Schweitzer Fachinformationen
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Die ungleichen Schwestern Liv und Maike erben das alte Gehöft vor den Toren der Römerstadt Xanten, auf dem sie aufgewachsen sind. Sie beschließen, das Bauernhaus zu renovieren, um es danach gewinnbringend weiterzuverkaufen. Unerwartete Hilfe erhalten sie dabei von Jasper, einem Tischler auf der Walz, der Livs Herz mit seinem Lächeln jedes Mal schneller schlagen lässt.
Während sie durch die verwilderten Wiesen ihrer Heimat streift, erinnert sich Liv an ihren fast vergessenen Traum, sich in der Natur mit ihrem Wissen über heilende Wildkräuter selbstständig zu machen. Könnte dies der richtige Ort dafür sein? Doch dafür müssten die Schwestern sich zusammenraufen und das Gehöft behalten. Und was ist mit Jasper, der seine Walz schon bald fortsetzen wird?
Narzissenzeit. Livs Mund verzog sich unwillkürlich zu einem breiten Lächeln, als ihr Blick auf das lang gestreckte Band gelber Blüten fiel, die rechts und links entlang der Griether Straße wuchsen. Trotz des trüben Märzwetters vermittelte dieser Anblick schon einen Hauch von Frühling.
Sie spürte, wie sich unwillkürlich ihre Schultern entspannten. Nur noch ein paar Minuten, dann war sie zu Hause. Sie freute sich schon sehr darauf, die nächsten paar Tage noch einmal in ihrem Elternhaus zu verbringen. Selbst darauf, Maike zu treffen, schließlich war sie ihre Schwester, die einzige Familie, die sie noch hatte. Außerdem war sie froh, sämtliche Entscheidungen, die ihre persönliche Zukunft betrafen, weiterhin ein wenig vor sich herschieben zu können.
Sie bog ab auf die Rheinuferstraße, ließ das Dörfchen Grieth rechter Hand liegen und fuhr ein paar Hundert Meter hinter dem Ort nach links in die breite Einfahrt des Derksenhofs, der sich am Rande des dünn besiedelten Poldergebiets Bylerward befand. Nachdem sie den Motor abgestellt hatte, blieb sie noch einen Moment im Wagen sitzen und betrachtete das alte Bauernhaus, einen lang gestreckten, kantigen Bau aus dem 19. Jahrhundert. Mit seinen grauen Bruchsteinmauern und dem wuchtigen schwarzen Walmdach, das sich über dem ersten Stockwerk erhob, trutzte er seit knapp 150 Jahren jeglichem Wetter.
Liv stieg aus und schlüpfte in ihren warmen Wollmantel, um sich wenigstens ein bisschen vor dem stetig fallenden Regen zu schützen. Vor der Haustür hielt sie abrupt inne und betrachtete nachdenklich den geschwungenen Türgriff aus Messing, mit dem sie die grün gestrichene Doppelflügeltür bereits unzählige Male geöffnet hatte. Doch heute empfand sie plötzlich ein Gefühl der Endgültigkeit, das sie schaudern ließ. Sie atmete noch einmal tief durch, drückte die Klinke hinunter und betrat das Haus. Sofort wurde sie vom Geruch ihrer Kindheit umhüllt. Tränen schossen ihr in die Augen. Trotz aller Probleme, denen ihre Familie im Laufe der Jahrzehnte ausgesetzt gewesen war, hatte sie sich hier niemals allein, sondern stets behütet gefühlt. Doch nun lag die alte Diele still und verlassen vor ihr, der Glanz früherer Tage längst verblasst.
