Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
KAPITEL 2 Sakla samanı, gelir zamanı 1
Hauptkommissar Bülent Rambichler liebte es zu duschen. Überhaupt, die Restaurierung und Reinigung seines Körpers war ihm ein großes Anliegen. Demzufolge hatte er sich in seine hübsche Wohnung direkt an der Nürnberger Burg auch auf eigene Kosten sein persönliches Hamam einbauen lassen. Ein gefliester Mosaik-Traum im leuchtenden Königsblau mit integriertem Sternenhimmel, der von der Decke funkelte. Kann man haben und muss man auch, fand Bülent. Denn mit Blick in die Unendlichkeit seifte es sich einfach viel besser.
Auch an diesem späten Vormittag fuhr Bülent also mit einem weichen Handschuh ritualartig über seinen gut gebauten Körper, den er vorher eingeschäumt, gepeelt, gewachst und enthaart hatte. Mittlerweile schaffte er das ganze Prozedere in eineinhalb Stunden, aber diesmal konnte er sich Zeit lassen - ist ja Samstag, dachte er noch, als plötzlich »Ein guter Tag zum Sterben« von der fränkischen Punkband J. B. O. an sein Ohr tönte. Er hatte das Lied als Klingelton auf seinem Diensthandy eingerichtet. Fand er irgendwie passend.
Bülent schlitterte nackt über das Eichenholzparkett in seinem Flur seinem Handy entgegen, welches auf einem kleinen Tischchen neben der Tür lag. Öl auf der Haut ist gut, aber nicht, wenn man es eilig hat, dachte er noch, als er auch schon mit seinem kleinen Zeh am Türrahmen hängenblieb. Der grantige Schmerz zwang ihn sofort und unmissverständlich in die Knie, aber immerhin hatte er noch sein Handy erwischt. Profi blieb halt Profi.
»Hallo, Büli. Hallo?«
Astrid Weber, seine junge Assistentin, war am anderen Ende der Leitung. Wie oft hatte er ihr jetzt eigentlich schon gesagt, dass sie ihn nicht Büli nennen sollte? Er wollte nicht verniedlicht werden, er war schließlich ein ganzer Kerl. Mit einem leichten Pflegefimmel vielleicht, aber wer sagte denn, dass Männer stinken mussten wie Hyänen und haaren wie Schimpansen.
»Büli, bist du noch dran?«, schallte es ungeduldig aus dem Telefon.
»Was gibt's denn?«, presste Bülent zwischen den Zähnen hervor, weil er gerade dabei war, vorsichtig seinen brutal wimmernden Zeh abzutasten, und das tat verdammt weh.
»Wir sollen sofort ins Büro kommen, der Chef will uns sehen.«
»Warum denn am Wochenende?! Und warum ruft er dich an und nicht mich?«
»Zu eins, Schatzi, weil es für uns keine Wochenenden gibt, und zu zwei, weil du wahrscheinlich wieder mal vor lauter Schaum im Ohr das Handy nicht gehört hast. Er hat es versucht, mehrmals. Also los, schwing die Hufe.«
Wenig später saß Bülent etwas schief gelagert und äußerst schlecht gelaunt in seinem Bürostuhl. Sein Zeh schrie vor Entrüstung, dass er trotz der widrigen Umstände in äußerst schicke, aber viel zu enge Wildleder-Slippers gepackt worden war. Außerdem lachte draußen das schönste Wetter. Der Tag konnte nur besser werden. Laut Astrid würde sein Chef in etwa zehn Minuten eintreffen, hatte noch irgendetwas auf dem kurzen Dienstweg zu regeln. Blabla.
Bülent wandte sich dem zu, was er immer tat, wenn ihm die Polizeiarbeit mal wieder so richtig gegen den Strich ging. Er überarbeitete sein Rezept für ein ganz besonders innovatives Produkt - den ersten fränkisch-türkischen Schäufele-Döner. Irgendwann, daran glaubte er fest, würde er seinen Traum von einem eigenen Imbissstand, was hieß Stand, eigenem Imperium, wahrmachen und dann endgültig die Tore zwischen sich und dem Kriminalamt schließen. Natürlich erst dann, wenn seine sicherlich nicht unansehnliche Pension allmonatlich auf sein Konto überwiesen würde. Er war vielleicht ein Visionär, aber auch nicht wahnsinnig. Mal abgesehen davon, dass es seinem Vater das Herz brechen würde, wenn er frühzeitig den Dienst quittieren und damit quasi die Familienehre verletzen würde. Nein, dann doch lieber noch ein paar Jahre weitermachen bei der Mordkommission. Und das am liebsten ohne Mord.
Seit über zwanzig Jahren schob er Dienst nach Vorschrift, und das nur, weil Erkan Rambichler als bekennender Tatort-Fan und Frankenfanatiker die kriminalistische Beamtenlaufbahn für seinen Sprössling als besonders erstrebenswert erachtet hatte. Vor allem auch hinsichtlich einer erfolgreich abgeschlossenen Integration. Dabei ging es Erkan mehr um seine eigene als die von Bülent, der war schließlich in Deutschland geboren und aufgewachsen. Natürlich hätte Bülent auch nein sagen können, als ihm sein Vater die Bewerbungsunterlagen für den gehobenen Polizeidienst mit den Worten »Sohn, mach mich stolz« in die Hand gedrückt hatte. Er hätte auch immer noch nein sagen können, als er seine Ernennungsurkunde in Händen hielt. Hatte er aber nicht. Denn Bülent hasste nichts mehr als Stress, und zu dem wäre es zweifelsohne gekommen, wenn er sich dem großen Wunsch seines Erzeugers widersetzt hätte. Ganz zu schweigen davon, was seine Mutter dann daheim vermutlich täglich für ein Theater hätte über sich ergehen lassen müssen. Und wenn er ganz ehrlich war, wusste er nach dem Abitur ohnehin nichts Rechtes mit sich anzufangen. Außerdem lief es ja nicht wirklich schlecht für ihn. Er schob, dank seines wohlwollenden Chefs, ausschließlich Innendienst und sah die meisten Leichen, wenn überhaupt, nur hübsch abgelichtet auf Fotopapier. Es störte ihn auch überhaupt nicht, dass man ihn im ganzen Revier als Akten-Schubser und Protokoll-Gott verspottete. Wenn schon. Sollten doch andere Licht auf die dunklen, blutrünstigen Seiten der Menschheit werfen. Ihm war nicht nach Ruhm und Ehre - ihm war nach Ruhe und Entspannung.
