Schweitzer Fachinformationen
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Der Passeig des Born ist die historische Fußgängerpromenade Palmas. Er wird von Schatten spendenden Platanen gesäumt; es gibt viele Steinbänke. An beiden Enden des Passeig des Born stehen rätselhafte Sphinx-Figuren. Sam lief auf den Obelisken zu, der an der Plaça del Rei Joan Carles I. inmitten eines ringförmigen Brunnens mit wasserspeienden Löwen auf vier viel zu kleinen steinernen Schildkröten thront. Auf seiner Spitze ist seltsamerweise eine Fledermaus zu sehen.
Am Zeitungskiosk kaufte er eine deutsche Tageszeitung. Kurz entschlossen überquerte er die Straße trotz roter Fußgängerampel und intensivem Verkehr, was zu wilden Bremsmanövern und einem aufgeregten Hupkonzert führte. Als er in aller Ruhe und ohne Blessuren den gegenüberliegenden Bürgersteig erreicht hatte, fühlte er sich schon besser. Ab und zu brauchte es eben einen kleinen Adrenalinschub, um am späten Vormittag in die Gänge zu kommen. Auf das penetrante Hupen freilich hätte er verzichten können. Sam langte sich an die Schläfen. Er war heute etwas geräuschempfindlich. Nicht auszuschließen, dass er gestern Abend einen Brandy zu viel getrunken hatte.
Er setzte die Sonnenbrille auf und ließ sich in der Bar Bosch an einem der runden Tischchen unter einem weißen Schirm nieder. Die Zeitung legte er auf einen freien Stuhl. Ein Fingerzeig genügte, kurz darauf wurden ihm der obligatorische Café con leche und eine Ensaïmada serviert. Es hatte zweifellos seine Vorzüge, wenn man zu den Stammgästen zählte. Fast jeden Tag pflegte er hier sein Frühstück einzunehmen. Der Straßenverkehr und die Autoabgase störten ihn nicht. Hier pulste wenigstens das Leben.
Sam sah auf die Uhr. Jeden Augenblick musste dieser Typ aus Düsseldorf auftauchen, der ihn gestern angerufen hatte. Er hatte keine Ahnung, was der von ihm wollte. Hoffentlich nichts, was ein intensives Nachdenken verlangte. Dazu sah er sich zu so früher Stunde noch nicht in der Lage.
»Entschuldigen Sie, sind Sie Herr Späth? Der Ober sagte mir .«
»Späth? Ich bin mir da heute nicht so sicher, aber wenn's der Ramón sagt, wird's wohl stimmen. Bitte nehmen Sie Platz!«
Sam deutete auf einen freien Stuhl und warf einen kurzen, prüfenden Blick auf seinen Besucher. Heller Anzug, feinstes Leinen, Seidenhemd, Uhr von Bulgari, gepflegte Hände, Ehering, rötliches Gesicht, fortschreitender Haarausfall, vermutlich Ende fünfzig. Sam war mit der Examinierung zufrieden. Sah nach einem einigermaßen liquiden neuen Klienten aus. »Mein Name ist Hasfurth, Hans-Peter Hasfurth, wir haben gestern telefoniert.«
Auch Hasfurth versuchte sich einen ersten Eindruck von seinem Gesprächspartner zu machen. Dieser Sam Späth war ihm von einem Bekannten empfohlen worden. Sollte ein fähiger Privatdetektiv sein. Etwas raubeinig und unbeherrscht, aber absolut professionell. Nun, er hatte ja auch kein besonders schwieriges Anliegen. Für einen Schnüffler wahrscheinlich tägliche Routine. Dieser Späth hatte alte Cowboystiefel, verwaschene Blue Jeans, ein verknautschtes und nicht ganz sauberes Polohemd offen über der Hose an und eine dunkle Sonnenbrille auf. Eine Rasur hätte ihm nicht geschadet. Er machte auf Hasfurth einen ziemlich kräftigen Eindruck. Wäre bestimmt ein guter Leibwächter, dachte er. Aber körperliche Fitness war für den anstehenden Job unerheblich. Hauptsache, er konnte fotografieren. Jedenfalls sah Sam Späth genauso aus, wie man sich klischeehaft einen Privatschnüffler vorstellte. Und dann noch dieser Name!
