Die Saga von den Grönländern
1 Eirík erkundet und besiedelt Grönland
Ein Mann hieß Þorvald. Er war der Sohn Ásvald Úlfssons und ein Urenkel von Öxna-Þórir. Þorvald und sein Sohn Eirík der Rote fuhren von Jæren nach Island, weil sie in Totschläge verwickelt waren. Damals war Island schon weithin besiedelt. Zunächst wohnten sie in Drangar in Hornstrandir. Dort starb Þorvald.
Eirík nahm Þjóðhild, die Tochter von Jörund Úlfsson, zur Frau. Ihre Mutter Þorbjörg Knarrarbringa war zu dem Zeitpunkt mit Þorbjörn aus dem Haukadal verheiratet. Eirík zog dann südwärts und ließ sich auf Eiríksstaðir bei Vatnshorn nieder. Ein Sohn von Eirík und Þjóðhild hieß Leif. Nachdem Eirík Eyjólf Saur und Hólmgöngu-Hrafn getötet hatte, wurde er aus dem Haukadal verbannt.
Daraufhin zog er nach Westen zum Breiðafjord und wohnte auf dem Hof Eiríksstaðir auf der Insel Öxney. Eirík lieh Þorgest von Breiðabólstad seine Bettplanken, erhielt sie aber nicht zurück, als er danach fragte. Deswegen kam es zwischen ihm und Þorgest zu Streit und Auseinandersetzungen, wovon die Saga von Eirík dem Roten erzählt.
Styr Þorgrímsson, Eyjólf von Svíney, die Söhne von Þorbrand aus dem Álftafjord und Þorbjörn Vífilsson unterstützten Eirík, während die Söhne von Þórð Gellir und Þorgeir aus dem Hítardal Þorgest beistanden. Eirík wurde auf dem Þórsnes-Thing geächtet, woraufhin er in der Bucht Eiríksvog sein Schiff seefertig machte. Als er abfahrbereit war, geleiteten ihn Styr und dessen Leute durch die Inseln. Eirík sagte ihnen, er habe vor, das Land zu suchen, das Gunnbjörn, der Sohn Úlf Krákas, gesehen hätte, als er westwärts abtrieb und die Schären Gunnbjarnarsker entdeckte. Wenn er dieses Land gefunden hätte, würde er wieder zu seinen Freunden zurückkehren.
Unterhalb des Snæfellsgletschers legte Eirík ab. Er fand das Land und kam zu einem Gletscher, den er Miðjökull nannte und der nun Bláserk heißt. Von dort segelte er südwärts und suchte nach geeignetem Land zum Siedeln.
Den ersten Winter verbrachte er auf der Insel Eiríksey, etwa in der Mitte der späteren östlichen Siedlung. Im folgenden Frühjahr fuhr er zum Eiríksfjord, wo er sich niederließ. Im Sommer bereiste er den unbewohnten Westen und gab dort vielen Plätzen Namen. Den zweiten Winter verbrachte er in Eiríkshólmar in der Nähe des Gipfels Hvarfsgnípa, und im dritten Sommer segelte er weit hinauf in den Norden bis zum Berg Snæfell und in den Hrafnsfjord. Dort meinte er, das Ende des Eiríksfjords erreicht zu haben. Er kehrte um und verbrachte den dritten Winter auf Eiríksey an der Mündung des Eiríksfjords.
Im darauffolgenden Sommer kam er wieder nach Island und fuhr mit seinem Schiff in den Breiðafjord. Das Land, das er entdeckt hatte, nannte er Grönland, grünes Land, weil er glaubte, dass es die Leute eher anziehen würde, wenn es einen schönen Namen hätte. Nachdem Eirík den Winter in Island verbracht hatte, fuhr er im Sommer wieder nach Grönland, um dort zu siedeln. Er wohnte in Brattahlíð im Eiríksfjord.
