Abb. 8. Symbiose von Seeanemonen (
Sagartia parasitica) mit einem Einsiedlerkrebs (
Pagurus striatus), zwei davon geschlossen mit ausgestoßenen Akontien. Zum Teil nach Faurot in Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben, Bd.
II.
Betrachtet man aber genauer das Verhältnis, so merkt man alsbald, wie die allgemeinen Anschlußtriebe beider Parteien innerhalb dieser geläufigsten Typen bereits stufenweise Steigerung erfahren haben. Die schon häufig getragene Sagartia parasitica (früher wohl auch als die Adamsia des Rondeletius bezeichnet, Abb. 8), eine große, wie eine Sommerhose braun und weiß gestreifte Seerose, die manchmal bis zu sieben Mann hoch auf der gleichen Krebsklause stolz gleich den Haimonskindern der Sage reitet, führt doch noch ein halb selbständiges Leben, erst in ihrer Reife sorgt sie sich um einen Krebs, die verschiedensten Klausner sind ihr aber eben recht, und wenn's sein muß, kann sie auch ohne einen bleiben, so wie auch die Eremiten selber ihrer nicht unbedingt benötigen zum Lebensglück. Das vertritt offensichtlich noch eine ältere, losere Stufe. Aber bereits die echte Adamsia, die der Tierkundige die palliata, die "mantelhafte", nennt, kennt es nicht mehr anders, als daß sie schon von früher Jugend an mit ihrem schön bunten, oft prächtig weiß mit rosa geäugten Mantelleibe stets ein und dieselbe Krebsart, den Eupagurus Prideauxi, beglückt, den man sich denn auch seinerseits gar nicht mehr ohne sie vorstellen kann. Und ebenso blühen gewisse hängende Koloniegärtchen, wie jene Podocoryne, allemal auf bestimmtem Krebs, und der Krebs lauert nur unter ihnen wie der zugehörige Drache ihres kleinen Paradieses, der allerdings selber noch von dem feurigen Engelsschwert dieses Paradieses profitiert. Hier muß schon längst alles im eingefahrenen Geleise laufen über jede zufällige Gelegenheit hinaus. Und damit ja kein Zweifel bleibe, entdecken wir diesmal auch schon körperliche Folgen des Daueranschlusses selbst. Die Anpassung mit ihrer großen ausgleichenden Maschine hat eingesetzt, indem sie zunächst den Polypenleib noch enger auf den neuen geselligen Nutzzweck zurechtschneiderte. Jene Adamsia heißt nicht umsonst die mit dem Pallium, die mantelartige. Sie hat die sonst so stolz nach oben blühende Rose ihres Körpers abgeschafft zugunsten einer Art derber Knospe, die mantelhaft von unten her das Schneckenhaus des Krebses umgreift. Sie umgreift es aber von unten, weil so ihr ehemaliger oberer Rosenmund unmittelbar hinter dem Krebsmund, wie er abwärts geneigt aus der Schnecke kommt, sich einstellen, den Abfall des Krebsmahls aus erster Quelle fassen oder wohl gleich am Krebsbissen mitfressen kann, etwa wie ein junges Äffchen, das der Mutter unter dem Leibe hängt und der Alten listig ab und zu etwas vom Munde fortstiehlt, grade da sie es sich selber zu Gemüte führen will. Dabei zeigt aber eben solche Adamsia noch ein Besonderes. Sie versteht nämlich, zu kurze Schneckenhäuser auf dem Krebs selbsttätig durch Abscheidung horniger Substanzen vorne anzulängen, als wachse die tote Schnecke gespenstisch noch weiter. Die alte felsbildende Kraft des Polypenstammes scheint noch einmal in ihr aufgelebt. Dem Krebs aber ist auch das von entschiedenem Nutzen. Als kleiner Kerl hat er schon solches Schneckenhaus, damals doch natürlich ein entsprechend kleines, bezogen. Wenn er nun wächst, muß er öfter ausziehen, ein neues, größeres suchen. Wie hübsch aber, wenn das Haus selber eine Möglichkeit zeigt, über ihm zu wachsen. Ganz wird's ja nicht gehen, zuletzt wird er doch noch einmal wechseln müssen, immerhin ist's schon Gewinn, wenn ein zu kleines Dach nur noch etwas länger brauchbar bleibt. Und man versteht, daß der Polyp hier auch auf des Krebses Organisation rückwirken mußte: er kann sich mit kleineren Häusern und weniger Häusern behelfen, ja man könnte sich denken, daß er unter Umständen gar kein echtes Schneckenhaus mehr brauchte, sofern ihm der Polyp nur selber eines auf den Leib mißt. Und bei den hängenden Gärtlein jener ganz mitgeschleppten Polypenkolonien geschieht's wirklich so: da zersetzt der Dachgarten zuletzt die echte Schneckenhülse, baut aber dafür im gleichen Schritt einen solchen eigenen hörnernen Schutzsack ganz zwischen Krebs und sich ein, der genügt und zugleich den Gewinn des eigenen Nachwachsens bringt. Solcher Ganzersatz ist dann wieder besonders wertvoll in der Tiefsee geworden, wo die gehäufte Kohlensäure ohnehin den Schneckenkalk angreift und fremde Kalkhäuser zum Wechseln selten macht. Unsere deutsche Valdivia-Expedition hat aus dem südatlantischen Ozean von einer Bank in nicht ganz 1000 m Tiefe zahllose Einsiedlerkrebse gezogen, deren Körper von großen rosettenförmig angeordneten violetten Seerosen bis zu einem Dutzend an der Zahl besetzt waren; mit unten verknüpften Leibeshöhlen stellten auch diese Polypen eine Art Kolonie dar, in deren knorpelharter Grundmasse der Schneckenhauskalk bis auf den ursprünglichen Hornbelag völlig aufgelöst erschien, während der einfache derbe Knorpelsack dem Krebs allein genügenden Hinterhalt bot. Daß der Krebs so auch die Tiefsee bestehen konnte, bedeutete auch ihm aber wieder eine beträchtliche Erweiterung seines Lebenshorizonts.