»Sagen Sie, Ihr Name, Sam Späth, der ist doch für einen Mann mit Ihrem Beruf .?«
Sam winkte gelangweilt ab. »Für meinen Nachnamen kann ich nichts, okay? Und den Vornamen habe ich schon als sabbernder Säugling abbekommen. Mein Vater hat leidenschaftlich Dashiell Hammett gelesen und für Sam Spade geschwärmt. War sozusagen eine frühkindliche Prägung oder wie das heißt. Aber Sie sind ja wohl nicht hierher gekommen, um über meinen Namen zu philosophieren. Dazu hätte ich nämlich wenig Lust.«
Hasfurth räusperte sich. »Nein, natürlich nicht. Ich würde Ihnen gerne einen Auftrag erteilen.«
»Nur zu, tun Sie sich keinen Zwang an!«
»Also, ich habe eine Finca in der Nähe von Portocolom.«
»Schön für Sie.«
»Ja, und eine bezaubernde Frau.«
»Noch schöner, Sie sind ja ein Glückskind.«
»Dachte ich auch, aber momentan kommen mir Zweifel. Sie müssen wissen, ich habe viel zu arbeiten. Ich besitze eine Firma in Düsseldorf, um die ich mich kümmern muss. Meine Frau verbringt die meiste Zeit in unserer Finca auf Mallorca, und ich pendle zwischen Düsseldorf und Mallorca hin und her. Auch jetzt bin ich gerade auf dem Weg zum Flughafen. Mein Flieger geht in knapp zwei Stunden. Am übernächsten Wochenende erst komme ich zurück.«
»Alles klar, wo ist das Problem?«
»Nun, meine Frau ist auf Mallorca viel alleine. Und wie ich schon andeutete, sieht sie sehr gut aus. Sie ist auch etwas jünger als ich.«
Sam grinste. »Und nun wollen Sie wissen, ob Ihnen Ihre hübsche Frau während Ihrer Abwesenheit Hörner aufsetzt, oder?«
Hasfurth atmete erleichtert auf. »Ja, genau. Es fällt mir irgendwie schwer, diesen Verdacht auszusprechen. Eine Ehe basiert ja auf gegenseitigem Vertrauen. Aber meine Gabriele kommt mir in letzter Zeit so verändert vor .«
Sam nahm langsam die Sonnenbrille ab und sah Hasfurth in die Augen. »Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
Hasfurth schaute irritiert. »Ich bitte darum.«
»Sie brauchen meine Hilfe nicht, und das Geld können Sie sich sparen. Natürlich betrügt Sie Ihre Gabriele, das machen alle Frauen, die von Ihren Männern, die daheim dem schnöden Mammon nachjagen, auf der Insel geparkt werden. Das ist völlig normal. Eine Frage der Hormone.«
»Das können Sie doch nicht so pauschal sagen«, entrüstete sich Hasfurth.
