Schweitzer Fachinformationen
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Bist du bereit?«
Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Antoine stand mit Christian vor dem Blue Fire Megacoaster, und ihm wurde schon beim ersten Blick auf die Achterbahn übel. Sturni war nicht in Topform. Nachdem Caroline ihn verlassen hatte, ließ er sich eine Zeit lang gehen und zerfloss vor Selbstmitleid. Seinen Kummer hatte er in großen Mengen Uberacher Juliette ertränkt, einem mit Ingwer und Rosenblättern gewürzten Bier aus der Region. Ironischerweise braute die Brauerei sein Lieblingsbier immer am Valentinstag und bewarb es als Elixier für Verliebte. Nur vor Christian hatte er sich immer zusammengerissen und den starken Mann gegeben. Er hatte es schon schwer genug und sollte nicht auch noch mit dem Liebeskummer seines Vaters belastet werden. Antoine hatte durch zu viel Alkohol und den Mangel an Sport etwas Fett angesetzt, und man sah seine poignées d'amour, sein Hüftgold, deutlich unter seinem T-Shirt hervorlugen. Achterbahnen waren noch nie sein Ding, aber bei seiner aktuell schlechten körperlichen Verfassung fürchtete er ernsthaft um die Stabilität seines Kreislaufs.
»Sag mal, wollen wir nicht eine Pause machen und in einem der Themenpavillons etwas essen gehen? Wie wäre es mit Spanisch? Ich hätte Lust auf Paella und Tortillas.«
»Später, Papa! Du willst dich doch nur vor der Achterbahn drücken. Los, stellen wir uns an, und danach können wir immer noch nach Spanien.«
Es war nichts zu machen. Antoine hatte seinen Sohn hingehalten, solange es ging. Sie waren den Alpenexpress »Enzian« gefahren, Arthur und die Minimoys, die Schweizer Bobbahn, die Tiroler Wasserbahn, hatten das neue Voletarium besucht, und nun standen sie vor diesem Höllengerät.
»Okay, bringen wir es hinter uns, aber danach gehen wir nach Spanien und schlagen uns dort den Bauch voll, sofern ich nach dieser Fahrt überhaupt noch etwas runterbekomme.«
Antoine zwängte sich in den engen Sitz, und ihm wurde schmerzhaft bewusst, dass er nicht mehr dem Normalmaß entsprach. Für einen Einundvierzigjährigen war er ganz schön aus dem Leim gegangen. Daran musste er unbedingt etwas ändern. Ab morgen würde er sich ein Sportprogramm und eine strenge Diät verordnen. Wäre doch gelacht, wenn er die Pfunde nicht wieder loskriegen würde. Das Leben ging schließlich weiter und war schön, auch ohne Caroline. Ein Blick in Christians begeisterte Augen machte ihm klar, weshalb er sich die anstehende Tortur antat.
»Okay, mein Großer. Es kann losgehen!«
Mit einem Ruck setzte sich die Achterbahn in Bewegung. In zweieinhalb Sekunden wurden sie von null auf hundert Stundenkilometer katapultiert. Christian kreischte vor Vergnügen, während Sturni schon flau wurde, bevor sie den ersten Looping erreichten. Zum Glück hatten sie sich vor dem Essen in dieses Foltergerät gesetzt, sonst wäre sein Mittagessen wohl schon im Gesicht seines Hintermanns gelandet. Viermal überschlugen sie sich, bevor die Achterbahn wieder zum Stehen kam.
»Super, das fahren wir gleich noch mal!«
Sturni fühlte sich noch ganz benommen und hörte seinen Sohn wie von ferne jubeln. Die Sitzgurte lösten sich, und er spürte, wie Christian an seinem Ärmel zupfte.
»Komm, Papa, wir stellen uns gleich noch mal an.«
Nur langsam kehrte das Blut in seinen Kopf zurück, und es dauerte, bis er wieder klare Gedanken fassen konnte. Sein Mageninhalt war drin geblieben, er schien unverletzt, sein Herz schlug noch, alles war gut. Langsam erhob er sich und schwankte, von Christian leicht gestützt, dem Ausgang entgegen.
»Okay, ich habe mein Versprechen eingehalten, und wir sind mit dem Blue Fire gefahren, aber jetzt machen wir erst einmal Pause, einverstanden?«
Antoine war zwar jeglicher Appetit vergangen, doch er wollte die soeben erlebte Tortur keinesfalls noch einmal mitmachen. Zum Glück ließ sich Christian leicht überzeugen. Die rasante Achterbahnfahrt hatte seinen Appetit angeregt, und so spazierten sie gemütlich vom isländischen Themenbereich, wo sich der Blue Fire befand, nach Spanien. Sturni nahm seinen Sohn fest in den Arm. Es wurde höchste Zeit, dass er sich wieder in den Griff bekam und sich mehr um ihn kümmerte. Er war nicht der Einzige, der von seiner Frau wegen eines anderen Mannes verlassen worden war, aber der Stachel saß immer noch tief. Außerdem hatte er noch Christian. Weder Caroline noch er wollten, dass Christian mehr als notwendig unter ihrer Trennung litt.
Sie waren im Restaurant Don Quichotte angekommen, und Christian bestellte die halbe Speisekarte, während Sturni sich mit einer Crema catalana begnügte. Wenn ihm schon übel war, dann konnte er gleich die Gelegenheit nutzen und schon heute mit seiner Diät beginnen.
