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Kapitel 3
Bei der Bereitschaftspolizei Ausbildung zum Krankenpfleger und Arzthelfer Der 12. August 1961 Meine erste Liebe Abitur neben der Berufstätigkeit
Noch immer fehlte mir eine berufliche Alternative. Da ich keine Idee hatte, was ich werden wollte, beschloss ich, meinen Grundwehrdienst zu leisten. Damit konnte ich der später ohnehin zu erwartenden Wehrpflicht zuvorkommen.
Da ich noch keine achtzehn Jahre alt war, benötigte ich das Einverständnis meiner Mutter. Das gab sie mir problemlos, denn ich hatte längst meine Selbständigkeit durchgesetzt. Ich wurde der Bereitschaftspolizei in Meiningen zugeteilt. Der Begriff Polizei irritiert, denn wir waren Soldaten und haben uns auch so gesehen. Die Grundausbildung stellte für einen trainierten Waldarbeiter keine Herausforderung dar. Auch intensive Märsche mit voller Ausrüstung im Hochsommer konnte ich bewältigen. Aber befriedigend war das nicht.
Erster Besuch als Soldat in Leipzig, 1956
In diesem Gesicht sieht man die Spuren des Lebens noch nicht.
Das Glück stand mir zur Seite, denn Meiningen befand sich an der Grenze zur Bundesrepublik, und es wurde befürchtet, dass es zu westlichen Flugblattaktionen oder dem Abwurf von Kartoffelkäfern kommen könnte. Man traute schließlich der anderen Seite nichts Gutes zu. Vier Soldaten, darunter auch ich, wurden abwechselnd als Beobachter auf das Dach der Kaserne geschickt. Dort verbrachten wir einige gemütliche Sommerwochen, denn die prophezeiten Vorkommnisse traten nicht ein. Weder Flugblätter noch Kartoffelkäfer kamen vom Himmel. Auf der Erde gab es in diesem Jahr allerdings tatsächlich überdurchschnittlich viele Kartoffelkäfer.
Nach Erreichen des achtzehnten Lebensjahres wurde ich Kandidat der SED mit einer zweijährigen Bewährungszeit. Die Entscheidung traf ich selbst wohl auch unter dem Einfluss der militärischen Umgebung. Bedrängt wurde ich jedenfalls nicht. Eine nennenswerte politische Bildung hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhalten. Es imponierte mir aber, dass in den Parteiversammlungen sogar der Regimentskommandeur kritisiert werden durfte. Die Versammlungen waren damals noch erfrischend lebendig.
In dieser Zeit, am Sonntag, dem 13. Oktober 1957, fand ein überraschender Geldumtausch statt. Er wurde »Aktion Blitz« genannt. Die Regierung der DDR machte die im Umlauf befindlichen Banknoten über Nacht wertlos und gab neue aus. Im Rahmen dieser Umtauschaktion sollte jeder Bürger den Nachweis erbringen, dass sein umzutauschendes Geld aus der Berufstätigkeit oder aus anderen legalen Quellen stammte. Damit wollte man auch diejenigen treffen, die »illegales Geld«, zum Beispiel aus Transaktionen mit Bürgern aus dem Westen, besaßen. Sowohl die daran beteiligten Bürger der BRD als auch die DDR-Bürger konnten sich zum Nachteil der Allgemeinheit einen überdurchschnittlichen Lebensstandard leisten.
Was meinen beruflichen Weg anging, hatte ich in dieser Zeit wieder das Glück auf meiner Seite. Im medizinischen Versorgungspunkt in Meiningen wurde eine Hilfe gesucht. Ich meldete mich, wurde angenommen und erlernte unter Anleitung eines Feldschers einige medizinische Grundlagen. Aus mir nicht bekannten Gründen wurde mein Vorgesetzter kurze Zeit später entlassen, und ich musste zeitweilig seine Aufgaben übernehmen. Im Wesentlichen ging es um die Durchführung einer Impfaktion und die Behandlung kleinerer Verletzungen und unbedeutender Befindlichkeitsstörungen. Eine besondere Aufgabe bestand darin, die Soldaten über die Vermeidung von sexuell übertagbaren Krankheiten zu informieren.
Anscheinend erledigte ich meine Aufgabe nicht schlecht, denn mir wurde nach der Ankunft eines neuen Feldschers angeboten, an einer Ausbildung zum Krankenpfleger teilzunehmen. Danach hätte ich bis zum Ende meiner Dienstzeit als Feldscher tätig sein können. So fand ich schließlich eine berufliche Alternative.
Die Ausbildung zum Krankenpfleger wurde innerhalb der verschiedenen Polizeieinheiten organisiert. Sie fand an der Medizinischen Fachschule in Leipzig statt und dauerte ein Jahr. Die Nachbarklasse bestand aus lauter hübschen Schwesternschülerinnen, und so dauerte es nicht lange, bis sich freundschaftliche Beziehungen entwickelten. Es blieben aber Freundschaften, denn wir Polizeischüler waren in einem Polizeiobjekt untergebracht. Anders als die angehenden Krankenschwestern mussten wir um 22 Uhr zu Hause sein, während sie weiter das Leipziger Nachtleben genießen konnten.