Hoffentlich finden wir rasch einen Käufer, dachte sie, während sie um Fassung rang. Um sich abzulenken, betrachtete sie eingehend die Bodenfliesen aus dem 19. Jahrhundert, das Muster der stilisierten Blüten in Ocker-, Braun- und Grautönen, die von hellblauen Streifen umrahmt wurden. Sie waren immer der Stolz ihrer Mutter gewesen und lagen nun ungepflegt und ungeachtet unter einer dicken Staubschicht. Auch das dämmrige Licht dieses verregneten Tages trug nicht gerade dazu bei, diesem Moment etwas Anheimelndes zu geben. Alles wirkte dunkel und trüb, in die Jahre gekommen. Vom fein gedrechselten, weiß gestrichenen Treppengeländer blätterte die Farbe ab, und die weiß lackierten Kassettentüren, die von der Diele abgingen, zierten teils tiefe, dunkle Kratzer.
Sicher, in den letzten zwanzig Jahren war hier im Haus nichts mehr renoviert worden, aber die letzten zwei Jahre, seitdem das Haus unbewohnt dastand, hatten dem Zahn der Zeit besonderen Tribut gezollt.
Der neue Besitzer bräuchte nicht nur einiges an Geld, dachte sie bei dem traurigen Anblick, er bräuchte vor allem auch einiges an Fantasie, um die Möglichkeiten zu sehen, die sich ihm mit dem Kauf dieses Hofs erschlossen.
Obwohl sie selbst hier drin gar nicht so viel verändern würde. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. Die Wände frisch streichen, Türen und Treppe aufarbeiten und vor allem den Fliesen zu neuem Glanz verhelfen. Schon sähe es hier komplett anders aus.
Aber dazu würde es nicht kommen. Zumindest nicht unter ihrer Regie. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Maike hatte Liv beschlossen, das Wohnhaus samt Nebengebäuden, Weiden und Ackerland zu verkaufen. Das daraus resultierende Geld sollte ihr einen Neuanfang ermöglichen. Ihr Flugticket nach Stockholm lag schon im Warenkorb eines Internetportals und wartete auf einen letzten Klick. Von Stockholm aus wollte sie auf eine Schäreninsel weiterreisen. Am besten in ein Ferienhaus mit Kamin und Blick aufs Wasser. Dort könnte sie sich dann gemütlich einigeln und bis zum Sommer darüber nachdenken, wie es in ihrem Leben eigentlich weitergehen sollte.
»Hallo?«, erklang es plötzlich dumpf aus der Küche.
Die Tür öffnete sich, und Livs frühere Nachbarin steckte den Kopf hindurch.
»Ach, du bist das, Liv«, sagte Anni Evers erleichtert. »Hattest du eine gute Fahrt?«
»Ja, alles bestens, danke«, antwortete Liv.
»Ich habe euch gerade eine Lasagne in den Ofen geschoben, müsste in einer halben Stunde fertig sein. Vegetarisch mit einem Hauch Bitterschokolade. Ich hoffe, das ist okay?«, fragte Anni, während sie immer noch im Türrahmen stand.
»Klar, das klingt prima«, antwortete Liv, obwohl ihr gerade überhaupt nicht der Sinn nach Essen stand.
Anni betrachtete Liv eingehend. »Du siehst nicht gut aus, Mädchen. Zu viel Arbeit?« Doch ohne eine Antwort abzuwarten, sprach sie gleich weiter: »Nun komm schon durch. Hier in der Diele ist es zu kalt. In der Küche, oben im Bad und in euren Schlafzimmern habe ich euch die Heizung angestellt, da ist es bereits muckelig warm.«
Liv musste schmunzeln. Wie früher redete Anni ohne Punkt und Komma und war besorgt um sie wie die Glucke um ihre Küken. Schön, dass sich manche Dinge niemals änderten.
Liv zog ihren Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Merkwürdig, nicht mehr als ein Kleidungsstück dort hängen zu sehen. Früher herrschte hier, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, immer ein Gewusel an Jacken und Mänteln, da sich weder Maike noch sie selbst je die Mühe machen wollte, überflüssige Kleidung zurück in ihre Schränke zu hängen.
Bevor weitere traurig machende Gedanken aufkommen konnten, bemühte sie sich, den Blick auf die Gegenwart zu richten, und folgte Anni in die Küche. Die stellte gerade zwei Teller auf den Tisch.