Kundige Männer berichten, dass sich im selben Sommer, als Eirík der Rote in Grönland siedelte, fünfundzwanzig Schiffe aus dem Breiðafjord und dem Borgarfjord nach Grönland aufmachten, aber nur vierzehn dort ankamen. Einige trieben zurück und einige gingen verloren. Dies war im fünfzehnten Winter, bevor das Christentum in Island angenommen wurde. Im selben Sommer fuhren Bischof Friðrek und Þorvald Koðránsson von Norwegen weg.
Folgende Männer begleiteten Eirík und nahmen Land in Grönland: Herjólf nahm den Herjólfsfjord in Besitz und wohnte in Herjólfsnes, Ketill nahm den Ketilsfjord, Hrafn den Hrafnsfjord, Sölvi nahm das Sölvadal, Helgi Þorbrandsson den Álftafjord, Þorbjörn Glóra den Siglufjord, Einar den Einarsfjord, Hafgrím den Hafgrímsfjord und das Gebiet Vatnahverfi, Arnlaug den Arnlaugsfjord, und einige fuhren zur späteren Westsiedlung.
2 Bjarni und seine Männer stoßen auf unbekannte Länder
Herjólf war der Sohn von Bárð. Bárðs Vater Herjólf war mit dem ersten Landnehmer Ingólf verwandt. Ingólf gab Herjólf, dem Älteren, und seinen Begleitern Land zwischen Vog und Reykjanes.
Zuerst wohnte Herjólf, der Jüngere, in Drepstokk. Seine Frau hieß Þorgerð und ihr Sohn Bjarni. Dieser war ein vielversprechender Mann. Schon in jungen Jahren drängte es ihn, nach Norwegen zu fahren. Schnell erlangte er Besitztümer und Ansehen und verbrachte die Winter abwechselnd in Norwegen und bei seinem Vater. Bald besaß er ein Schiff für seine Seereisen, und im letzten Winter, den Bjarni in Norwegen verbrachte, fuhr Herjólf mit Eirík dem Roten nach Grönland und gab seinen Hof auf. Einer der Männer auf Herjólfs Schiff stammte von den Hebriden, ein Christ, der die Drápa auf die Sturzwellen dichtete. Sie hat folgenden Refrain:
Ich bitte dich, unbescholtener Prüfer der Mönche,
mir bei meinen Fahrten beizustehen;
der Herr des hohen Saals der Erde
möge den Sitz des Jagdfalken über mich halten.
Prüfer der Mönche = Christus; hoher Saal der Erde = Himmel; Sitz des Jagdfalken = Hand
Herjólf siedelte in Herjólfsnes und war ein sehr angesehener Mann.
Eirík der Rote wohnte in Brattahlíð. Er stand in hohem Ansehen, und alle unterwarfen sich seiner Autorität. Eiríks Söhne hießen Leif, Þorvald und Þorsteinn und seine Tochter Freydís. Sie war mit einem Mann namens Þorvarð verheiratet, und sie wohnten in Garðar, dort, wo heute der Bischofssitz ist. Freydís war eine herrschsüchtige Frau, und Þorvarð ein unbedeutender Mann. Sie war ihm des Geldes wegen verheiratet worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Leute in Grönland noch Heiden.
In dem Sommer, als sein Vater im Frühjahr in Island losgefahren war, kam Bjarni mit seinem Schiff nach Eyrar. Er hielt die Neuigkeit, dass sein Vater Herjólf nach Grönland übergesiedelt war, für sehr bedeutsam und wollte seine Ladung nicht löschen. Da fragte ihn seine Mannschaft, was er vorhabe, und er antwortete, er wolle seine Gewohnheit beibehalten, den Winter bei seinem Vater zu verbringen, »und ich werde nach Grönland fahren, wenn ihr mich begleiten wollt«.
Alle sagten, sie würden sein Angebot annehmen.