»Sag mal, wie geht es denn mit Mama und ihrem neuen Freund Frédéric? Versteht ihr euch gut?«
Caroline war damals gleich zu ihrem neuen Geliebten gezogen und hatte Christian mitgenommen. Das hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Wäre sie nur ausgezogen, ohne gleich jemand anderen zu haben, dann hätte er noch um sie kämpfen können, aber so .
»Es geht.«
Christian war nicht besonders gesprächig, sondern machte sich lieber über seine Tortilla und die Tapas her.
»Fühlst du dich dort wohl? Ist Frédéric nett zu dir?«
»Es wäre mir lieber, wenn Mama und du wieder zusammen wärt und ich nur bei euch leben könnte. Aber das geht leider nicht mehr, sagt Mama.«
Christian schien die Trennung seiner Eltern inzwischen akzeptiert zu haben. Die ersten Monate waren hart für ihn. Sturni musste viel mit ihm reden und ihn beruhigen. Er und seine Mama würden immer für ihn da sein, auch wenn sie kein Paar mehr waren. Er musste Christian aufbauen und ihm den Rücken stärken, obwohl es ihm selbst beschissen ging. Sturni staunte, wie anpassungsfähig Kinder waren. Für ihn ging damals die Welt unter, und für kurze Zeit war das auch für Christian so. Inzwischen hatte er aber verstanden, dass sich Mama und Papa auch weiterhin um ihn kümmern würden und dass er auf keinen von beiden verzichten musste. Sie lebten nur nicht mehr zusammen, und seine Mutter hatte einen neuen Freund, der ebenfalls bereits eine Tochter hatte, die aber nur ab und zu die Wochenenden bei ihnen verbrachte.
»Es freut mich, dass es dir wieder besser geht und dass du dich auch gut mit Frédéric und seiner Tochter Mathilde verstehst.«
Unterschwellig hatte Sturni Angst, dass Carolines neuer Freund sich auf seine Kosten in die Vaterrolle drängen würde.
»Wann bekommst du denn eine neue Freundin, Papa?«
»Tja, das ist nicht so einfach. Derzeit lebe ich allein, und es geht mir gut dabei. Wenn ich einmal eine neue Freundin finden sollte, dann stelle ich sie dir vor.«
Das stimmte nicht so ganz. Erstens ging es ihm überhaupt nicht gut. Er war derjenige, der mit der neuen Situation am schlechtesten zurechtkam. Und zweitens war er auch nicht mehr ganz allein. Aber es war noch zu früh, um seinem Sohn davon zu erzählen.
»Ihr werdet aber trotzdem immer für mich da sein, Mama und du? Auch wenn ihr jemand anderen liebt?«
Sturni legte seinen Löffel weg, mit dem er lustlos in seiner Crema catalana herumgestochert hatte, und drückte seinen Sohn fest an sich.
»Was auch immer passiert, Christian. Du bist die wichtigste Person in unserem Leben. Es kommt manchmal vor, dass Erwachsene sich trennen und sich nicht mehr lieben. Das alles hat aber nichts mit dir zu tun, und du trägst keine Schuld daran.«
Nun kamen Christian doch die Tränen, und er klammerte sich fest an ihn. Wenn nur sein verdammter Job nicht wäre! Er musste mehr für Christian da sein, aber seine Arbeitszeiten ließen es einfach nicht zu.
Nachdem Christian sich wieder etwas beruhigt und seine Riesenportionen spanischer Köstlichkeiten vertilgt hatte, schlenderten sie noch auf der Suche nach Popcorn durch den Park. Obwohl er Freizeit- und Erlebnisparks eigentlich ziemlich kitschig fand, gefiel ihm die Idee eines Europas im Kleinen. Irgendwie waren sie doch alle eine große Familie, auch wenn sie sich in Sprache, Kultur und Essgewohnheiten unterschieden. In England wurden sie fündig. Antoines Appetit war inzwischen zurückgekehrt, und sie genehmigten sich beide eine große Portion Popcorn. Es war ein rundum gelungener Tag. Er hatte seine Versprechen gegenüber seinem Sohn eingehalten, und so fuhr Antoine mit guten Vorsätzen in seinem klapprigen Scénic zurück Richtung Straßburg. Es war Sonntagabend, und seine Woche mit Christian ging zur Neige. Er würde ihn bei Caroline abliefern, wo Christian die nächste Woche verbringen würde. Noch auf der Fahrt erhielt er eine WhatsApp-Nachricht auf sein privates Handy.
»Bin gegen 22 Uhr bei dir, Margaux.«
Der Tag hatte perfekt angefangen, und er würde mit einer perfekten Nacht enden. Antoine war so gut gelaunt, als sie in der Rue des Roses in Neudorf ankamen, dass er sogar noch mit hochkam und Christian bis an die Wohnungstür im dritten Stock des Mietshauses brachte.
»Wie war euer Tag?«
»Fantastisch.«
Christian fiel seiner Mutter in die Arme. Antoine wurde klar, dass er über seinen Schatten würde springen müssen. Er hatte Caroline verloren und war selbst daran schuld. Sie hatten eine Verantwortung ihrem Sohn gegenüber, und es war am besten für alle Beteiligten, wenn sie auch weiterhin miteinander auskamen. Er musste akzeptieren, dass sie einen neuen Mann an ihrer Seite hatte. Antoine spürte, dass er langsam dazu bereit war.
»Geht es dir gut?«, fragte Caroline.
»Wir hatten einen wundervollen Tag.« Antoine antwortete ausweichend.
»Danke, dass du dein Versprechen Christian gegenüber eingelöst hast. Er hat sich schon so lange auf diesen Tag...
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