»Ich habe euch auch frische Bettwäsche von mir hingelegt«, sagte sie und nahm zwei Gläser aus dem wuchtigen Vitrinenschrank. »Die Wäsche im Haus riecht sicher stockig nach all der Zeit und muss erst gewaschen werden, bevor sie wieder benutzt werden kann. Ansonsten habe ich hier und in euren Zimmern kurz durchgesaugt und den gröbsten Staub weggewischt. Für die Feinarbeiten und den Rest des Hauses seid ihr dann zuständig. Ich nehme doch an, dass ihr noch ein wenig Ordnung machen wollt, ehe ihr den Termin mit dem Makler habt?«
»Du bist wirklich ein Schatz«, bedankte sich Liv und kramte Besteck aus der Schublade. »Maike und ich werden dieses Wochenende zumindest hier im Haus alles auf Hochglanz bringen. Montagvormittag wird dann der Makler kommen und sich alles ansehen.«
»Ihr werdet doch dafür sorgen, dass wir nette Nachbarn bekommen, oder?«
Annis Ton bekam einen fordernden Klang, was Liv in die Defensive drängte. Natürlich konnte sie Annis Sorge gut verstehen. Da der Derksenhof der einzige Nachbar zu Annis Samenhandlung war, gab es seit Jahrzehnten ein enges Band zwischen den beiden Parteien. So war ihre Mutter bereits von Kindesbeinen an mit Anni befreundet gewesen und hatte sie später zu Livs Patentante gemacht. Dennoch wollte Liv keine leeren Versprechungen machen.
»Maike und ich werden unser Bestes geben«, erklärte sie daher ausweichend. »Wie geht es Opa Hein?«, fragte sie nach Annis Vater, in der Hoffnung das Thema zu wechseln.
Sofort erhellte sich Annis Gesicht. »Dem geht es besser. Das neue Medikament scheint gut anzuschlagen. Beide Nieren arbeiten wieder vernünftig. Von Dialyse ist zumindest erst einmal keine Rede mehr.«
»Wie schön!« Liv nahm Anni erfreut in den Arm und drückte sie. Dass der alte Herr auf dem Weg der Besserung war, erleichterte sie sehr. Auch wenn Opa Hein natürlich nicht ihr richtiger Opa war, liebte sie ihn doch von ganzem Herzen. Er war ein gutmütiger Kerl, der immer ein offenes Ohr für ihre Kindersorgen gehabt hatte. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er ihr das Fahrradfahren beigebracht und ihr nur wenige Jahre später ebenso geduldig gezeigt, wie man einen Rasenmäher reparierte. Allein der Gedanke an den Duft seines Pfeifentabaks vermittelte ihr ein Gefühl von Geborgenheit.
»Also gut, dann sind wir hier so weit fertig«, kam Anni zum Wesentlichen zurück. »Ich gehe jetzt wieder rüber. Fürs Frühstück habe ich euch einiges in den Kühlschrank gestellt, und wenn ihr sonst noch etwas braucht, könnt ihr einfach klingeln.«
Sie nahm Liv noch einmal herzlich in den Arm, und diese versank in dieser liebevollen Geste, die sie an die Umarmungen ihrer Mutter erinnerte.
»Ich danke dir für alles«, murmelte Liv. »Wir werden auf dich anstoßen, wenn wir zu Abend essen.«
»Tut das«, antwortete Anni in ihrer energischen Art und löste sich von ihr. »Jetzt muss ich aber wieder los, damit bei uns auch bald das Essen auf den Tisch kommt. Cornel hat mich zwar im Laden vertreten, aber du weißt, wie er ist, wenn er Hunger hat.«
Liv lachte. Cornel war wirklich ein spezieller Typ und nicht aus Annis Laden für Pflanzensamen und Gartenbedarf wegzudenken. Er arbeitete schon seit mehr als zwanzig Jahren mit im Betrieb und wohnte inzwischen hinter dem Haupthaus in einer der beiden Wohnungen der ehemaligen Remise. Cornel und Essen, diese beiden Worte gehörten schlicht und einfach...
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