Nun mag ja solcher Zug zum eigenen Ersatzfels von gewissen Polypen auch hier bereits mitgebracht worden sein, als sie zum Krebs kamen, - wie er denn bei den hängenden Gärtchen den Kolonieverband selber als Grundrost vermitteln hilft und auch in eigenen Brustwehrspitzen, gleichsam zackigen Zinnen über der Kolonie, für die Deckung der zarten Persönchen auf rollender Unterlage verwertet wird. Aber bei der Adamsia sieht's doch auch wie etwas Neues zum Zweck aus, und dieser Zweck scheint nicht bloß mit eigenem Bessersitzen und Stühlchenrücken zum gemeinsamen Tisch erschöpft, sondern die körperliche Änderung des Polypen scheint hier bereits auf den Nutzen des Krebses selbst zu zielen als abermals neue Stufe. Und das jetzt wieder finden wir unzweideutig durchgeführt bei den Verteidigungskapseln der Polypenpartei.
Abb. 9. Der Einsiedlerkrebs
Eupagurus constans. Sein Gehäuse wurde auf Unterlage eines Schneckenhauses von einer Polypenkolonie (
Hydractinia) erbaut. Zum Teil nach Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben. Bd.
II.
Wir sahen, wie sie dem Krebs entscheidend mithalfen, zunächst schon sozusagen rein zufällig, - wie der Blitz den mittrifft, der sich unvorsichtig unter den Baum setzt. Im enger werdenden Anschluß versteht man dann, daß die Kapselwaffen sich oben wohl verstärken mußten, da sie fortan mit ziemlicher Regel durch zwei Feinde, neben eigenen auch noch die des Krebses, zur Reizung kamen. Bei all den krebsreitenden Einzelrosen treten also neben den gewöhnlichen Hautkapseln noch jene schon erwähnten, mit Millionen von Explosionskapseln gespickten Schleuderlassos in wirksamster Form auf, lange Fäden, Akontien (vgl. Abb. 8), zu deutsch Wurfspieße, genannt, die durch das Mundtor oder besondere kleine Leibesschießscharten entsandt und dem Angreifer weithin auf den Pelz gebrannt werden können. Die Einschaltung mag dabei ein interessantes Naturbild geben, daß ein einziger Seerosenfangarm unter Umständen 43 Millionen einzelner Kapseln führen kann, was bei 150 vorhandenen Armen die hübsche Summe von 6000 Millionen verfügbarer Geschosse in solchem ätherischen Blumenkind vermeintlicher Unschuld ergibt. Schon vor langen Jahren hat Eisig im schönen Neapeler Aquarium die Grundbeobachtung gemacht, wie eine solche Seerose mit besonderen Akontien einen großen bösen Oktopus, also einen Tintenfisch, der den Krebs vermittelst eines seiner langen Schröpfkopfarme aus dem Schneckenhaus ziehen wollte, wie ein Feinschmecker bei uns eine leckere gekochte Weinbergschnecke auswickelt, in jähe Flucht und vorsichtige Fernbetrachtung trieb. Aber die Umwandlung ist nicht bei dieser einfachen Verstärkung stehen geblieben.
Abb. 10. Randstück einer Polypenkolonie (
Hydractinia) auf einem Schneckenhause. Vorne gekrümmte Wehrpolypen, dahinter und an den Skelettstacheln Freßpolypen. Stark vergrößert. Unter Benutzung eines Originals von Stechow in Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben. Bd.
II.
Bei den Nixengärtchen der Podocoryne und Hydractinia tritt die Anordnung der Kolonie ausgesprochen vom eigenen Schutz zum Krebsschutz über (Abb. 9 u. 10). Jene besonderen kapselgespickten Wehrpolypen, die hier die Akontien der Einzelrose gleichsam genossenschaftlich mit ganzer Person wiederholen, setzen sich nämlich sämtlich genau über den oberen offenen Rand der Schneckenhöhle, also sozusagen auf die Logenbrüstung unmittelbar über dem Parkett das der Krebs innehat, - die denkbar geeignetste Stellung zur Krebsverteidigung als Erstzweck. Untätig lassen sie wie Troddeln gleichsam ihre Beine auf den Krebs herabbaumeln oder bei ganz eingezogener Lage des Krebses vorweg pendeln, oder sie stehen auch, spiralig gerollt, sprungbereit auf dem Anstand: sobald aber ein Verdächtiges gegen den Krebs anrückt, schlagen sie (wie Weismann berichtet) "alle wie auf ein gegebenes Signal gleichzeitig von oben nach unten und wiederholen das drei- bis viermal". Bei künstlichen Versuchen soll man die Eruption (auch nach Weismann) schon durch einfaches kräftiges Heranstrudeln von Wasser hervorlocken können, das offenbar bereits als Annäherung eines Feindes selbst genommen wird, - ein Beweis, wie automatisch die eigentliche Technik auch hier noch läuft. Die Polypentierchen sehen ja selber in Ermangelung echter Augen weder ihren Krebs noch seine Feinde, sie reagieren nur auf ein allgemein...