»Huhuuu, ist wer zu Hause? Erde an Büli.« Astrid, seine junge, zugegebenermaßen äußerst attraktive Assistentin, sah ihn aus großen Augen an, ein verdächtiges Zucken umspielte dabei ihre Mundwinkel.
»Du sollst mich nicht immer Büli nennen. Intensiv nachgedacht habe ich halt«, raunzte Bülent sie an und richtete sich schwer ächzend auf seinem Schreibtischstuhl auf. »Verdammt, wenn der mal nicht gebrochen ist«, jammerte er.
»Hier, nimm ein paar Arnika-Globuli. Die helfen.« Astrid streckte ihm ein kleines Döschen entgegen. Bülent verzog verächtlich das Gesicht.
»Du weißt ganz genau, dass ich an dieses homöopathische Graffl nicht glaube.«
Als hätte sie ihn nicht gehört, nahm Astrid Bülents Hand und schüttete ein paar der weißen Kügelchen hinein.
»Probieren muss man!«, gab sich Astrid gespielt streng und ließ Bülent so lange nicht aus den Augen, bis dieser gottergeben die Globuli hinuntergeschluckt hatte. Kaum hatte das vermeintliche Wundermittel jedoch den Weg gen Speiseröhre gefunden, fasste er sich theatralisch an den Hals.
»Hilfe, ich ersticke«, röchelte er und verdrehte dabei die Augen.
»Sehr witzig.« Beleidigt verschanzte sich Astrid hinter ihrem Computer, während Bülent seine Zunge zur Verdeutlichung seines schweren Leidens aus dem Mundwinkel hängen ließ.
»Herr Rambichler, geht es Ihnen nicht gut?«
Bülent öffnete die Augen und blickte direkt in das Gesicht von Horst Köhl, dem Leiter der Mordkommission, der ihn über seine randlose Brille mit ernsthaft besorgtem Gesichtsausdruck ansah. Ratlos drehte Köhl sich zu Astrid um. »Was hat er denn?«
Astrid grinste. Doch bevor sie sich eine freche Antwort zurechtlegen konnte, schaltete Bülent sich schleunigst ein.
»Alles bestens, ich habe Frau Weber nur etwas veranschaulichen wollen.« Bülent sandte Astrid einen hilfesuchenden Lass-mich-jetzt-bloß-nicht-hängen-Blick zu. Sie nickte.
»Ja, das hat er.« Sie lächelte ihren Vorgesetzten offen an.
»Und was genau?« Köhl ließ einfach nicht locker.
»Ähm, ja also .« Bülent überlegte fieberhaft.
»Die komplexe Wirkung halluzinogener Drogen auf den menschlichen respektive männlichen Organismus ab vierzig«, schoss es aus Astrids Mund. Bülent musterte sie anerkennend. Anscheinend versteckte sich hinter diesem hübschen kleinen Pagenköpfchen auch ein äußerst schlagfertiges Gehirn.
Als man ihm Astrid vor rund einem Jahr als seine Assistentin vor die Nase, besser gesagt an den Schreibtisch ihm gegenüber, gesetzt hatte, war er alles andere als begeistert gewesen. Eine Frau in seinen heiligen, Testosteron-geschwängerten Räumen, und dann auch noch so ein Exemplar. Bülent hatte damals kurz davorgestanden, den Dienst zu quittieren.
Denn dieses junge Ding war nicht nur hoffnungslos überambitioniert und witterte überall Mord und Totschlag, nein, schlimmer noch: Sie war eine von diesen dauerhaft fröhlichen Quietscheentchen-Frauen, an denen Zynismus und schlechte Laune abperlten wie Regen an einer gut geölten Haut. Das allein würde ja schon reichen, um einen Mann wie Bülent wahnsinnig zu machen. Doch stückweise kristallisierten sich weitere Absonderlichkeiten heraus, mit denen er sich täglich herumschlagen musste. Astrid hatte nämlich nicht nur ein Faible für Räucherstäbchen, sondern auch für Yoga. Was damit einherging, dass sie mindestens einmal am Tag ihre Matte ausrollte, um ohne Scham ihren zugegebenermaßen sehr ansehnlichen Körper zu dehnen. Praktizierende und missionierende Veganerin war sie außerdem. Dass sie sich mit zweitem Namen »Sunshine« nannte, war für Bülent dann nur noch die logische Fortführung eines konsequent gelebten weiblichen Wahnsinns. Mittlerweile hatten sich die beiden jedoch aneinander gewöhnt. Sie ließ ihm seine Bratwurstsemmeln, und er unterließ es gnädigerweise, auf ihrem Kälbchen-Poster die für den Verzehr geeigneten Fleischgebiete einzukreisen.
»Ich habe einen Auftrag für Sie und bin...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.