Unsere Objektnachbarn waren russische Soldaten. Ich konnte sie ohne Probleme in ihrer Unterkunft besuchen und wir hatten trotz sprachlicher Probleme aneinander durchaus Freude. Bei ihnen versuchte ich den Kasatschok, den Tanz der Kosaken, zu erlernen. Es war sehr lustig, gelang mir aber nur unzureichend.
Das Ende der Ausbildung war schon nahe, als ich disziplinarischen Maßnahmen unterworfen wurde. Meine beste Freundin in der Krankenpflegeschule hatte im Westen verlegte Liebesromane gelesen, und mir wurde vorgeworfen, das nicht ausdrücklich missbilligt zu haben. Dazu kamen kleinere Disziplinverstöße, weil ich nicht immer genau um 22 Uhr zu Hause gewesen bin. Es wurde ein Parteiverfahren eröffnet und im Ergebnis mein Parteiausschluss sowie meine Rückführung in die Diensteinheit beschlossen. Ich war zu dieser Zeit einer der besten Schüler unseres Lehrgangs. Womöglich spielte bei diesem Verfahren deshalb auch das Konkurrenzempfinden meiner Mitschüler eine Rolle.
Die inquisitorische Form des Parteiverfahrens war jedenfalls erschreckend. Wir lebten ja noch in den Nachwehen stalinistischer Erziehungsmethoden und so konnten beispielsweise Hochschulabsolventen als Strafe für außereheliche Beziehungen für zwei Jahre zur Bewährung in die Produktion geschickt werden. Wieder hatte ich Glück, denn meine Diensteinheit teilte die Meinung der Lehrgangsleitung nicht und ignorierte die getroffenen Entscheidungen. Auch das war damals möglich.
Mit vier Wochen Verspätung holte ich den Fachschulabschluss in Erfurt nach, denn dort befand sich der Sitz des Regiments und dort sollte mein weiterer Einsatz erfolgen. Mir wurden nun umfangreichere medizinische Aufgaben übertragen, und ich wurde meinerseits als Feldscher wirksam. Die Arbeit machte mir Freude, schaffte Befriedigung und brachte mir Anerkennung. Zudem brauchte ich kaum an militärischen Aktivitäten teilnehmen.
Im Sommer 1961 nahte das Ende meiner Dienstzeit. Am 12. August, ich verbrachte gerade meinen Wochenendurlaub in der elterlichen Wohnung und saß beim Frühstück, erreichte mich die Nachricht über die Schließung der Grenzen zu Westberlin. Für die Grenzsicherung war auch die Bereitschaftspolizei verantwortlich, sodass meine Dienstzeit um acht Tage verlängert wurde. Als sich die Lage beruhigt hatte, konnte ich aus dem Militärdienst ausscheiden und in das zivile Leben zurückkehren. Die Grenzschließung zu Westberlin wurde von den Menschen in meiner Umgebung positiv bewertet, denn sie sollte den Westen daran hindern, über wirtschaftliche und politische Einmischung auf die Entwicklung der DDR Einfluss zu nehmen. Die eigentliche Bedeutung dieser Maßnahme wurde uns erst später deutlich: Sie sollte vor allem, die massenhafte Abwanderung von Staatsbürgern in den Westen eindämmen.
Zur Anerkennung meiner Leistungen im Rahmen meiner Arbeit als Feldscher wurde bei der Entlassung zwischen meiner Regimentsleitung und der Medizinischen Akademie Erfurt für mich ein Ausbildungsvertrag zum Arzthelfer abgeschlossen. Dieser Beruf sollte in der DDR die Lücken in der ärztlichen Versorgung schließen helfen und umfasste eine Reihe ärztlicher Aufgaben. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre und beinhaltete die Untersuchung von Patienten sowie das Stellen (vorläufiger) medizinischer Diagnosen. Die theoretische Ausbildung in den wichtigsten klinischen Hauptfächern erfolgte in Weimar. Die praktische Arbeit sollte in den delegierenden Einrichtungen erlernt werden.
Ehe ich die Ausbildung abschloss, wurde schon deutlich, dass auf absehbare Zeit genügend Ärzte vorhanden sein würden und für viele von uns, im günstigsten Fall, nur eine Tätigkeit im Blutspendedienst übrig bleiben würde. Damit war der Beruf wiederum nicht auf Lebenszeit ausgelegt, aber er steigerte meinen Wunsch, vielleicht doch noch die Zulassung für das Medizinstudium zu bekommen. Zunächst füllten uns Teilnehmer aber die aktuelle Ausbildung und deren Inhalte aus.
Bald nutzte ich die Zeit in Erfurt nicht nur zum Lernen, sondern auch für kulturelle Erlebnisse. So wurde ich Mitglied im Kulturensemble des FDGB-Hauses. Dort gab es einen Chor, eine Tanzgruppe und ein Kabarett. Man versuchte sogar, mich für eines der großen Tanzensembles der DDR zu werben. Ich entschied mich jedoch dagegen, denn dafür war ich nach meiner Überzeugung schon zu alt. Außerdem hätte ich nach wenigen Jahren wieder keinen Beruf mehr gehabt. Beim Kabarett lernte ich Ehrhard Pfeiffer kennen, mit dem mich durch unsere gemeinsamen Auftritte eine enge Freundschaft verband. Später arbeitete er für kurze Zeit für den sowjetischen Geheimdienst. Nach seinem ersten Einsatz in der BRD schied er aus, weil die damit verbundenen Belastungen zu groß für ihn waren.
FDGB-Ensemble Erfurt
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