Schweitzer Fachinformationen
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Essen auf der Couch war schon immer was Besonderes. Schon in meiner Kindheit. Denn das war die große Belohnung bei uns: der Couchfreischein! Wenn ich mich brav an Regel eins und zwei gehalten hatte, durfte ich abends mit dem Abendbrot im Wohnzimmer auf der Couch sitzen und 'ne Vorabendserie sehen und dabei mampfen, was ich wollte.
Dazu muss man wissen: Schon in jüngster Jugend hatte ich Essgelüste wie eine Dauerschwangere. So gab es eine lange Zeit von meiner geduldigen Mutter Abend für Abend denselben Gang: ein Spiegelei, daneben ein Toastbrot mit Nutella und daneben wiederum eine rohe aufgeschnittene Zwiebel mit etwas Salz.
Na? - Läuft beim Lesen bereits der Speichel säuerlich im Überfluss im Mund zusammen? Also, ich mochte es. Und ich habe keine Ahnung, warum. Spiegelei? Okay. Großmütter sagen zu so was: »Das ist was Reelles.« Was so viel heißt wie: »Da ist alles drin, was der Körper braucht.«
So wie es in der Fernsehwerbung früher hieß: »Fruchtzwerge! So wertvoll wie ein kleines Steak.« Das muss man sich noch mal vorstellen. Was ein herrlicher Quatsch. Noch heute mach ich mir den Spaß und serviere meinen Kindern ihr Stück Fleisch mit den Worten: »Steak! So wertvoll wie ein großer Fruchtzwerg.« Und jedes Mal, wenn die mich mit großen Augen ungläubig anschauen, weiß ich: Fernsehwerbung in den 80ern hatte einen an der Murmel.
Zurück zum Spiegelei. Das geht als Abendbrot locker durch. Ein Toastbrot mit Nutella auch irgendwie. Vor allem, wenn man noch gefühlte siebenundzwanzig Millionen Tage auf die Wiederbefüllung des Süßigkeitenregals warten musste. In der Kombination mit Spiegelei sicher befremdlich, aber noch vertretbar.
Aber die Zwiebel? Und dann auch noch mit Salz? Salz war in meiner Kindheit wahrscheinlich das Pendant zur sprichwörtlichen Kirsche auf der Sahnehaube. Das Momentum genialischen Wahnsinns, bei dem meine Eltern sich dachten: »Irgendwas stimmt mit dem Kind nicht. Die wird bestimmt mal Künstlerin.«
Und wo ist überhaupt der Kumpel des Lauchgewächses, der sich mit dem scharfen Gemüse durch das Rheinland schunkelt? Wo ist das Mett? Es gab kein Mett. Es gab nur die Zwiebel und den Mundgeruch! Aber das war mir egal. Ich war jung und liebte den Thrill. Die Schärfe, die vom Mund in die Nase in die Augen stieg. Herrlich!
Ich wusste noch nichts von der antibakteriellen Wirkung der Zwiebel, die den Blutdruck, die Blutfette und den Blutzucker senken kann - angeblich. Auch nichts von den gerinnungshemmenden und antiasthmatischen Eigenschaften. Oder dass die Römer glaubten, dass Zwiebeln vor der Pest schützen. Bei uns verpestete sie allenfalls das Wohnzimmer. Ich hatte auch keine Insektenstiche, Wunden, Furunkel oder Blutergüsse, die ich mit Zwiebeln behandeln musste. Es war auch kein Zwiebelsaft gegen Husten oder ein Stück Zwiebel, das man sich bei Vollmond auf eine Warze am Fuß kleben soll. Es war einfach nur eine Zwiebel. Ich wusste auch nicht, dass die Küchenzwiebel eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit ist, die schon seit mehr als fünftausend Jahren als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze kultiviert wird. Mir war damals weder bewusst, dass Zwiebeln den ägyptischen Göttern als Opfergabe gereicht wurden, noch dass sie eine Art Zahlungsmittel für die beim Pyramidenbau eingesetzten Arbeiter waren.
Klar, liebe Leser, IHR wisst das natürlich - spätestens jetzt. Ich wusste nichts von alledem. Ich wusste nur: Ich liebte Zwiebeln. Und daher bereitete es mir eine besondere Genugtuung, als die Zwiebel 2015 endlich die Ehrung bekam, die sie in meinen Augen schon lange verdiente. 2015 wurde die Zwiebel nämlich vom Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, gen. Paracelsus e.V. zur Heilpflanze des Jahres ernannt, sogar mit Urkunde zu Ehren der Zwiebel.
Ehrlich. Vor Rührung hatte ich Tränen in den Augen! Vor Rührung oder weil es zur Feier des Tages natürlich frischen Zwiebelkuchen gab. Ein weiterer Vorteil der Zwiebel: Ich konnte damit meinen Bruder ärgern, was mir nicht nur Freude bereitete, sondern mir vor allem auch noch mehr Platz auf der Couch neben ihm sicherte.
