Prolog
Es war noch früh am Morgen und die Sonne war eben erst aufgegangen, als sich die Tür zu Damiens Kinderzimmer öffnete. Seine Mutter weckte ihren Sohn liebevoll an diesem Tag. Die langen Sommerferien waren an diesem Montag zu Ende und Damien kam in die siebte Klasse. Die ersten vier Jahre seiner Schulzeit auf der Grundschule waren vorbei gegangen und die Gesamtschule die er und seine Freunde danach besuchten, musste aufgrund von Baufälligkeit geschlossen werden.
Seine ehemalige Klassenlehrerin war der Meinung, dass er das Zeug dazu hatte auf das Gymnasium zu gehen. In seiner Heimatstadt gab es einige Bildungseinrichtungen, die mehr oder weniger weit von seinem Wohnort entfernt waren. Am Anfang der Ferien setzte sich Damien zu seiner geliebten Mama, die entscheiden sollte, welche Schule für Damien die richtige war. Natürlich durfte er selbst entscheiden, auf welches Gymnasium seiner Heimatstadt er von nun an gehen wollte.
Die vielen Freunde seiner bisherigen Schulzeit verteilten sich auf unterschiedliche Einrichtungen. Manche sollten eher die Realschule besuchen und einige wenige die Hauptschule. Damien durfte sich wieder ein Gymnasium aussuchen, an dem er die nächsten Jahre verbringen wollte. Seiner Mutter war es nicht entgangen, dass Damien nicht glücklich darüber war seinen halben Freundeskreis zu verlieren. In seinem Alter kam dann auch langsam noch das Interesse am anderen Geschlecht hinzu.
Natürlich gab es auch in seiner Grundschulklasse eine Schülerin, mit der er sich prächtig verstand. Allerdings lautete ihre Empfehlung nur Realschule und nicht wie bei ihm Gymnasium. Sie war ihm wichtig und die Aussicht darauf nicht mehr jeden Tag mit ihr zusammen zu sein war für den Jungen nicht schön. Laura, so hieß die junge Dame, kannte er schon seit dem Kindergarten. Sie war so alt wie er und wohnte gar nicht weit entfernt. Danach waren beide auf die Gesamtschule gewechselt, die jetzt geschlossen wurde.
Selbstverständlich besuchte sie auch dieselbe Grundschule des Stadtviertels und sie bekamen weitere Jahre geschenkt. Jetzt sollten sie aber alle auf eine andere Gesamtschule wechseln. Auch ein paar seiner Freunde wechselten auf diese Schule und Damien stand Anfang der Ferien noch vor der Entscheidung, welche Bildungseinrichtung er denn aus dem schier grenzenlosen Fundus wählen sollte. Letztendlich entschied er sich, nicht zuletzt wegen Laura, auch für diese Gesamtschule.
Seine Mutter war darüber nicht ganz so begeistert. Immerhin war die Schule ein ganzes Stück entfernt und um sie zu erreichen brauchte Damien eine Busfahrkarte. Während er seine Sommerferien größtenteils im Freibad des Viertels verbrachte, musste sich seine Mutter um den Rest kümmern. Katharina kaufte ihrem Sohn einen neuen Schulranzen samt Mäppchen und einige Hefte. Schaden konnte es ja nicht schon ein bisschen was zu Hause im Schrank zu haben.
Heute war der erste Schultag und sie sollte ihren einzigen Sohn zum ersten Tag begleiten. Wie jeden Morgen war sie schon etwas länger wach und kümmerte sich um das Frühstück. Seinen Wecker überhörte Damien noch etwas öfter. An manchen Tagen ignorierte der junge Mann das grässliche Klingeln auch einfach. Wer ging schon gerne jeden Morgen aus dem Haus, um sich in einem großen Gebäude das, in seinen Augen unnütze Gerede einer Lehrkraft anzuhören.
In seinem Leben gab es deutlich schöneres, anstatt sich täglich einige Stunden um die Ohren zu schlagen und Nachmittags dann auch noch in seinem Kinderzimmer von Aufgaben verfolgt zu werden. Lesen und Schreiben konnte er ja schon. Rechnen klappte auch ohne größere Probleme und mehr brauchte man ja auch nicht. Allerdings hatten die Erwachsenen sich einen perfiden Plan ausgedacht. Damien sollte noch mehr Unsinn lernen, den er nicht brauchen konnte.