Da sagte Bjarni: »Man wird unsere Reise als töricht ansehen, da keiner von uns bisher die Grönlandsee befahren hat.«
Dennoch stachen sie, als alles vorbereitet war, in See und segelten drei Tage lang, bis das Land hinter dem Horizont verschwunden war. Dann ließ der Fahrtwind nach, sie gerieten in eine Nordbrise und Nebelfront und wussten tagelang nicht, wohin sie fuhren.
Dann sahen sie die Sonne wieder und konnten sich orientieren. Sie hissten die Segel und fuhren für den Rest des Tages, bis Land in Sicht kam. Sie überlegten, um welches Land es sich handeln könnte, bis Bjarni meinte, das sei nicht Grönland.
Seine Leute fragen, ob er das Land anlaufen will. Bjarni antwortet: »Ich schlage vor, dass wir näher heranfahren.«
Dies taten sie und sahen bald, dass das Land nicht gebirgig, sondern nur hügelig und mit Wald bedeckt war. Sie ließen das Land backbords liegen und kehrten die Segelschot dem Ufer zu.
Dann segeln sie zwei volle Tage, bis sie wieder Land sichten. Die Männer fragen Bjarni, ob er dies für Grönland halte. Er antwortet, dass er dieses Land ebenso wenig für Grönland halte wie das vorherige, »denn in Grönland soll es sehr große Gletscher geben«.
Sie näherten sich rasch dem Ufer und sahen, dass es flach und bewaldet war. Dann ließ der Fahrtwind nach, und die Mannschaft hielt es für ratsam, an Land zu gehen, aber Bjarni war dagegen. Die Leute meinten, sie bräuchten Holz und Wasser.
»Ihr habt genug Vorräte«, sagte Bjarni, obwohl seine Mannschaft protestierte. Er forderte sie auf, die Segel zu hissen, und dies wurde gemacht. Sie wenden den Vordersteven vom Land ab und halten hinaus aufs Meer. Drei Tage lang segelten sie mit Südwestwind, bis sie das dritte Land sichteten. Dieses Land hatte hohe Berge und war mit Gletschern bedeckt. Da fragen die Männer Bjarni, ob er dort anlanden wolle, aber er antwortet, das wolle er nicht, »denn dieses Land scheint mir unvorteilhaft«.
Diesmal holten sie die Segel nicht ein, sondern fuhren an der Küste entlang, bis sie sahen, dass es eine Insel war. Wieder wandten sie den Steven vom Land ab und hielten mit derselben Brise hinaus aufs Meer. Doch der Wind wurde stärker, und Bjarni befahl, die Segel zu reffen und nicht schneller zu fahren, als ihr Schiff und die Takelage es aushielten. Jetzt fuhren sie vier volle Tage, bis sie das vierte Land sahen und Bjarni fragten, ob er dies für Grönland halte. Bjarni antwortet: »Dieses Land gleicht dem, was mir von Grönland berichtet wurde, und hier werden wir anlanden.«
Das tun sie und gehen am Abend an einem Kap an Land, wo sie ein Boot finden. Auf dieser Landspitze wohnte Herjólf, Bjarnis Vater. Sie wurde nach ihm benannt und heißt seitdem Herjólfsnes. Nun ging Bjarni zu seinem Vater und beendete seine Handelsfahrten. Er blieb bei seinem Vater, solange dieser lebte, und übernahm nach dessen Tod den Hof.
3 Leif erforscht die neu entdeckten Gebiete
Als Nächstes fuhr Bjarni Herjólfsson von Grönland nach Norwegen zu Jarl Eirík, der ihn freundlich empfing. Bjarni erzählte von seinen Fahrten, bei denen er verschiedene Länder gesehen hätte. Die Leute hielten ihn nicht für sehr wissbegierig und machten ihm Vorwürfe, dass er nichts über diese Länder zu berichten wusste. Bjarni wurde ein Gefolgsmann des Jarls und fuhr im nächsten Sommer wieder nach...