»Okay, Ausnahmen bestätigen die Regel. Mag in Einzelfällen vorkommen, ist aber wider die Natur. Und woher wollen Sie wissen, dass gerade Ihre Gabriele ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat?«
»Genau das sollen Sie ja für mich herausbekommen!«
»In Ordnung, überredet. Aber machen Sie mir hinterher keine Vorwürfe. Die Wahrheit ist oft schwer zu ertragen.«
»Haben Sie einen Fotoapparat?«
»Na klar, dachten Sie, ich arbeite mit Leinwand und Pinsel?«
Hasfurth zog einen Umschlag aus dem Jackett. »Hier habe ich für Sie ein Foto von Gabriele, hier noch eines mit ihrem schwarzen Cabriolet im Hintergrund, außerdem ein Bild meiner Finca und die genaue Adresse mit Anfahrtsskizze. Und hier ist meine Visitenkarte. Rufen Sie mich an, sobald Sie was wissen?«
Sam nahm den Umschlag entgegen. »Okay, mach ich, kann aber etwas dauern, vor allem, wenn ich Ihre Holde nicht gleich auf frischer Tat ertappe, was ja offensichtlich auch Ihre Hoffnung ist. Aber ich gebe Ihnen auf jeden Fall bereits vor dem nächsten Wochenende einen Zwischenbescheid.«
»Wie hoch ist Ihr Honorar?«
»Sage ich Ihnen hinterher. Sie werden es sich leisten können. Als Vorschuss dürfen Sie mir einen Tausender überweisen. Spesen gehen extra. Hier haben Sie meine Karte, mit meiner Bankverbindung.«
»Tausend Euro? So viel? In Ordnung, ich werde das gleich veranlassen.«
Hasfurth stand abrupt auf, gab Sam die Hand, sprach einige Abschiedsworte und eilte davon.
Sam Späth schüttelte den Kopf. »Rausgeschmissenes Geld«, murmelte er und zog das Foto der Ehefrau aus dem Umschlag. »Uuups, sieht ja wirklich gut aus, die Kleine. Und die soll treu sein? Da lachen ja die Hühner.« Sam grinste. Ihm kam der Gedanke, dass er die Sittsamkeit dieser Señora einem persönlichen Praxistest unterziehen sollte, sozusagen Ermittlungen im freiwilligen Selbstversuch, hatte er dazu doch in gewisser Weise den offiziellen Auftrag des Ehemanns. Sam kicherte. Der Tag fing an Spaß zu machen. Er lehnte sich zufrieden zurück, gab dem Ober ein Zeichen und bestellte einen Carajillo, einen Espresso mit Brandy. Es war langsam an der Zeit, die Lebensgeister zu wecken.
Sam nahm die Zeitung, um unkonzentriert in ihr zu blättern. Plötzlich war er hellwach. »Todeserklärung in Vorbereitung«, las er. »Zeugenaussagen vor dem Amtsgericht abgeschlossen - Dr. Felix Reiter stirbt nun auch de jure. Fast auf den Tag genau vor neun Monaten ist der Devisenspekulant und mutmaßliche Millionenbetrüger Dr. Felix Reiter vor der Küste Mallorcas mit seiner Yacht in einen schweren Sturm geraten. Alle Indizien sprechen dafür, dass er dabei von Bord gespült wurde und ertrunken ist .«
Sam las rasch weiter. Einige Zeilen später stieß er auf seinen eigenen Namen. Tatsächlich war er vor zwei Wochen in Frankfurt vorgeladen gewesen, und man hatte ihn zu den Vorfällen im letzten Jahr befragt. Allerdings hatte er der Rechtspflegerin auch nichts anderes erzählen können, als dass der Flüchtige vor dem Sturm noch auf der Yacht gewesen war und hinterher nicht mehr. Und da Reiter nicht die Kunst des Wandelns auf dem Wasser beherrschte, war er wohl ersoffen. Leider und zu seiner großen Enttäuschung. Jetzt war also auch das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass dieser Felix Reiter sein hoffnungsvolles Leben als Fischfutter abgeschlossen hatte? Und in einigen Monaten würde er dann für tot erklärt werden. Davon hatte der Sportsfreund auch nichts mehr. Und er selbst am allerwenigsten.
Sam trank den Carajillo in einem Zug leer. Das war wirklich dumm gelaufen, absolut saudumm. Da hatte er sich als Mitarbeiter einer Frankfurter Detektei die Hacken abgelaufen und schließlich eine heiße Spur entdeckt, die nach Mallorca führte. Und was die Kollegen vom BKA nicht geschafft hatten, das war ihm gelungen....
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