Wen interessierte es schon wie ein Bericht in einer Zeitung aufgebaut war oder wie viele Gedichte es gab, die man ihn noch zwingen wollte auswendig zu lernen. Anfangs köderte man ihn noch mit der Aussicht auf eine höhere Schule. Dass ihn dann aber noch einmal neun Jahre Schule erwarten würde, verschwieg man allerdings. Lernen, um noch mehr zu lernen. Auf so eine bescheuerte Idee konnten auch nur Erwachsene kommen.
Ihm erklärte man dann immer wieder, dass je höher seine Schulbildung war, umso mehr Geld konnte er später bei der Arbeit verdienen. Das war natürlich Unsinn. Lionel Messi verdiente jedes Jahr Millionen auf dem Sportplatz. Der musste auch nicht vor einem Torschuss eine Mathematikaufgabe lösen. Wozu sollte er überhaupt Rechnen können? In der heutigen Zeit machten das kleine Taschenrechner und Computer schneller und genauer. Selbst sein Handy konnte das schon in ein paar Sekunden und ihn quälte man in der Schule mit Textaufgaben.
Diese Textaufgaben in seinen Büchern waren für Damien der letzte Mist. Für ihn hörte sich das ungefähr so an: Bauer Heinrich hat einen Apfelbaum in seinem Garten. Daran hängen 30 Kilogramm Orangen. Wie viele Birnen kann Bauer Heinrich bei Regen ernten?
In der ganzen Stadt gab es keinen Bauer Heinrich, den Damien kannte. Auch eine Suche im Internet ergab keinen Treffer für einen Bauern mit diesem Namen in seiner Heimatstadt. Laura hatte auch schon gesagt, dass sie diesem Bauer Heinrich eine Schaufel auf das Schienbein wirft, wenn sie ihn findet. Damien fühlte sich nicht wohl an diesem Morgen. Schon das frühe Aufstehen nach den langen Ferien gefiel ihm ganz und gar nicht.
Langsam schälte er sich aus dem warmen Bett und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Seine Mutter werkelte immer noch in der Küche. Wie jeden Morgen roch es schon wieder nach diesem ekelhaften Kaffee. Damien hatte eines Morgens mal einen Schluck aus der Tasse seiner Mutter probiert. Dieses Gebräu, was sie jeden Morgen zubereitete, konnte man eigentlich nicht trinken. Sein Kakao war ihm da viel lieber. Sogar Tee schmeckte ihm deutlich besser.
Statt seinen Freizeithosen musste er an diesem Morgen wieder eine kurze Jeanshose anziehen. Dann setzte er sich an den Frühstückstisch. Dort wartete schon ein Glas Orangensaft und die Tasse heißen Kakaos auf ihn. Damiens Magen quittierte den ersten Schluck Orangensaft mit einem lauten Knurren. Seine Mutter musste lachen und reichte ihrem Sohn das Körbchen mit den frischen Brötchen. Es war ziemlich still am Tisch. Katharina wollte ihren Sohn nicht schon am frühen Morgen quälen.
Das frühe Aufstehen tat ihm nicht gut und die Gedanken an die neue Schule freuten ihn auch nicht. Der einzige schöne Gedanke an diesem Morgen war, dass es nicht mehr lange dauerte bis er wieder mit Laura Zeit verbringen konnte. Auch sein Freund Ralf würde an dieser Schule seine nächsten Jahre verbringen. Diese beiden kannte er schon von Kindesbeinen an. Sie waren befreundet und hatten die letzten Wochen fast täglich miteinander verbracht.
Nach dem Frühstück räumte Katharina den Tisch ab, während Damien die Schulsachen in seinen neuen Ranzen stopfte. Als sie fertig war, frischte sie ihr Make-up noch einmal auf, bevor sie sich auf den Weg zur Bushaltestelle machten. Das würde in Zukunft Damiens Schulweg werden. Katharina wollte ihn jeden Morgen an die Haltestelle bringen, aber Damien hatte strikt etwas dagegen. Er war kein kleines Kind mehr und wollte auch nicht mehr so behandelt werden.
Der Übergang ins Erwachsenenalter gestaltete sich nicht nur für Damien schwierig. In seinem Körper erwachten langsam die Hormone, die seinen gesamten Organismus durcheinanderbrachten. Wenn das Testosteron durch die Blutbahn floss und sich der Körper langsam veränderte, kamen auch die Eltern an ihre Grenzen. Die jungen Frauen und Männer lehnten sich langsam auf und versuchten ihren eigenen Kopf durchzusetzen.
An diesem Morgen allerdings musste er...