Aber, Moment! Apropos Couch! Da nehme ich Sie sehr gerne auf einen optischen Ausflug in die späten Siebziger, frühen Achtziger mit. Wie sahen da die Couchen aus? Ja, nicht mehr ganz knalle-bunt. Nach knalle-bunt kam die Entdeckung der gedeckten Töne. Unsere Couch war moosgrün und aus Samt. Samtig weich, und wenn man sie in eine Richtung streichelte, wurde das Moosgrün etwas dunkler. Streichelte man gegen den Strich, wurde es wieder heller. Streichelte man über die Stelle, auf der vorher das Nutellabrot, natürlich mit Gesicht nach unten, wegen der Schwerkraft, draufgefallen war, glich das Moosgrün farblich einer kleinen, modrigen Matschpfütze, in der man zu doll mit einem Stöckchen gerührt hat, um Pfützensuppe zu kochen. Und, Achtung! Sie war aus Samt. Und was trug ich am Körper in den späten Siebzigern? Richtig: Frottee oder Nicki! Das war gefährlich. Wenn man zu sehr auf dem Samtsofa hin und her rutschte, zum Beispiel weil man so ungeduldig auf Spiegelei, Zwiebel und Nutellatoast wartete, lud sie sich elektrisch auf. Da prallten einfach zu viele samtige Textilien aufeinander. Diese Elektrizität entlud sich meist durch mein sehr feines, zu Berge stehendes Haar. Hätte man sie gebündelt, hätte ich sicherlich genügend Volt auf dem Kopf gehabt, um mein allabendliches Spiegelei selber zu garen.
Ich wusste also schon früh, welche Vor- und Nachteile eine Couch haben kann. Ein Wissen, das mir bei meinen Kindern helfen sollte. Unser aktuelles Modell ist nämlich nicht aus Samt. Aber beim Kauf versicherte uns der freundliche Polstermöbelfachverkäufer, dass unser ausgewählter Bezug in schlamm-graubraun-meliert wirklich sehr strapazierfähig sei und man da nix an Flecken darauf sehen würde. Bewundernswert war, dass er das alles brav aufsagen konnte, während er dabei zusah, wie meine Söhne die Trampolinfähigkeit der übrigen Ausstellungsstücke testeten. Immerhin hatten sie die Schuhe ausgezogen! Und er hat recht behalten. Der Stoff wächst mit seinen Aufgaben, und wenn unsere Kinder einmal ausziehen und ich ein neues Sofa kaufe, dann werde ich das alte auskochen und die komplette Nachbarschaft auf einen deftigen Eintopf einladen.
Aber zurück zu meinem Bruder, der Couch und mir und meinem abartigen Abendmahl.
Denn das war unser gemeinsames Vorabendfernsehritual. Ich bekam mein Trio Infernale aus Spiegelei, Nutellatoast und Zwiebel. Er bekam Colt Seavers. Der Colt für alle Fälle. Der Held seiner Kindheit. Gut, ganz genau genommen war er scharf auf Jody, die hotte Assistentin. Aber egal. Mein großer Bruder war in Sachen Vorabendseriengucken der Bestimmer, und er liebte Colt Seavers. Also mochte ich Colt Seavers auch. Lee Majors war der Super-Stuntman! Der und sein Truck.
»Hey, ich muss über den Fluss! Ich springe mit meinem Truck.«
»Ich muss über die Schlucht! Ich springe mit meinem Truck.«
»Ich will in den Urlaub! Ich fliege mit meinem Truck.«
Das war ein Typ! Den mochten alle. Da war schon die Frisur ein Stunt. Der hatte eine Hollywood-Föhnwelle. So was trägt heutzutage nur noch Uschi von der Leyen. Aber ich war nie verliebt in den Colt. Da konnte Colt Seavers in seiner Badewanne sitzen und Moos ansetzen. Ich war verliebt in Howie.
Okay, der Name klingt wie ein schwuler Indianergruß. Häuptling Abahachi auf dem Kriegspfad: »How!«
Antwort von Rosa Wolke: »Howie!«
Gemeint ist Howie Munson. Der war wie Colt Seavers - nur mit weniger Haaren und ohne Falten. Okay, Howie war ein bisschen tollpatschig und ängstlich.
Bei dem hieß es: »Hey, ich muss über den Fluss! Okay, ich frag Colt Seavers.«
Um den habe ich mir bei den Stunts immer die meisten Sorgen gemacht. Scheiß auf die Autos! Scheiß auf Colt Seavers! Hoffentlich passiert Howie nichts!
Zur Not retteten ihn die Airbags von Jody. Wer erinnert sich noch an die heiße blonde Assistentin von Colt Seavers? Was war noch mal die Aufgabe von Jody? Nix! Vor allem nix anziehen. Wie schwer muss das für Howie gewesen sein.
Alle Jungs so: »Yeah! Geil, Colt Seavers!«, und alle anderen Jungs: »Yeah, Jody Banks! Geil!«, und die kleine Mirja: »Yeah! Howie! Du bist zwar nicht cool, aber ich find dich toll! Huhu!«
Ich glaube, so funktioniert Fernsehen. Da muss immer einer dabei sein, den man mag. Der ein bisschen doof ist, oder dick. Am besten ist natürlich dick und doof. Wir brauchen eben einen, der anders ist. So ein bisschen niedlich zwischen den Ohren halt. Da fühlen wir uns einfach besser. Das ist auch der Grund, warum manche Paare noch zusammen sind. Wir Frauen fühlen uns dann einfach besser.
Fernsehen funktioniert genauso. Zum Beispiel die Castingshows: Wenn da die Spezialbegabten auf die Bühne stolpern, dann guckst du zu und denkst, der singt »You raise me up«, aber wo kommen die Töne raus? Oben oder unten? Beides? Das kann ich besser!
Oder du guckst Kochshows. Angebrannte Kartoffeln, angebranntes Wasser. Das kann ich besser! Oder du guckst ein Spiel vom 1. FC Köln. Deswegen liebe ich den 1. FC. Das ist teilweise von Fußball kaum zu unterscheiden. Ich liebe die Loser, und es gibt sie überall im Fernsehen.
Die ganze Sesamstraße ist voll mit Typen, die kaum lesen, schreiben oder rechnen können. Die können sich teilweise nicht einmal richtig bewegen. Da sitzt du davor und denkst »Pah, bin ich schlau!«, also als Erwachsener. Kleinere Kinder gucken...
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