungen machen, wenn es am Glauben an uns selbst mangelt. Dieser persönliche Glaube zielt in unsere Substanz, unser Ich. Wir müssen ein glaubwürdiges Bewusstsein von uns selbst besitzen, ein sich selbst annehmendes Selbst-Bewusstsein.
Worin erfahren wir außerhalb des philosophischen Denkprozesses, dass wir sind?
Aus dem Erlebnis des Angeschaut seins.
Wir werden angeschaut. Und das erleben wir.
Wir erhalten das Wissen unseres Daseins von jemand anderem. Jemand schaut uns an, und wir erkennen in ihm, dass wir angeschaut werden, und damit erkennen wir, dass wir sind, und dass wir damit auch den anschauen, der uns anschaut und ihm die Gewissheit vermitteln, dass auch er ist. Das Wissen um das Sein beruht auf Gegenseitigkeit. Wir wissen alle von uns durch uns. Und wir glauben dieser unserer Zusammengehörigkeit, Schöpfungsgemeinschaft.
Diejenige, welche uns als erste anschaut, ist unsere Mutter.
Wir sind, da wir erkannt worden sind.
Unser eigenes Erkennen ist unvollkommen, wenn wir nicht in Liebe angeschaut worden sind. Denn in der Liebe ist die Kraft des Lebens.
Ich sehe mich angeschaut.
Ich erkenne mich, wenn ich vom anderen erkannt werde.
Ich glaube dem anderen, dass er mich erkennt.
Und ich glaube ihm gerne, weil ich auf diese Weise tatsächlich bin!
»Ich bin« heißt, einem anderen glauben.
Das Grundvertrauen ist im Menschen eingepflanzt.
Der Glaube als Lebenshaltung baut darauf, dass dieses reflektorische liebende Erkennen ein allgemeines Prinzip der Menschheit, ja der Natur ist, und dass auf diese Weise Erkenntnis durch Liebe vermittelt wird, und...